2/2: "Der Veranstalter hängt zukünftig mit am Fliegenfänger"
LTO: Wem gegenüber könnte ein solches Verbot ausgesprochen werden? Dem Veranstalter? Oder geht es nur um die Zielgruppe, die davon abgehalten werden soll, zu solchen Demonstrationen zu erscheinen?
Kniesel: Man kann den Veranstalter tatsächlich nicht pauschal für das Verhalten all derjenigen verantwortlich machen, die auf seiner Versammlung gewalttätig werden. Auch wenn es sich um eine rechte Gruppierung handelt, kann man ihr nicht unterstellen, dass die gewaltsame Auseinandersetzung geplant war. Im konkreten Fall sehe ich das aber anders. Denn wenn ein nach außen hin unauffälliger Veranstalter zu dieser Veranstaltung aufruft und dabei gezielt Hooligans anspricht, dann will er schon genau die Klientel anlocken, die auch gekommen ist und sich entsprechend verhalten hat. Schon der Name "Hooligans gegen Salafisten" gibt ja eine klare Marschrichtung vor. Wenn es also in der Zukunft Erkenntnisse dafür gibt, dass genau die gleichen Leute wieder motiviert werden sollen, dann hängt auch, ganz platt gesagt, der Veranstalter mit am Fliegenfänger.
"Gerichte würden ein Verbot mittragen"
LTO: Nordrhein-Westfalens Innenminister Jäger hat geäußert, dass er das Demonstrationsrecht zwar in Zukunft einschränken wolle, zuvor aber das Bundesverfassungsgericht hiervon überzeugt werden müsse. Was meint er damit? Sehen Sie die Möglichkeit, das Gericht etwa im Vorfeld einer Demonstration einzuschalten?
Kniesel: Naja, im Vorfeld wird das eher schwierig. § 1 Versammlungsgesetz sieht die Möglichkeit vor, dass einzelne Personen ihr Grundrecht nach Art. 18 GG verwirken können – das wird vom BVerfG ausgesprochen. Aber eben nur gegenüber Einzelpersonen. Vereinigungen und Parteien können in langwierigen Verfahren verboten werden, aber das ist wohl eher eine theoretische Möglichkeit, denn hier haben wir es ja mit Menschen gleicher Gesinnung, nicht aber mit einer konkreten Vereinigung zu tun. Das löst das aktuelle Problem überhaupt nicht.
Vermutlich werden aber die Veranstalter, die wohl in der rechten Szene gut vernetzt und daher auch anwaltlich beraten sind, im einstweiligen Rechtsschutz gegen ein behördliches Verbot vorgehen. Meiner Einschätzung nach aber ohne Aussicht auf Erfolg, weder beim Verwaltungs- noch beim Verfassungsgericht. Nach allem, was passiert ist, würden die Richter ein etwaiges Verbot sicherlich bestehen lassen.
"Da gibt’s von der Polizei richtig was auf die Glocke!"
LTO: Die Zeitungen titeln, hier entstehe eine neue Form der Gewalt. Inwieweit werden die Versammlungsbehörden daraus ihre Konsequenzen ziehen? Müssen sie selber mit mehr Gewalt vorgehen?
Kniesel: Eine erste Konsequenz wird sein, solche Veranstaltungen häufiger zu verbieten. Aber wie schon gesagt, werden die Randalierer sich davon wahrscheinlich nicht abhalten lassen, denn sie suchen ja nur einen Vorwand, um sich mit der Polizei zu prügeln.
Diese Form der Gewaltbereitschaft ist neu und fordert härteres Vorgehen in der Praxis. Die Polizei ist ganz sicher auch auf solch brisante Situationen vorbereitet. Da sie nun weiß, was auf sie zukommt, kann sie sich auch darauf einstellen. Sicherlich wird sie in Zukunft mit einem noch massiveren Aufgebot dagegen halten. Wasserwerfer wurden ja jetzt schon eingesetzt. Von anderen Waffen möchte ich noch nicht reden. Es ist aber auf jeden Fall eine Frage von Strategie und Taktik, sich richtig gegen Gewalttäter dieses Kalibers aufzustellen. Ich sage nur so viel: Da gibt’s dann richtig was auf die Glocke!
LTO: Herr Kniesel, vielen Dank für das Interview.
Der Autor Michael Kniesel ist Rechtsanwalt und Unternehmensberater. Er ist Verfasser mehrerer Lehrbücher zum Polizei- und Versammlungsrecht. In den Jahren 1988 bis 1993 war er Polizeipräsident der Stadt Bonn.
Das Interview führte Anne-Christine Herr.
Anne-Christine Herr, Gewalt bei Demo "Hooligans gegen Salafisten": . In: Legal Tribune Online, 28.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13623 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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