Vom Lehrstuhl in den Bundestag: "Abgeordnete mit Sachverstand sind gut für dieses Land"

Interview mit Prof. Dr. Heribert Hirte, LL.M. (Berkeley)

02.10.2013

2/2: "Öffentliche Treuhänder sollen für Steuerverschwendung haften"

LTO: Sie wollen außerdem die Verschwendung von Steuermitteln unter Strafe stellen. Wie soll das funktionieren?

Hirte: Das ist natürlich eine plakative Forderung, die mit dem Vorhaben der SPD zusammenhängt, Steuerhinterziehung stärker zu bestrafen. Vielen fällt es schwer, mit Begeisterung Steuern zu zahlen, wenn sie sehen, wofür diese Steuern ausgegeben werden.

Mein Vorbild sind die Straftatbestände für die Vorstände systemrelevanter Banken, die in den letzten Monaten eingeführt worden sind. Danach macht sich strafbar, wer vorsätzlich oder fahrlässig die Bestandsgefährdung eines Kreditinstituts herbeiführt (§ 54a Kreditwesengesetz n.F.). Solche Haftungstatbestände sollten wir auf öffentliche Treuhänder übertragen. Aber es wird mit Sicherheit schwierig sein, diese Idee nach vorne zu bringen.

LTO: Haben Sie schon Mitstreiter?

Hirte: Es gibt Gespräche. Aber ich habe mir die Freiheit erlaubt, erst einmal meine eigenen Überlegungen voranzutreiben. Meine Programmpunkte zeichnen sich durch eine gewisse Individualität aus. Manches finden Sie so nirgendwo, anderes steht im Parteiprogramm der CDU sogar genau andersherum.

LTO: Ein Punkt, bei dem Sie nicht auf Parteilinie liegen, ist die Finanztransaktionssteuer. Im Gegensatz  zu Ihrer Partei lehnen Sie diese ab. Warum?

Hirte: Schauen Sie zum Beispiel nach Frankreich und Italien, die bereits eine Finanztransaktionssteuer eingeführt haben. Dort kann man beobachten, dass sich das Geschäftsvolumen an den Börsen halbiert hat und nach Frankfurt und London abgewandert ist. Sogar die SPD-Finanzminister in Deutschland stellen sich daher bereits die Frage, ob die Finanztransaktionssteuer wirklich richtig ist.

"Vielleicht sollte man als geschäftsführende Regierung die Sache aussitzen"

LTO: Sie wenden sich entschieden gegen Steuererhöhungen. Was, wenn die Koalitionsverhandlungen mit der SPD zu einem anderen Ergebnis führen?

Hirte: Wir halten an dieser Kernforderung unseres Programms fest. Trotzdem brauchen wir eine Regierung und die CDU hat nun mal leider keine absolute Mehrheit bekommen. Durch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat haben wir sie erst recht nicht. Es wird also Kompromisse geben müssen.

Vielleicht wäre es geschickter, zunächst als geschäftsführende Regierung die Sache "auszusitzen". Ich bin mir da nicht sicher, aber eine Überlegung wäre es wert. Irgendwann tut es der anderen Seite nämlich auch weh, wenn sie die erhofften "Posten" nicht bekommt.

Vielleicht würden sich die Grünen beim Thema Steuern sogar eher auf die CDU zubewegen als die SPD, wenn wir ihnen dafür bei anderen Fragen, zum Beispiel in der Gleichstellungspolitik, entgegenkommen. Denn der SPD dient – anders als den Grünen – der Vorschlag von Steuererhöhungen ja nicht nur der Erzielung von Mehreinnahmen, sondern auch dazu, den Neidkomplex zu bedienen.

"Ich würde gerne im Rechts- oder Finanzausschuss mitarbeiten"

LTO: Im Moment wird auch ausgehandelt, wer in welchen Ausschuss geht. Wie läuft diese Verteilung überhaupt ab?

Hirte: Man kann einen Wunschzettel abgeben. Dann gleicht die "Teppichhändlerrunde" der Union – das sind die Vorsitzenden der Landesgruppen –die Wünsche ab. Die Verteilung läuft dabei auch nach Gesichtspunkten der Anciennität und des Föderalismus.

LTO: Was steht auf Ihrem Wunschzettel?

Hirte: Recht und Finanzen. Beide Wünsche sind gleichwertig. Bei meinen Themen macht das keinen Unterschied.

LTO: Juristen gibt es viele im Bundestag, ein Juraprofessor ist aber doch etwas Außergewöhnliches. Welche Erfahrungen und Kenntnisse können Sie aus Ihrer Tätigkeit an der Uni und der Forschung mit in den Bundestag bringen?

Hirte: Natürlich meine Sachkenntnis. Außerdem ist man es als Professor gewohnt, Dinge zu erklären und dabei zu vereinfachen. Das muss man als Abgeordneter auch tun. Nur eben nicht gegenüber Studenten, sondern gegenüber Bürgern und Parteimitgliedern.

LTO: Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, sich als Direktkandidat zu bewerben?

Hirte: Das war ein längerer Prozess. In den 70ern und 80er habe ich mich bereits in der Kommunalpolitik engagiert. Ausschlaggebend für meine jetzige Kandidatur war, dass ich nach Sitzungen im Rechtsausschuss, bei denen ich als Sachverständiger gehört wurde, gedacht habe: Eigentlich kannst du das genauso gut. Ich denke, es ist gut für dieses Land, wenn im Bundestag Leute mit Sachverstand sitzen, damit das Parlament nicht ständig über den Tisch gezogen wird.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Prof. Dr. Heribert Hirte, LL.M. (Berkeley) ist Direktor des Seminars für Handels‑, Schifffahrts- und Wirtschaftsrecht der Universität Hamburg. Privat wohnt er in Köln-Sürth. Bei der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag gewann er im Wahlkreis Köln II (Stadtbezirke Rodenkirchen und Lindenthal sowie südliche Teile der Innenstadt) das Direktmandat für die CDU.

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Vom Lehrstuhl in den Bundestag: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9727 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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