Ein Fall für die Geschichtsbücher: Mit dem BVerwG hat nun die achte Instanz über die schon im Jahr 2005 angemeldete Übernahme von ProSieben/Sat1 durch Axel Springer entschieden: Der Verlag hat auch nach dem Verkauf der Anteile an ProSieben/Sat1 noch ein Interesse daran, die Rechtswidrigkeit der Nichterteilung der medienrechtlichen Unbedenklichkeit feststellen zu lassen. Und nun?
Bereits 2005 hatte der Axel Springer Verlag bei der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und der bundesweiten Kommission zur Ermittlung der Kommission im Medienbereich (KEK) die Aufstockung der Beteiligung auf rund 70 Prozent am Gesamtkapital beantragt. 2006 untersagten jedoch die KEK, BLM und das Bundeskartellamt (BKartA) das Vorhaben. Geeint von der Idee, dass die crossmediale Meinungsmacht des Vorhabens durch hohe Marktanteile im Fernsehmarkt durch Sat1, Pro Sieben, Kabel1, N24 und 9 Live sowie im Zeitungsmarkt zum Beispiel durch die Bild-Zeitung, hier nicht "unbedenklich" ist, gelangten alle Instanzen zur Untersagung des Vorhabens.
Die Gründe der Untersagung durch das BKartA und BLM sowie KEK sind jedoch unterschiedlich. Zusammen hängt das mit ihrem Prüfungsmaßstab. Während das BKartA prüft, ob eine marktbeherrschende Stellung nach § 36 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) entsteht oder verstärkt wird, befassen sich die BLM und KEK damit, ob eine vorherrschende Meinungsmacht i.S.d. § 26 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) vorliegt.
Prüfung: Vorherrschende Meinungsmacht
Die medienrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung wird nach § 29 S. 3 RStV bei einer Erhöhung der Beteiligung wie bei einer Zulassung nur dann erteilt, wenn das Unternehmen keine vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Diese wird nach § 26 Abs. 2 S. 1 RStV ab einem Zuschaueranteil von 30 Prozent vermutet. Die Crux im Fall und Anlass der umfassenden Kritik an der Entscheidung der BLM und KEK war, dass die 30-Prozent- Grenze nicht erreicht wurde und trotzdem untersagt wurde.
Die Notwendigkeit einer Untersagung resultierte aus der crossmedialen Meinungsmacht, also aus der Meinungsmacht durch mehrere Mediengattungen, wie zum Beispiel Hörfunk, Rundfunk und Presse hindurch. Rechtlicher Anknüpfungspunkt sind die "anderen medienrelevanten Märkte" in § 26 Abs. 2 S. 2 RStV.
Denn wie will man umrechnen, welchem Zuschaueranteil der Marktanteil der Bildzeitung auf dem Markt für Tageszeitungen in Zuschauern im Fernsehen entspricht? Verlässliche Umrechungskriterien bestanden lange nicht. Allerdings besteht Anlass zur Hoffnung: Die KEK hat in ihrem neuen Bericht zum Status der Medienkonzentration neue feste Umrechungsgrößen vorgeschlagen.
Kartellrechtlich durchdekliniert
Während das BKartA mittlerweile sowohl vom OLG Düsseldorf als auch zuletzt vom BGH (Beschl. v. 08.06.2010, Az. KVR 4/09) darin bestätigt wurde, dass das marktbeherrschende Oligopol auf dem Fernsehwerbemarkt durch den Zusammenschluss weiter verstärkt worden wäre und der Zusammenschluss deshalb zu untersagen ist, war der verwaltungsrechtliche Rechtsweg nach wie vor offen.
Und dieser wird auch weiterhin kein leichter sein: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat ihn durch seine Entscheidung (Urt. V. 24.11.2010, Az. 6 C 16.09 – Urteil noch nicht veröffentlicht) nun weiter verlängert, indem es die Sache an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) zurückverwiesen hat.
Dieser hatte nicht nur die medienrechtliche Unbedenklichkeit abgelehnt, sondern auch das Feststellungsinteresse betreffend die Unbedenklichkeitserklärung, weil Axel Springer sein Vorhaben ja bereits aufgegeben hatte. Das BVerwG sah das anders und bejahte ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse – mit einem durchaus interessanten Argument.
Fortsetzungsfeststellungsinteresse mal anders – und das war es auch für’s Erste
Wenn sich ein Verwaltungsakt erledigt hat, kann der Kläger auch nach der Erledigung noch die Feststellung beantragen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war. Erledigung ist durch den Verkauf der Anteile an Permira und KKR eingetreten.
Traditionell liegt ein Interesse an der Feststellung nach Erledigung gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog dann vor, wenn die Wiederholung der Maßnahme droht, ein Rehabilitationsinteresse besteht, schwerwiegend in Grundrechte eingegriffen wurde oder die Vorbereitung einer Amtshaftung angestrebt wird.
Hier war die Begründung eine andere: Axel Springer habe ein Feststellungsinteresse, da es wegen der ungünstigen Entscheidung der BLM damit rechnen muss, von einem potentiellen Veräußerer schon gar nicht als ernsthafter Verhandlungspartner für eine etwaige künftige Übernahme in Betracht gezogen zu werden. Ob damit eine neue Fallgruppe geschaffen wurde, bleibt abzuwarten.
Zu hoffen bleibt, dass das Urteil des BVerwG den Blick des Verlags trotz des erstmaligen Erfolgs nicht verschleiert. Permira und KKR haben kürzlich angekündigt, ihre Anteile größtenteils über die Börse verkaufen zu wollen.
Letztlich lagen der Entscheidung des BVerwG vor allem Erwägungen zugrunde, warum Axel Springer noch ein Interesse an der Feststellung hat. Ob der BayVGH § 26 RStV abweichend auslegt, dass könnte nur ein Blick in die Glaskugel verraten.
Der Autor B.Sc Lars Maritzen LL.B ist Rechtsreferendar am Landgericht in Duisburg und war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Linklaters. Er beschäftigt sich mit Fragen des Kartell- und Sportrechts.
Lars Maritzen, LL.B MLE, Medienrecht: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2021 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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