Ein Gesetzentwurf für das Land Berlin will mehr Chancengleichheit für Personen mit Migrationshintergrund. Statt einer Quote definiert er Anforderungen an Bewerber auf Positionen im öffentlichen Dienst - die viele Deutsche nicht erfüllen können. Christian Oberwetter über positive Ungleichbehandlung und viel Arbeit für Arbeitsrechtler.
Der Berliner Senat bereitet ein Integrations- und Partizipationsgesetz für das Land Berlin vor. Der Gesetzentwurf soll für mehr Chancengleichheit von Personen mit Migrationshintergrund sorgen. Der öffentliche Dienst und die landeseigenen Unternehmen sollen Migranten bevorzugt einstellen.
Das soll allerdings nicht per Quote erfolgen, vielmehr soll der Einstieg dadurch erleichtert werden, dass für Jobs bei der Feuerwehr, der Polizei und der Verwaltung zum Beispiel Fremdsprachenkenntnisse auf Muttersprachenniveau oder interkulturelle Kompetenz zum Anforderungsprofil gehören. Ist ein solches Gesetz zulässig?
Benachteiligung oder Bevorzugung kann begründet sein
Zunächst einmal liegt ein Verstoß gegen das Grundgesetz nahe. Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seiner Abstammung oder seiner Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden.
Allerdings darf durchaus jemand bevorzugt eingestellt werden, der über Fähigkeiten verfügt, die eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen. Das ist in § 8 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bereits niedergelegt. Die Wiederholung dieser Norm in dem Integrations- und Partizipationsgesetz wäre überflüssig.
Sollte das Gesetz darüber hinausgehen, wäre es verfassungswidrig. Entweder stellt eine Fähigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung an eine Tätigkeit dar oder nicht.
(Mutter-) Sprachkenntnise oder interkulturelle Kompetenz als Grund?
Es mag sein, dass bei bestimmten Bereichen in Polizei oder Verwaltung Kenntnisse in den Sprachen der typischen Einwanderungsruppen erforderlich sind.
Werden jedoch Sprachkenntnisse dort verlangt, wo sie für die Ausübung der Tätigkeit nicht oder nur von geringer Relevanz sind, so werden unzulässige Schranken für alle errichtet, die über diese Kenntnisse nicht verfügen, im Übrigen jedoch besser für die Tätigkeit geeignet sind.
Gleiches gilt für den dehnbaren Begriff der interkulturellen Kompetenz, die nicht bereits durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe gewährleistet ist.
Die Initiatoren des Gesetzes sind augenscheinlich der Auffassung, eine Diskriminierung ethnischer Deutscher sei nicht möglich, beziehungsweise sie nehmen an, dass die Diskriminierung gerechtfertigt sei, da Migranten nicht entsprechend ihrem tatsächlichen Bevölkerungsanteil in Behörden und Verwaltung vertreten seien.
Positive Ungleichbehandlung nur unter strengen Voraussetzungen
Der EuGH hat zwar im Jahre 1995 in Bezug auf die sogenannte Frauenquote entschieden, dass eine positive Ungleichbehandlung grundsätzlich zulässig sei – Voraussetzung ist jedoch eine Unterrepräsentation der bevorzugten Gruppe im Unternehmen, die gleiche Eignung in Bezug auf die Mitbewerber und die Berücksichtigung gegenläufiger Gesichtspunkte.
Das Gesetz wird sich an den Kriterien des EuGH messen müssen und es steht zu befürchten, dass dies misslingt. Eine gleiche Eignung lässt sich nicht dadurch herstellen, dass automatisch bestimmten Fähigkeiten eine Vorrangstellung eingeräumt wird.
Es handelt sich um eine Vision von Theoretikern, die nur - aber auch immerhin - den Arbeitsrechtsanwälten Vorteile in Form von Mandaten bringen wird.
Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg und Verfasser zahlreicher Publikationen auf diesen Gebieten.
Christian Oberwetter, Integrations- und Partizipationsgesetz für Berlin: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/766 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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