Ex-Bundeswehr-Kampfpiloten bilden nach Berichten des ZDF und des SPIEGEL Chinas Luftwaffe aus. Drohen den ehemaligen Soldaten Konsequenzen oder muss Deutschland gesetzlich nachrüsten? Patrick Heinemann mit Einschätzungen.
Einer gemeinsamen Recherche von ZDF frontal und Spiegel zufolge trainieren einige ehemalige Bundeswehr-Kampfpiloten schon seit Jahren die chinesischen Luftstreitkräfte. Das ist mit Blick auf die zunehmend offenen Drohungen Pekings gegenüber Taiwan von besonderer Brisanz. Auch besteht die Befürchtung, dass die Ex-Piloten NATO-Einsatzgrundsätze, die der Geheimhaltung unterliegen, an die Luftwaffe des Pekinger Regimes weitervermitteln.
Kein direktes Verbot
Ein ausdrückliches Verbot für Ex-Kampfpiloten der Bundeswehr, gegnerische Streitkräfte auszubilden, gibt es bislang nicht. Die ehemaligen Offiziere – es sind nach bisherigem Kenntnisstand nur Männer – unterliegen aber auch nach Ausscheiden aus dem Wehrdienst einem eingeschränkten soldatischen Pflichtenkatalog. Solange sie wieder einberufen werden können (etwa im Verteidigungsfall), müssen sie auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die für ihre Wiederverwendung in ihrem Dienstgrad erforderlich sind. Die Treuepflicht (§ 7 Alt. 1 Soldatengesetz (SG)) dagegen kennt keine Altersgrenze; ein nachdienstlicher Verstoß gegen sie wird jedoch nur unter sehr hohen Voraussetzungen anzunehmen sein. Zudem haben Offiziere auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Wehrdienst über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer dienstlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren (§ 14 Abs. 1 SG). Das betrifft auch bestimmte Ausbildungsinhalte wie taktische Verfahren, Einsatzgrundsätze usw., die nicht offenkundig sind.
Ruhegehalt-Streichung denkbar
Liegt ein schuldhafter Verstoß gegen diese Pflichten und somit ein Dienstvergehen vor (§ 23 Abs. 1 SG), kommen bei Ex-Offizieren als Disziplinarmaßnahmen die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 65 Wehrdisziplinarordnung (WDO)) oder des Dienstgrads (§ 66 WDO) in Betracht. Dabei führt die Aberkennung des Ruhegehalts zugleich zur Aberkennung des Dienstgrads (§ 65 Abs. 1 Satz 3 WDO). Beide Maßnahmen setzen voraus, dass die Entfernung aus dem Dienstverhältnis gerechtfertigt wäre, falls sich der Offizier im Ruhestand noch im Dienst befände. Die Aberkennung des Ruhegehalts wird man dort erwägen, wo überhaupt Ruhegehalt gezahlt wird, also bei früheren Berufsoffizieren. Das dürfte für die meisten der in China tätigen Ex-Kampfpiloten gelten, da diese wegen der besonderen körperlichen Anforderungen ihrer Laufbahn bereits mit Vollendung des 41. Lebensjahres unter Bezug von Ruhegehalt ausscheiden können (§§ 44 Abs. 2 Satz 1, 45 Abs. 2 Nr. 6 SG).
Bei Aberkennung des Ruhegehalts werden die betroffenen Soldaten lediglich in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Die Ruhegehaltsaberkennung führt also in der Regel zu sehr empfindlichen Vermögenseinbußen. Gerade das ist aber mit Blick auf die in der Volksrepublik tätigen ehemaligen Luftwaffenpiloten fraglich: Als das britische Verteidigungsministerium im Herbst 2022 entsprechende Fälle publik machte, war von einem Sold von um die 280.000,00 Euro die Rede. Das dürfte zwar bei einer bloß einmaligen Tätigkeit nicht für eine vollständige Altersversorgung reichen, bei mehreren Ausbildungseinsätzen für die chinesischen Streitkräfte könnte die Rechnung allerdings schon ganz anders aussehen.
Disziplinares Vorgehen gegen ehemalige Offiziere aufwendig
Die Aberkennung des Dienstgrads ist dagegen die geeignete Maßnahme für ehemalige Zeitoffiziere, soweit sie keine Dienstzeitversorgung, Altersgeld oder übergangsweise Berufsförderung, erhalten, die ihnen nach §§ 1 Abs. 3, 65 WDO aberkannt werden können. Allerdings ist die Sanktionswirkung hier natürlich recht gering. Wer für eine fremde Streitkraft tätig ist, wird sich über die Aberkennung des Dienstgrades vermutlich wenig aufregen.
Sowohl die Ruhegehalt- als auch Dienstgradaberkennung setzen aktuell ein truppendienstgerichtliches Verfahren voraus, was recht (zeit-)aufwändig ist. Das für Bundesbeamte geltende Bundesdisziplinargesetz (BDG) soll nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung entsprechend dem baden-württembergischem Landesdisziplinargesetz dahingehend reformiert werden, dass die Disziplinarklagen entfallen und sämtliche Disziplinarmaßnahmen per Verfügung verhängt werden können. Der Rechtsschutz wird dann durch die Möglichkeit der Klage gegen die jeweilige Maßnahme gewährt. Man wird sehen müssen, ob dieses Modell auch für die WDO übernommen werden wird.
Verletzung des Dienstgeheimnisses, Landesverrat?
Strafrechtlich wiederum kommt für die fraglichen Ex-Luftwaffenoffiziere eine Verfolgung wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) in Betracht, was mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Die Tat kann auch nach Ausscheiden aus dem Dienst begangen werden, da maßgeblich allein ist, dass das Geheimnis zum Zeitpunkt des Bestehens der Wehrdienstverhältnisses anvertraut oder sonst bekannt wurde. Zumindest zu prüfen wäre darüber hinaus, ob sich die fraglichen Offiziere des Landesverrats (§ 94 StGB) verdächtig gemacht haben, wobei hier die Probleme vor allem darin liegen dürften, inwieweit es sich bei den mitgeteilten Informationen um Staatsgeheimnisse (§ 93 StGB) handelte und ob deren Mitteilung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführte.
Reformüberlegungen
Inwieweit eine disziplinar- oder strafrechtliche Ahndung wirklich in Frage kommt, lässt sich zum gegenwärtigen Stadium nicht sinnvoll beantworten, zumal die Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Bundesamtes für den Verfassungsschutz in Kooperation mit internationalen Partnern dem ZDF-Bericht zufolge derzeit noch laufen. Allerdings scheint der Gesetzgeber nun Handlungsbedarf erkannt zu haben, nachdem bereits im Jahr 2008 (teils ehemalige) Polizeibeamte unter anderem von Sondereinsatzkommandos und der GSG 9 mit Ausbildungstätigkeiten in Libyen aufgefallen waren. Zwar wird man für die jetzt bekannt gewordenen Fälle wegen des Rückwirkungsverbots nicht nachträglich disziplinar- oder strafrechtliche Sanktionen schaffen und anwenden können. Für die Zukunft sieht das freilich anders aus. Unabhängig von irgendwelchen repressiven Konsequenzen liegt die eigentliche Regelungslücke aber darin, dass Ausbildungstätigkeiten für fremde Streitkräfte nach derzeitiger Rechtslage für sich genommen unproblematisch sind, solange sie nicht zugleich einen Verstoß gegen nachdienstliche Pflichten oder gegen das Strafrecht darstellen.
"Wer diesem Staat dient, darf ihn nicht bekämpfen"
Die Erwerbstätigkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes nach Ausscheiden aus dem jeweiligen Dienstverhältnis strenger zu regeln, schlug bereits Mitte Mai das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags im Kontext der aktuellen Reform des Bundesbeamtenrechts vor (LTO berichtete). Christoph de Vries (CDU) sagte hierzu, die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ausgerufene "Zeitenwende" bedeute auch, "dass wir mehr Acht auf die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland geben müssen." Dazu gehöre, dass sicherheitsrelevante Informationen, die Beschäftigte von Sicherheitsbehörden in ihrer aktiven Dienstzeit erlangt haben, "nicht in die falschen Hände geraten und von autokratischen Systemrivalen gegen Deutschland und andere demokratische Staaten verwendet werden können". Hierfür brauche es strengere Regelungen.
Für Beamte im Ruhestand mit "vertieften sicherheitsrelevanten Kenntnissen" schlägt das Gremium vor, dem Dienstherrn die Möglichkeit einzuräumen, bestimmte Tätigkeiten auch dann zu untersagen, wenn er auf einem anderen Weg als durch eine Anzeige des Beamten davon erfährt, die Tätigkeit aber evident dienstliche Interessen beeinträchtigt.
Sollte diese Anregung für Beamte Gesetz werden, spricht vieles dafür, diese Regelungen auch für das Wehrrecht zu übernehmen. Mit Blick auf die lukrativen Vergütungen, die China deutschen Militärausbildern in Aussicht stellt, sollte zudem eine Fortentwicklung des disziplinarrechtlichen Sanktionsregimes erwogen werden. Denn anders als das Strafrecht (§§ 73 ff. StGB) und das Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 17 Abs. 4 OWiG) kennt das Disziplinarrecht bislang keine Möglichkeit, die aus einem Dienstvergehen erlangten wirtschaftlichen Vorteile abzuschöpfen. Eine entsprechende Regelung könnte sicherstellen, dass sich derart gravierende Verstöße gegen die nachdienstliche Treue- und Verschwiegenheitspflicht auch wirtschaftlich nicht mehr rechnen.
Dr. Patrick Heinemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner bei Bender Harrer Krevet, Freiburg.
Ex-Bundeswehr-Piloten schulen Chinas Streitkräfte: . In: Legal Tribune Online, 05.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51916 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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