Wer ein Mitgliedskonto bei eBay unterhält, kann ein Stück weit aufatmen: Nach einer Entscheidung des BGH vom Mittwoch können Kunden des Online-Auktionshauses nicht ohne Weiteres zur Rechenschaft gezogen werden, wenn eine dritte Person unbefugt dieses Konto verwendet. André Niedostadek über das Urteil und seine möglicherweise gravierenden Folgen für die Praxis.
Die Beklagte unterhielt wie Millionen anderer Bundesbürger auch ein Mitgliedskonto bei eBay, dem nach eigenen Angaben umsatzstärksten Anbieter von Internetauktionen. Mitglieder können dort Waren kaufen und verkaufen. Ein Passwort soll vor unberechtigten Zugriffen schützen – wohlgemerkt "soll", denn dass das keinesfalls immer gesichert ist, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) (Urt. v. 11.05.2011 Az. VIII ZR 289/09).
Was war passiert? Unter dem passwortgeschützten Mitgliedskonto der Frau war im März 2008 eine komplette Gastronomieeinrichtung zum Verkauf angeboten worden – und zwar zu einem Eingangsangebot von lediglich einem Euro. Ein Schnäppchen, dachte sich wohl auch der Kläger, der daraufhin ein Höchstgebot von 1.000 Euro abgab.
Tags drauf wurde die Auktion dann jedoch vorzeitig durch Rücknahme des Angebots beendet. Der Kläger selbst blieb bis dahin der Höchstbietende. Er forderte die Beklagte daher auf, ihm die Gastronomieeinrichtung für 1.000 Euro zu übereignen. Dem kam die Frau aber nicht nach, auch nicht nachdem der Kläger ihr eine entsprechende Frist gesetzt hatte. Daraufhin verlangte der Kläger, der den Gesamtwert der Einrichtung mit 33.820 Euro bezifferte, Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von insgesamt 32.820 Euro.
Vermeintlich klare AGB halfen dem Kläger nicht
Ein solcher vertraglicher Schadensersatzanspruch lässt sich aus einer Pflichtverletzung des Kaufvertrags herleiten. Dass Internetauktionen bei eBay entgegen landläufiger Meinung keine "Auktionen" im rechtlichen Sinne sind (§ 156 BGB), sondern regelmäßig Kaufverträge darstellen, hat der BGH schon in verschiedenen Entscheidungen klargestellt.
Fraglich war im Fall der Gastronomieeinrichtungen aber, ob zwischen den Parteien überhaupt ein Kaufvertrag geschlossen worden war. Das Brisante: Zwischen den Parteien blieb streitig, wer das Angebot über die Einrichtung bei eBay eingestellt hatte - die Beklagten selbst, wie der Kläger meinte, oder aber ihr Ehemann, ohne dass sie davon etwas gewusst hatte.
Dem Kläger war das einerlei, und tatsächlich scheinen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von eBay bei unbefangenem Lesen durchaus für ihn zu sprechen. Dort heißt es nämlich unter § 2 Ziffer 9: "Mitglieder haften grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden."
Dennoch haben sowohl das Landgericht und auch das Oberlandesgericht die Schadensersatzklage jeweils abgewiesen. Und auch vor dem für das Kaufrecht zuständigen VIII. Senat des BGH hatte die Revision des Klägers nun keinen Erfolg.
Ebay-Käufer werden das Nachsehen haben
Die Kernfrage dieses Falls, ob überhaupt ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist, löst der Senat auf verblüffend einfache Weise, nämlich über das Stellvertretungsrecht. Schon nach allgemeinem Vertragsrecht gilt: Die Parteien eines Vertrages müssen die dafür erforderlichen Willenserklärungen nicht selbst abgeben, sondern können sich dazu auch eines Stellvertreters bedienen (§§ 164 ff. BGB). Das, so der BGH, ist auch bei Internet-Geschäften anwendbar.
Gibt also jemand eine Willenserklärung im Namen eines anderen ab (hier verdeckt unter dem eBay-Mitgliedsnamen), verpflichtet das den Namensträger nur, wenn die weiteren Voraussetzung für eine wirksame Stellvertretung vorliegen. Dazu zählt insbesondere, dass der Vertreter mit einer entsprechenden Vertretungsmacht gehandelt hat, oder aber das Geschäft vom Namensträger nachträglich genehmigt worden ist. Beides war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ebenso wenig war aber das Offenkundigkeitsprinzip eingehalten. Schließlich war für den Erwerber eine Stellvertretung gar nicht erkennbar.
Wer die Kontaktdaten eines Mitgliedskontos vielleicht etwas unsorgfältig verwahrt, riskiert deshalb nicht unbedingt, dass er sich die Erklärung eines unbefugten Dritten zurechnen lassen muss. Klarstellend sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen der Richter im Hinblick auf die AGB von eBay: Als vertragliche Abmachungen wirken sie unmittelbar nur zwischen dem Mitglied und dem Internetauktionshaus, nicht aber zwischen dem Verkäufer und Käufer.
Die rechtlichen Konsequenzen der Entscheidung für die Praxis lassen sich noch nicht abschließend beurteilen, sie können aber durchaus gravierend sein. Zwar sind nunmehr die Voraussetzungen deutlicher gefasst, unter denen eBay-Kunden haften, wenn jemand anders unter ihrem Namen Angebote einstellt. Allerdings privilegiert das Urteil möglicherweise diejenigen, die sorglos mit ihren Kundendaten umgehen.
Mit Blick auf die Stellvertretungsregeln bleibt für den Erwerber in jedem Fall ein bitterer Beigeschmack. Er könnte sich nicht einmal an den Vertreter ohne Vertretungsmacht halten, der ja gar nicht als Vertreter in Erscheinung getreten ist. Es bleiben Fragen offen, weshalb das letzte Wort zu alledem noch nicht gesprochen sein dürfte.
Der Autor Prof. Dr. André Niedostadek lehrt Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz.
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André Niedostadek, Identitätsklau bei eBay: . In: Legal Tribune Online, 11.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3248 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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