Der BGH hat anscheinend bei Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke besonders viel Muße, sich mit dem Mietrecht zu beschäftigen. Anders ist es nicht zu erklären, dass in den letzten Tagen reihenweise Entscheidungen ergingen. Wieso Räumungen nicht nur kalt, sondern auch teuer sein können und was die Arbeitszeiten von Banken mit dem Mietrecht zu tun haben, erläutert Dominik Schüller.
Im der ersten Entscheidung (Urt. v. 14.07.2010, Az. VIII ZR 45/09 – noch nicht veröffentlicht) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der so genannten "kalten" Wohnungsräumung befasst. Hierunter versteht das Gericht die eigenmächtige Inbesitznahme von Mieträumen durch den Vermieter. Dies ist für Vermieter immer dann besonders interessant, wenn der Mieter die Wohnräume tatsächlich nicht mehr nutzt. Erlaubt ist sie im Regelfall nicht.
In dem in Wiesbaden spielenden Fall hatte ein Wohnungsmieter die Mieträume verlassen und war vermisst gemeldet worden. Folglich gingen auf dem Konto des Vermieters keine Mietzahlungen mehr ein. Dieser sprach die fristlose Kündigung aus. Anschließend ließ er die Wohnung öffnen und nahm sie damit wieder in seinen Besitz. Einen Teil der Einrichtungsgegenstände des Mieters entsorgte er, der andere Teil wurde eingelagert.
Problematisch wurde die Situation, als der Mieter unerwartet wieder auftauchte. Er behauptete nunmehr nämlich, dass ihm durch das Verhalten der Vermieters ein Schaden in Höhe von 62.000 € entstanden sein und klagte diese Summe ein. In den Vorinstanzen unterlag er mit seiner Forderung.
Kalte Räumung kann teuer werden
Der BGH stellte sich hingegen auf die Seite des Mieters. Bei dem Vorgehen des Vermieters habe es sich um eine irrtümliche Selbsthilfe im Sinne des § 231 BGB gehandelt. Folglich hafte er verschuldensunabhängig für entstandene Schäden.
Der Vermieter müsse in jedem Fall – auch bei einem Mieter mit unbekanntem Aufenthaltsort – einen gerichtlichen Räumungstitel erwirken, bevor er eine Räumung vornehmen könne.
Das wirtschaftliche Risiko einer eigenmächtigen Wohnungsräumung ist nach der Entscheidung des BGH sehr hoch. Im Fall musste die Sache an das Landgericht (LG) Wiesbaden zurück verwiesen werden, da die Höhe des entstandenen Schadens noch nicht geklärt war.
Eine weitere aktuelle Entscheidung des BGH (Urt. v. 14.07.2010, Az.VIII ZR 267/09 – noch nicht veröffentlicht) betrifft die Möglichkeit des Vermieters, ein Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Da dem Vermieter im Wohnraummietrecht grundsätzlich kein Recht zur ordentlichen Kündigung zusteht, sind die gesetzlichen Möglichkeiten für eine außerordentliche Kündigung besonders bedeutsam.
So kann der Vermieter nach § 543 Abs. 3 Nr.1 und 2 BGB ein Mietverhältnis bei Zahlungsrückständen über eine gewisse Dauer oder einer gewissen Höhe kündigen. Auf rückständige Betriebskostennachzahlungen konnte eine Kündigung auch schon bisher nicht gestützt werden.
Keine Kündigung wegen nicht gezahlter Prozesskosten
Die Entscheidung der Karlsruher Richter betraf nun die Frage, ob eine fristlose Kündigung auch wegen nicht gezahlter Prozesskosten ausgesprochen werden kann.
Der Mieter war mit seinen Mietzahlungen in Rückstand geraten, die Vermieterin kündigte den Mietvertrag fristlos.Noch während der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wurden die Rückstände vollständig durch die zuständige ARGE ausgeglichen, so dass die Kündigung geheilt wurde. Der Mieter wurde verpflichtet, die Prozesskosten zu tragen. Da eine Zahlung hierauf nicht erfolgte, kündigte die Vermieterin erneut fristlos.
Der BGH gab auch in diesem Fall dem Mieter Recht. Es habe keine erhebliche Verletzung der mietvertraglichen Pflichten gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB vorgelegen. Wenn durch eine vollständige Zahlung innerhalb der zweimonatigen Schonfrist die Kündigung geheilt werden könne, sei es unbillig, eine weitere fristlose Kündigung wegen ausstehender Prozesskosten zuzulassen.
Der Pressemitteilung des BGH ist nicht zu entnehmen, ob diese Aussage auch für den Fall gelten soll, dass kein Sozialversicherungsträger für den Mieter zuständig ist. Es spricht jedoch einiges dafür, auch in anderen Fällen dem Vermieter eine Kündigung wegen rückständiger Prozesskosten des Mieters zu versagen. Dies würde auch der mieterfreundlichen Tendenz des BGH entsprechen.
Der Samstag im Mietrecht
Mit Urteil vom 13.07.2010 (Az. VIII ZR 129/09) hatte der Senat schließlich die Frage zu entscheiden, ob der Sonnabend im Mietrecht als Werk- oder Feiertag einzuordnen ist. Im Arbeitsrecht ist dies hinsichtlich des gesetzlichen Urlaubsanspruchs im Bundesurlaubsgesetz eindeutig geregelt:
§ 3 Dauer des Urlaubs
(1) Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage.
(2) Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind.
Hier dürfte es keinen Streit geben. Wer allerdings meint, man müsse im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung diesen Grundsatz auch auf andere Rechtsgebiete ausdehnen, hat die Rechnung ohne den BGH gemacht.
Gibt es keine abweichenden Vereinbarungen, so sind Mieten bis zum dritten Werktag eines Monats an den Vermieter zu überweisen (§ 556b Abs. 1 BGB). Überweist ein Mieter regelmäßig seine Miete – auch nur einen Tag – zu spät, so kann dies im Extremfall einen Kündigungsgrund darstellen. Auch für die Frage des Verzugs und die hierdurch entstehenden Kosten hat die Frage, ob der Sonnabend ein Werktag ist, entscheidende praktische Bedeutung.
Wenn die Banken nicht arbeiten, ist der Samstag kein Werktag
Der BGH hat diese Frage nunmehr verneint. Zur Begründung zieht der Senat vor allem praktische Erwägungen und Mieterschutzgedanken heran.Es solle dem Mieter möglich sein, mit der – inzwischen üblichen – Banküberweisung bis zum letzten Tag eines Monats abzuwarten. Da die übliche Dauer einer Überweisung im Bankenverkehr (aus welchem Grund auch immer) bei drei Bankarbeitstagen liege, dürfe der Sonnabend nicht als Werktag im Sinne des § 556 Abs. 1 BGB angesehen werden.
Denn am Sonnabend arbeiten Banken nicht, ergo könnten keine Überweisungen ausgeführt oder gebucht werden. Anders sei dies beim Zugang von Kündigungsschreiben, die auch am Sonnabend zugehen könnten. Es zeigt sich wieder einmal, wie stark der Einfluss von Banken auf die Wirtschaft ist.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wohn- und Gewerbemietrecht sowie Immobilienrecht in einer Berliner Anwaltskanzlei.
Dominik Schüller, Mietrecht: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/999 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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