"Dickmann's Dicke Eier" vom Branchenriesen Storck bleiben in den Supermarktregalen. Das LG Düsseldorf entschied, dass die Schokoküsse in Ei-Form keine Designrechte einer Werbeagentur verletzen. Die hatte zwar die Idee, auch der Schutz der Schokoküsse als Geschmacksmuster half ihr aber nicht weiter. Jens Petry über Bauchentscheidungen und Richter, die sich selbst als informierte Benutzer sehen.
Designrechte (altmodisch: Geschmacksmuster) sind total angesagt, wenn es um den Schutz innovativer Ideen geht. Wie trügerisch dieser Schutz sein kann, zeigt das Verfahren um die ei-förmigen Schokoküsse "Dickmann's Dicke Eier".
Im Jahr 2008 kam ein Werbefachmann aus Münster auf die Idee, Schokoküsse in Eiform zu kreieren. Er meldete das Design als Geschmacksmuster beim Deutschen Patent- und Markenamt an und wandte sich dann an potentielle Geschäftspartner aus der Süßwarenindustrie, unter anderem an die Firma Storck ("Dickmann's"). Dort vertröstete man ihn nach eigenem Bekunden.
Vier Jahre später entdeckte er, dass "seine" Schokoküsse im Eierdesign unter der Marke "Dickmann's Dicke Eier" doch noch den Weg in den Handel gefunden hatten. Damit war der Weg zu Gericht unausweichlich.
Die Überraschung war indes groß, als das mit dem Fall befasste Landgericht Düsseldorf schon in der mündlichen Verhandlung durchblicken ließ, dass die nachgemachten Eier die Designrechte der Werbeagentur wohl nicht verletzen. Daran konnte auch eine ausgiebige Begutachtung der Süßigkeiten im Richterzimmer – natürlich ganz ohne zu naschen – nichts ändern. Vielmehr erkannte die Kammer nun ausreichende Unterschiede. Dem Werbefachmann gelang es nicht, das Gericht umzustimmen, das die Klage am Donnerstag abwies (LG Düsseldorf, Urt. v. 27.06.2013, Az 14c O 171/12).
Alles nur geklaut?
Die Frage bleibt: Wie konnte das passieren? Noch in der Verhandlung hatte sich der Designer empört, die Idee sei doch "von vorne bis hinten geklaut". Mit diesem Satz fangen die Probleme an. Eine bloße Idee ist nämlich nicht geschützt, sondern nur ihre konkrete Umsetzung.
Storck hatte das seinerzeit präsentierte Eierdesign nicht identisch übernommen, sondern sich einige Änderungen erlaubt. Die Eier waren etwas dicker und gedrungener als bei dem eingetragenen Muster. Anders als dieses zeigten sie eine Rille in Höhe der Waffel.
Über die Relevanz dieser Änderungen kann man streiten. Nach Ansicht der Werbeagentur sind sie natürlich marginal, kaum wahrnehmbar. Jedenfalls reichten sie nicht aus, um aus der Sicht des informierten Benutzers den angegriffenen Produkten einen abweichenden Gesamteindruck zu verleihen, so der klagende Erfinder. Das LG sah das anders: Die feststellbaren Unterschiede fielen durchaus ins Gewicht und führten die beanstandeten Produkte daher aus dem Schutzbereich des Geschmacksmusters heraus.
Letztlich aus dem Bauch heraus
Der Weg in die Berufung erscheint wahrscheinlich, der Werbefachmann will das von seinem Anwalt prüfen lassen. Der Ausgang dort ist offen. Zumindest hielt das LG die von ihm entwickelte Eiform für durchaus schutzwürdig. Die Kammer widersprach damit den Storck-Anwälten. Diese hatten argumentiert, das Ei-Design sei als natürliche Form gar nicht schützbar.
Den Schutzbereich des Münsteraner Designs hielt Richterin Ulrike Pastohr am Donnerstag hingegen für eher klein. Es gebe neben den traditionellen Schokoküssen auch schon "maulwurfshügelige und pilzförmige" Schokoküsse, argumentierte die Kammer.
Bei Licht betrachtet fallen die Entscheidungen in Designsachen letztlich aus dem Bauch heraus. Es gibt kaum kalkulierbare Parameter zur Beantwortung der Frage, ob die feststellbaren Ähnlichkeiten ausreichen oder die Unterschiede überwiegen. Auch dem Sachverständigenbeweis ist diese Frage nicht zugänglich. Die Richter entscheiden regelmäßig "aus eigener Sachkunde", sie sind "informierte Benutzer" für alle Branchen.
Die juristische Diskussion dreht sich um die Gewichtung ästhetischer Merkmale. Entscheidend sind originelle Merkmale, die es vorher noch nicht gab. Um festzustellen, ob ein Merkmal neu ist, muss der "vorbekannte Formenschatz" umfassend recherchiert werden.
Das ist ein buchstäblich endloses Feld. Wirklich alles zu recherchieren, lässt sich wirtschaftlich kaum realisieren. Einer der Pioniere im Designrecht sagte deswegen einmal: "Versuchen Sie nicht, alles zu finden. Stellen Sie nur sicher, dass Sie nichts übersehen, was Ihr Prozessgegner finden könnte." Die Praxis zeigt, dass das Designrecht einen großen Spielraum für juristische Argumente bietet. Das macht die anwaltliche Arbeit unglaublich spannend. Für den Mandanten ist es weniger wünschenswert. Den Rechtsstreit nämlich macht es schlecht vorhersehbar.
Lieber zu viel anmelden
Jeden Entwickler neuer Designs interessiert deswegen besonders die Frage, wie diese Unwägbarkeiten zu vermeiden sind.
Idealerweise sieht der Rechteinhaber die nahe liegenden Umgehungsmöglichkeiten des Musters bereits im Zeitpunkt der Anmeldung vorher. Es empfiehlt sich, diese gestalterischen Varianten auch als Geschmacksmuster anzumelden. Dazu kann man auf sogenannte "Sammelanmeldungen" zurückgreifen, die aus mehreren eigenständigen Mustern bestehen. Die Kosten dafür sind überschaubar, rechtlich spricht nichts gegen die Eintragung solcher "Sperrmuster". Diese Praxis hat im Patentrecht eine langjährige Tradition. Einen Benutzungszwang für Geschmacksmuster gibt es nicht.
Man kann nur erahnen, wie sehr sich die Werbeagentur nun wünscht, sie hätte die Variante der etwas dickeren Eier mit einer Rille in Höhe der Waffel ebenfalls als Geschmacksmuster angemeldet. An sich war sie auf dem richtigen Weg. Immerhin meldete sie ihr Design mehrfach in unterschiedlichen Farben an.
Der Autor Jens Petry ist Rechtsanwalt bei FPS Rechtsanwälte & Notare in Frankfurt am Main. Sein Schwerpunkt liegt im gewerblichen Rechtsschutz und im Designrecht.
Mit Materialien von dpa.
Schokoküsse vor dem LG Düsseldorf: . In: Legal Tribune Online, 28.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9037 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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