Nach der Verwicklung in eine Schlägerei haben sich Kevin Großkreutz und der VfB Stuttgart einvernehmlich getrennt. Rouven Schwab zur dennoch aufgeworfenen Frage, wann außerdienstliches Verhalten eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.
Laut Pressemitteilung des Zweitligisten VfB Stuttgart hat sich der Verein von seinem Lizenzspieler Kevin Großkreutz einvernehmlich getrennt. Danach hat die Verwicklung des Profifußballers in eine Schlägerei während seiner privaten Freizeit zu der Entscheidung geführt. In der öffentlichen Berichterstattung heißt es zudem, Großkreutz habe zuvor zusammen mit Jugendspielern des VfB Stuttgart ein Bordell besucht.
Der Fall wirft erneut die Frage auf, ob ein Arbeitgeber das außerdienstliche Verhalten seines Mitarbeiters mit einer außerordentlichen Kündigung sanktionieren darf. Der mit dem VfB Stuttgart abgeschlossene Lizenzspielervertrag dürfte ein ordentliches Kündigungsrecht nicht beinhalten, da er auf Zeit abgeschlossen ist. Ausgehend von dieser Prämisse wäre nur eine außerordentliche, verhaltensbedingte Kündigung für den Verein in Betracht gekommen, um sich von Großkreutz einseitig zu trennen.
Grundsätzlich gilt, dass das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten nicht berührt. Das führt dazu, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, ein "ordentliches und gesittetes" Leben zu führen. Obwohl der Arbeitgeber nicht Sittenwächter des Arbeitnehmers ist, erlaubt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ausnahmsweise Kündigungen für außerdienstliches Verhalten, wenn dadurch das Arbeitsverhältnis beeinträchtigt wird.
Kündigung nach außerdienstlichem Verhalten
Zunächst dürfte man dabei an Tendenzbetriebe im Sinne des § 118 Betriebsverfassungsgesetz denken. Gerade im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einem solchen Betrieb besteht für den Arbeitnehmer die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, sich so zu verhalten, dass das unternehmerische Tun des Arbeitgebers nicht übermäßig beeinträchtigt wird. Allen voran haben die Kirchen von Verfassungs wegen einen erheblichen Freiraum darüber zu bestimmen, in welchem Maße ihre Arbeitnehmer sich an die kirchliche Glaubens- beziehungsweise Sittenlehre halten müssen.
Aber auch außerhalb von Tendenzbetrieben wird angenommen, dass außerdienstliches Verhalten dann kündigungsrelevant ist, wenn es sich innerbetrieblich auswirkt. Das ist beispielsweise bei Begehung von Straftaten (Alkoholkonsum eines Piloten vor Flug) oder Rufschädigungen des Arbeitgebers (unternehmensschädliche Äußerungen zu internen Vorgängen) der Fall. Bei leitenden Angestellten kommt eine verhaltensbedingte Kündigung schon dann in Betracht, wenn durch ihr außerdienstliches Verhalten das Ansehen des Arbeitgebers schwer beeinträchtigt wird.
Im Fall Großkreutz kann dahinstehen, ob er nun tatsächlich eine Straftat begangen hat, etwa durch den angeblichen Bordellbesuch mit minderjährigen Nachwuchsfußballspielern des VfB Stuttgart. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist allein entscheidend, ob der Verstoß gegen Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis so schwerwiegend ist, dass dem Verein bei Berücksichtigung der Gesamtumstände ein Festhalten am Vertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Image des VfB Stuttgart leidet
Als ehemaliger Nationalspieler und Profi des Zweitligisten steht Großkreutz im Fokus der Öffentlichkeit. Er ist aufgrund des nebenvertraglichen Rücksichtnahmegebotes gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet, sich auch außerdienstlich so zu verhalten, dass das Ansehen seines Vereins in der Öffentlichkeit nicht beeinträchtigt wird. Durch die Presseberichterstattung erscheint der VfB in der öffentlichen Wahrnehmung als Unternehmen, das sich in ihrer Freizeit prügelnde (egal, ob verschuldet oder nicht) und noch dazu mit minderjährigen Nachwuchsspielern Bordell besuchende Fußballprofis beschäftigt.
Dies muss ein Arbeitgeber sicher nicht hinnehmen. Die in der Pressemitteilung bemühte Vorbildfunktion für den Verein und dessen Nachwuchsspieler taugt aber nicht, um ernsthaft eine außerordentliche, verhaltensbedingte Kündigung in Betracht zu ziehen. Eine vertragliche (Neben-)Pflicht eines Profifußballspielers, sich vorbildlich zu verhalten, besteht nämlich gerade nicht.
Vertragsauflösung als Kompromiss
Man weiß nicht, ob sich Großkreutz wie zu seinen Dortmunder Zeiten weitere Eskapaden wie das Urinieren in eine Hotellobby oder den Wurf mit einem Döner auf eine andere Person auch beim VfB Stuttgart geleistet hat. Basierend auf den vorliegenden Informationen darf man aber schon daran zweifeln, ob eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre.
Sicher war das Verhalten des Profifußballers indiskutabel, das Image des Vereins leidet zweifellos. Aber stellt sein Verhalten eine derart schwere Pflichtverletzung dar, der man als letztes Mittel nur mit einer außerordentlichen Kündigung begegnen kann? Dies ist sicher ein Grenzfall mit der Tendenz dahingehend, dass eine außerordentliche Kündigung einer gerichtlichen Prüfung wohl nicht standgehalten hätte.
In Anbetracht dessen, dass der Lizenzspielervertrag wohl kein ordentliches Kündigungsrecht vorsah, wird der VfB Stuttgart Großkreutz eröffnet haben, dass er nicht mehr für den Verein Fußball spielen wird, und ihm eine Abfindung zur Vertragsauflösung angeboten haben. Mit der Vertragsauflösung hat sich Großkreutz – sicher anwaltlich gut beraten – am Ende geschickt aus der Affäre gezogen.
Der Autor Dr. Rouven Schwab ist Rechtsanwalt und Partner bei Squire Patton Boggs in Frankfurt. Er berät nationale und internationale Mandanten vornehmlich im Wirtschafts- und Arbeitsrecht.
Kündigung wegen außerdienstlichen Verhaltens: . In: Legal Tribune Online, 07.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22290 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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