Deutsch-griechischer Reparationsstreit : Zwei plus vier gleich null

von Katrin Fenrich

18.02.2015

2/2: Vom Moratorium zum Zwei-Plus-Vier-Vertrag

Das für die deutsch-griechische Reparationsfrage entscheidende Dokument entstand jedoch 1990. Der bereits erwähnte Zwei-Plus-Vier-Vertrag sollte nach dem Willen der Alliierten jegliche noch offenen Fragen in Bezug auf Deutschland klären und an die Stelle eines förmlichen Friedensvertrags treten. Zwar schweigt das Dokument zum Punkt der Reparationszahlungen, und für gewöhnlich sollen in einem Vertrag nicht enthaltene Materien gerade nicht geregelt werden. Es kam den Vertragsparteien damals jedoch gerade darauf an, sämtliche noch ungeklärten Punkte mit dem Vertrag zu erledigen. Einem Schweigen kommt demnach durchaus Erklärungsgehalt zu – nämlich jener, dass das Londoner Moratorium fortgesetzt werden soll, also keine weiteren Reparationszahlungen mehr ausstehen.

Das eigentliche Problem besteht in der fehlenden Beteiligung Griechenlands am Zwei-Plus-Vier-Vertrag. Wertet man den Vertrag als eine Verzichtserklärung bzgl. aller möglicherweise noch ausstehenden Reparationsansprüche, so handelte es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter, da Griechenland als Nichtvertragspartei in seinen Rechten beschnitten würde. Allerdings nahmen die KSZE-Staaten, darunter auch Griechenland, in der Charta von Paris "mit großer Genugtuung" Kenntnis von dem in Moskau unterzeichneten Zwei-Plus-Vier-Vertrag. Dies könnte durchaus als konkludente Genehmigung des Vertragsinhalts und damit als Zustimmung Griechenlands verstanden werden.

Darüber hinaus lässt sich die sachliche und personelle Kompetenz der alliierten Siegermächte zum Abschluss eines solchen Vertrages aus dem Potsdamer Abkommen herleiten. Darin wurden Großbritannien, die USA und die Sowjetunion mit dem Mandat betraut, den Umgang mit Deutschland zu regeln. Dazu zählten auch die zu entrichtenden Reparationen. Frankreich stimmte dieser Vereinbarung als Siegermacht später ebenfalls zu.

Nötigung oder Vertragsfreiheit?

Die Krux des deutsch-griechischen Reparationsstreits liegt in der Rechtsnatur der griechischen Zwangskredite. Reparationszahlungen können nur für während des Krieges verübtes Unrecht verlangt werden. Sollte es sich bei den Kreditverträgen jedoch nicht um Unrecht handeln, so würde dies auch den Rückgriff auf den Zwei-Plus-Vier-Vertrag und damit das Londoner Moratorium vereiteln.

An dieser Stelle gehen die Rechtsauffassungen der deutschen und der griechischen Regierung weit auseinander. Athen beharrt darauf, dass es sich bei den Kreditverträgen um ein gewöhnliches bilaterales Abkommen zwischen zwei Völkerrechtssubjekten handelt, welche kraft ihrer Souveränität derlei Vereinbarungen treffen können. Danach wäre die Rückzahlung der Kredite eine Frage der Fälligkeit. Folgte man dieser Argumentation, so müssten die 476 Millionen Reichsmark zurückgezahlt werden, allerdings ohne Verzinsung, da dies gerade nicht Bestandteil der Verträge war.

Deutlich überzeugender erscheint die deutsche Argumentationslinie. Die Finanzierungslast der Besatzungskosten trägt laut Artikel 49 Haager Landkriegsordnung der besetzte Staat. Die griechisch-deutschen Kredite dienten der Besoldung der Wehrmachtssoldaten, also zweifelsfrei der Finanzierung der Besatzung. Gegen einen Vertrag auf Augenhöhe, wie von Athen angeführt, spricht vor allem der Umstand, dass es sich um ein zinslos gewährtes Darlehen handelt und ein besetztes Land für gewöhnlich nicht freiwillig die Kosten der eigenen Besetzung trägt. Danach stellen die Vereinbarungen abgenötigte Zwangskredite dar, die zwar mit dem Haager Kriegsrecht vereinbar sind, dennoch klassischerweise unter die Kategorie der reparationsfähigen Kriegshandlungen fallen, wie das Pariser Reparationsabkommen belegt. Und als solche haben sie sich mit dem Moratorium sowie dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag bereits erledigt.

Insgesamt steht die griechische Forderung damit auf schwachen juristischen Füßen. Sollte eine diplomatische Lösung des Streits nicht erzielt werden können, wäre eine endgültige Entscheidung im Reparationspingpong durch den Internationalen Gerichtshof wünschenswert.

Katrin Fenrich ist seit November 2014 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt. Dort setzt sie sich mit dem Völkerrecht und insbesondere dem Kriegsrecht auseinander. Ihre Promotion verfasst sie im Bereich des Internationalen Verfahrensrechts.

Zitiervorschlag

Deutsch-griechischer Reparationsstreit : . In: Legal Tribune Online, 18.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14715 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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