Interview zur taz-Anleitung, um Abschiebungen zu verhindern: "Für strafrechtliche Ermittlungen nicht konkret genug"
Mit einer "Anleitung zum Ungehorsam" erklärt die taz, "wie ziviler Ungehorsam gegen Abschiebungen funktioniert". Diesen Aufruf, geltendes Recht zu brechen, hält Jannik Rienhoff nicht für strafbar. Und verweist gar auf Gustav Radbruch.
Von: Mark Stöhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht
Es ist schon eine Weile her, dass ich den Aufsatz von Gustav Radbruch gelesen habe, in dem er rechtfertigt, unter bestimmten Voraussetzungen müsste geltendes Recht nicht beachtet werden, bestünde eventuell sogar die Verpflichtung, Recht nicht zu beachten. Ich meine, es handelt sich um ein Nachwort zu einer Nachkriegsauflage seiner Rechtsphilosophie. Er hat dies unter dem Eindruck der Perversion des Rechts durch die Nationalsozialisten geschrieben. Parallelen zu unserer heutigen Rechtslage zu ziehen halte ich für sehr problematisch!
Herrn Radbruch, der in der Weimarer Zeit für die SPD im Reichstag saß und Justizminister war, als "konservativen Rechtstheoretiker" zu bezeichnen, wird weder Herrn Radbruch noch der SPD gerecht!
Von: Thomas Dancker, Richter am Amtsgericht
Dass Herr Dr. Rienhoff den Sozialdemokraten, Antifaschisten und engagierten Strafrechtsreformer Gustav Radbruch als "konservativen Rechtstheoretiker" bezeichnet, ist schon ein starkes Stück. Radbruch hat 1913 an der Beisetzung von August Bebel in Zürich teilgenommen, ist 1918, als das für Beamte möglich wurde, sofort der SPD beigetreten, hat sich 1920 in Kiel aktiv den Kapp-Putschisten entgegengestellt, was ihn fast das Leben gekostet hätte, hat als Juraprofessor in Heidelberg zur Solidarität mit der Arbeiterbewegung aufgerufen, hat sich stets zur Weimarer Verfassung bekannt und wurde 1933 als erster deutscher Universitätsprofessor von den Nazis wegen politischer Unzuverlässigkeit entlassen. Vor allem aber hat er mit seiner 1932 erschienenen Rechtsphilosophie ein engagiertes Bekenntnis zu Demokratie und Humanität abgelegt. Radbruch hat eine bessere Würdigung verdient als die zumindest irreführende Bezeichnung als "Konservativer".
Von: Richard Heinrichs, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Ich mag Eure Beiträge und finde sie immer sehr neutral und professionell. Diesmal finde ich aber, Ihr hättet ausnahmsweise "den Kopf zumachen" sollen, anstatt mit diesem Artikel und der zusätzlich provokativen Überschrift (eine klare Antwort gibt der Artikel ja nicht) den von Euch selber beklagten Hass in der öffentlichen Diskussion anzuheizen. Ich glaube, wir haben zur Zeit genug Medien, die mit unklarer Faktenlage propagieren und damit Rechtspopulisten in die Hände spielen.
Leserbriefe an LTO: . In: Legal Tribune Online, 04.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30155 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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