Deutschlands jüngster Abgeordneter: Mit 26 in den Bundestag

von Constantin Körner

02.11.2013

Mahmut Özdemir (SPD) aus Duisburg ist der jüngste amtierende Bundestagsabgeordenete. Und er ist Jurist. Rechtsreferendar, um genau zu sein. Wir haben mit ihm über seine ungewöhnliche Karriere, seine politischen Ziele und die große Koalition gesprochen.

LTO: Herr Özdemir, herzlichen Glückwunsch zu einem Direktwahlergebnis von 43,2 Prozent. Seit gut fünf Wochen sind Sie nun Mitglied des Deutschen Bundestags. Wie haben Sie diese erste Zeit empfunden?

Özdemir: Es war alles genau, wie ich es mir vorgestellt habe. Es beschleunigt sich alles Stück für Stück. Im Moment steht die Arbeit aber noch recht still, wegen der laufenden Sondierungsgespräche mit CDU/CSU. Deshalb bin ich damit beschäftigt, Arbeitsabläufe mit meinem Team abzustimmen, mein Büro und meine Berliner Wohnung einzurichten.

LTO: Es gab in der Vergangenheit vereinzelt noch jüngere Abgeordnete als Sie. Trotzdem ist es natürlich die Ausnahme, mit 26 schon im Bundestag zu sitzen. Wie haben Sie das geschafft?

Özdemir: Ich habe verstanden, was Politik ausmacht. Zuerst die Muße, zuhören zu können. Dann muss man den Mut haben, die eigene Meinung zu vertreten. Zum Schluss muss man das Durchhaltevermögen besitzen, im politischen Prozess auch standzuhalten.

Vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal?

LTO: Kritiker von jungen Parlamentariern sprechen gern davon, dass deren Karrieren vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal führten. Welche Reaktionen erreichten Sie bislang?

Özdemir: Den Spruch kenne ich natürlich. Aber komischerweise habe ich den zuletzt vor anderthalb Jahren im Politikbetrieb gehört. Wenn man ein Direktmandat erlangt hat, wie ich das habe, dann ist man mit dem Vertrauen der Wählerinnen und Wähler ausgestattet. Alleine dies schafft die Berechtigung, nicht das Alter eines Abgeordneten. Außerdem bringe ich trotz meines Alters schon 13 Jahre politische Erfahrung mit.

LTO: Demnach haben Sie Ihre Laufbahn mit 13 Jahren angefangen. Da haben die meisten Heranwachsenden anderes im Sinn. Wie kam es dazu?

Özdemir: Ich hatte das Gefühl, dass die amtierende Politikerriege die Interessen der jungen Menschen nicht vertritt. In meinem Stadtteil Duisburg-Homberg haben sich die Jugendlichen damals einen Ort gewünscht, an dem sie sich entfalten konnten. Mir schwebte dazu eine Skateranlage vor. Deshalb habe ich Kontakt mit der Kommunalpolitik aufgenommen, wodurch im Laufe der Zeit ein Kontakt zu den Jusos entstand, die gerne genau wissen wollten, was wir Jugendliche im Stadtteil uns wünschen. Meine Idee fand Gehör und wurde letztlich in die Tat umgesetzt. So bin ich bei den Jusos aktiv geworden und wurde mit 14 Jahren deren bundesweit jüngster Vorsitzender.

LTO: Sie haben in Düsseldorf Jura studiert und danach das Rechtsreferendariat im OLG-Bezirk Düsseldorf angetreten. In welchem Stadium befanden Sie sich genau?

Özdemir: Ich habe im Frühjahr 2013 meine Examensklausuren geschrieben und hatte meine Wahlstation noch absolvieren können. Seitdem bin ich beurlaubt.

"Staatsexamen neben dem Mandat weder zeitlich noch körperlich zu stemmen"

LTO: Wollen Sie das Staatsexamen neben Ihrer Abgeordnetentätigkeit noch beenden?

Özdemir: Ich will das Examen lieber früher als später zu Ende bringen. Aber es gilt wohl als inkompatibel, dies neben der Mandatstätigkeit zu tun. Das wäre weder zeitlich noch körperlich zu stemmen. Deshalb klammere ich das Examen erst mal gedanklich aus und konzentriere mich nur auf die Politik!

LTO: In welchen Ausschüssen und für welche Themen wollen Sie sich denn engagieren?

Özdemir: Weil ich schon mehrere Jahre als Referent der SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Rechtspolitik gearbeitet habe, möchte ich mich auch in diesem Bereich engagieren. Konkret möchte ich mich gerne für ein Arbeitsgesetzbuch einsetzen. Denn wir müssen uns fragen, ob wir mit Normen, die zum Teil von 1900 stammen und völlig verstreut sind, noch den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarkts gerecht werden. Weiterhin möchte ich das Unternehmensstrafrecht vorantreiben. Außerdem fordere ich eine Aufsichtsreform bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin). Es kann doch nicht sein, dass wir mit Steuergeldern die Rettung von Banken bezahlen, ohne ausreichende demokratische Legitimation und Kontrolle als Leitbild.

LTO: Was von Ihren Zielen umgesetzt werden kann, hängt maßgeblich auch davon ab, zu welchen Bedingungen es eine große Koalition geben wird. Wie stehen Sie zu der Frage, ob die SPD eine große Koalition eingehen soll?

Özdemir: Die SPD ist für einen Politikwechsel angetreten und uns haben immerhin rund 27 Prozent gewählt, was eine gewisse Verantwortung mit sich bringt. Wir müssen deshalb mit spitzem Bleistift die Ergebnisse der laufenden Gespräche untersuchen, um dann inhaltlich abzuwägen. Wenn sich dann zeigt, dass wir nicht genug unserer Wahlziele umsetzen könnten, würde ich mich gegen eine große Koalition aussprechen.

LTO: Herr Özdemir, ich danke für das Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg für Ihre politische Arbeit!

Zitiervorschlag

Constantin Körner, Deutschlands jüngster Abgeordneter: . In: Legal Tribune Online, 02.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9940 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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