Internationaler Tag gegen Rassismus: Barley: "Keine Tole­ranz gegen­über der Into­le­ranz"

von Hasso Suliak

21.03.2018

In Deutschland befinden sich seit der Flüchtlingskrise die rechtsradikal motivierten Straftaten auf hohem Niveau. Doch auch fern ab der Kriminalität: Rassismus ist gesellschaftlich salonfähig geworden.

Rassismus ist in Deutschland tief verankert: Experten konstatieren einen ausgeprägten Alltagsrassismus, der in vielen Situationen und Handlungsmustern zum Vorschein kommt. "Rassistische und antisemitische Hetze im öffentlichen Raum, im Internet und in den sozialen Medien ebenso wie rassistische Gewalttaten haben massiv zugenommen", analysiert das Institut für Menschenrechte anlässlich des 51. Internationalen Tages gegen Rassismus am 21.März.

Die frisch gekürte Bundesjustizministerin, Katarina Barley, kündigt gegenüber LTO nunmehr klare Kante bei der Bekämpfung von Rassismus an:

"Wer gegen Menschen hetzt, die anders aussehen und anders glauben als sie selbst, spaltet unsere Gesellschaft. Das lassen wir nicht zu." Hass und Rassismus hätten in unserer Gesellschaft "keinen Millimeter Platz". Es gebe keine Toleranz gegenüber Intoleranz, so die Ministerin. Die Ministerin appelliert, sich beim Thema Rassismus auch nicht wegzuducken. "Wir müssen überall dort hingehen, wo Menschen sind, die sich von Lügen, Ressentiments und Hass anstecken lassen könnten – auch dann, wenn es nicht leicht ist, ins Gespräch zu kommen." Die Ministerin warnte zudem davor, darauf zu warten, "bis sich Menschen radikalisiert haben".

Allerdings: Obwohl die Bundesregierung 2017 über 100 Millionen Euro ausgegeben hat, um durch Initiativen Vielfalt, Toleranz und Demokratie zu stärken, befinden sich die Anzahl der rechtsradikal motivierten Straftaten in den einzelnen Bundesländern weiterhin auf hohem Niveau – in Ost wie in West: 2.219 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte gab es im vergangenen Jahr bundesweit. In NRW wurden 2017 im Schnitt zehn rechtsradikal motivierte Straftaten pro Tag - knapp 3.800 im Jahr - verübt. In Sachsen gab es 2017 nach Angaben des Innenministeriums über 2.100 rechtsmotivierte Straftaten.

BMJV: Strafrechtsänderung in der Praxis gut aufgenommen

Auch wenn im Vergleich zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 die rechtsextremen Angriffe offenbar wieder leicht zurückgehen, besteht kein Grund zur Entwarnung: Das Institut für Menschenrechte befürchtet, dass in Deutschland weiter "wie in anderen europäischen Staaten auch menschenverachtende und rassistische Positionen für eine geschlossene und homogene Gesellschaft Zulauf gewinnen". Damit würden "die Menschenrechte als gleiche Rechte aller Menschen grundsätzlich infrage gestellt", meint Hendrik Cremer, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts.

Vertreter der Bundestagsfraktion Die Linke, die immer wieder hartnäckig bei Bund und Ländern neueste Zahlen und Daten zu rechtsextremistisch und rassistisch motivierten Straftaten abfragen, zeigten sich für die Zukunft wenig zuversichtlich: "Mit dem neuen Bundesinnenminister Horst Seehofer ist leider keine Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas zu erwarten", meint etwa die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke. Gegenüber LTO befürchtet die Bundestagsabgeordnete eher eine Verschlechterung: "Seehofers jüngste Äußerungen zum Islam und zur Ausweitung von Grenzkontrollen deuten vielmehr darauf hin, dass die Große Koalition dem Druck der AfD nachgibt und ihre flüchtlingsfeindliche Politik verschärft", so Jelpke.

Als Reaktion auf die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschuss hatte die Große Koalition im Jahr 2015 auch das Strafrecht geändert. Im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs (StGB) wird seitdem mittelbar auf "Hass" als gruppengerichtete Tatmotivation abgestellt. Als im Rahmen der Strafzumessung relevant werden seitdem auch rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe des Täters explizit benannt (§ 46 Abs. 2 S.2 StGB). Mit der Gesetzesänderung sollte "Hass- und Vorurteilskriminalität" bekämpft werden. Der Pressesprecher des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Maximilian Kall, sagte dazu gegenüber LTO, dass die Neuregelung "in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte gut aufgenommen worden" sei.

Polizeigewerkschaft besorgt

Rassismus als innere Haltung ist im deutschen Recht nicht strafbar. Als Tatstrafrecht knüpft das StGB die Strafbarkeit an äußere Handlungen oder Äußerungen und nicht allein an Meinungen oder Überzeugungen. Allerdings existieren eine Reihe von Tatbeständen, die typischerweise auch durch rassistisch motivierte Äußerungen verwirklicht werden können, wie z.B Volksverhetzung, aber auch Beleidigung, Nötigung oder Bedrohung.

Laut Menschenrechtsexperten greift Rassismus in Deutschland auch im Jahr 2018 noch tief in das Leben von Menschen ein: "Die Betroffenen erleben etwa in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche oder durch Behörden Diskriminierung, sie sind im öffentlichen Raum verächtlichen Bemerkungen bis hin zu körperlichen Angriffen ausgesetzt", sagt Cremer.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist besorgt: "Wir beobachten über Äußerungen, durchaus auch aus dem politischen Raum, eine Instrumentalisierung von Vorurteilen gegenüber dem Fremden." Es müsse darauf geachtet werden, dass es hierzulande nicht zu einem Klima zunehmenden Rassismus komme, so der Bundesvorsitzende der GdP, Oliver Malchow, zu LTO. Strafverschärfungen stünden bei der Bekämpfung von Rassismus "momentan nicht auf der Tagesordnung". Notwendig sei es vielmehr, die Polizei und Justiz "spürbar" – auch personell – zu stärken.

"Kein Racial Profiling in Deutschland"

Eine UN-Arbeitsgruppe, die die Situation afrikanisch stämmiger Menschen in Deutschland im Jahr 2017 untersuchte, wirft der Bundesrepublik unterdessen strukturellen Rassismus gegen Schwarze vor. Trotz Deutschlands Förderung von Multikulturalismus und Diversität zeigten sich die UN-Experten tief besorgt: "Während Menschen afrikanischer Abstammung eine vielfältige Gruppe sind, kennzeichnen Rassismus, negative Stereotypisierung und struktureller Rassismus ihren Alltag", heißt es in dem Bericht.

Schwarze in Deutschland würden zu Zielen und seien Opfer von rassistischer Gewalt und Hasskriminalität. Sie müssten um ihre Sicherheit fürchten und gewisse Orte meiden, weil sie glaubten, dort angegriffen zu werden. Sie seien rassischer Diskriminierung seitens ihrer Schulkameraden, Lehrer und Arbeitskollegen ausgesetzt sowie strukturellem Rassismus durch die Regierung und das Justizsystem.

Negative Stereotypen über Schwarze dominieren dem Bericht zufolge die deutschen Medien und es gebe rassische Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Beklagt wird seitens der UN-Experten auch ein gegenüber Schwarzen gerichtetes Racial Profiling durch die Polizei -  also die polizeiliche Kontrolle nur aufgrund ihrer Hautfarbe - sowie ungenügender Schutz gegen rassistische Gewalt. Diesen Vorwurf weist die Polizeigewerkschaft GdP allerdings scharf zurück: "Die Polizei in Deutschland ist nicht rassistisch. Unterstellungen eines institutionellen Rassismus seien falsch und würden die Kollegen beleidigen. Auch ein Racial Profiling gebe es bei der Polizei nicht. Kontrollen und Ermittlungen würden sich "in erster Linie aus Lagebildern begründen", so Malchow.

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, Internationaler Tag gegen Rassismus: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27657 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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