AG Hamburg zu Geheimnisverrat: Anwalt darf unge­schwärztes Gut­achten an Experten wei­ter­geben

19.09.2024

Beauftragt ein Strafverteidiger einen externen Sachverständigen, so darf dieser Einsicht in unzensierte Gutachten haben. Eine Strafbarkeit wegen Geheimnisverrats scheidet in einem solchen Fall aus, entschied das AG Hamburg.

Man lernt schon früh, dass es wichtig ist, Geheimnisse für sich zu behalten. Gerade Anwälte müssen sich an diese Regel halten, denn das Weitergeben vertraulicher Informationen kann in deren Fall sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dass aber auch ein Anwalt mal ein Geheimnis ausplaudern darf, hat das Amtsgericht (AG) Hamburg klargestellt und die Strafbarkeit eines Anwalts abgelehnt, der ein ungeschwärztes gerichtliches Gutachten an einen externen Sachverständigen weitergegeben hatte (Urt. v. 22.02.2024, Az. 242 Ds 120/23 3320 Js 120/22).

Nachdem die Staatsanwaltschaft eine Psychologin beauftragte, um im Rahmen eines Missbrauchsvorwurfs die Aussagen eines Kindes zu prüfen, hegte der Verteidiger des Angeklagten Zweifel an deren Gutachten. Er entschied sich, das ungeschwärzte Dokument einem externen Experten zur unabhängigen Prüfung vorzulegen – mit Zustimmung seines Mandanten, aber ohne die Zustimmung der anderen Beteiligten. Gutachten von Anwälten werden in der Regel geschwärzt, um vertrauliche oder sensible Informationen zu schützen. Als der Verteidiger die Bewertungen des externen Sachverständigen der Staatsanwaltschaft weiterleitete, wurde er allerdings wegen Geheimnisverrats nach §203 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) angeklagt. Das AG sprach ihn von diesem Vorwurf nun aber frei.

Sachverständiger ist des Anwalts rechte Hand

Das AG stellte klar, dass es auch Berufsgeheimnisträgern wie Anwälten grundsätzlich möglich sein müsse, externen Sachverstand einzubeziehen, ohne sich strafbar zu machen. Da der externe Sachverständige als berufsmäßiger Gehilfe des Strafverteidigers nach § 203 Abs. 3 S. 1 StGB gelte, durfte der Verteidiger ihm daher auch das ungeschwärzte Gutachten zukommen lassen, bestätigte das Gericht. 

Der Hamburger Richter berief sich außerdem auf § 43a Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), wonach Personen, die einem Anwalt bei seiner Arbeit helfen, ebenfalls als Berufsgeheimnisträger gelten. Ihnen dürfen also vertrauliche Informationen mitgeteilt werden.

Die Entscheidung des AG Hamburg ist nicht rechtskräftig.

xp/ls/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

AG Hamburg zu Geheimnisverrat: . In: Legal Tribune Online, 19.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55455 (abgerufen am: 27.09.2024 )

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