Griechenland verlangt von Deutschland Reparationen für Zwangskredite aus dem zweiten Weltkrieg – wieder einmal. Der völkerrechtliche Hintergrund ist komplex, die Rechtslage aber einigermaßen eindeutig, findet Katrin Fenrich.
Das Reparationspingpong zwischen Griechenland und Deutschland geht dieses Jahr zum wiederholten Mal in eine neue Runde. Vergangenen Sonntag forderte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras zum Abschluss seiner Regierungserklärung Deutschland auf, Zwangskredite aus der Zeit der Besatzung durch die deutsche Wehrmacht zurückzuzahlen. Ein Jahr zuvor hatte sein Kollege und noch amtierender Staatspräsident Karolos Papoulias bei einem gemeinsamen Presseauftritt mit Bundespräsident Gauck in Athen ebenfalls auf die Zahlung von Reparationen bestanden.
Zudem versucht die Judikative, den politischen Forderungen seitens der Regierung mit allen Mitteln Geltung zu verschaffen. Seit 1997 vollstrecken griechische Gerichte in deutsches Staatseigentum auf griechischem Territorium, um so Ansprüche Privater aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu entschädigen. Dieses Vorgehen wurde sowohl durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (v. 12.12.2002, Az. 59021/00) als auch durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag (v. 03.02.2012, ICJ Reports 2012, 99ff.) als Verletzung des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität qualifiziert und unterbunden.
476 Millionen Reichsmark – und Zinsen über 60 Jahre
Die aktuelle Diskussion dreht sich um 1942 geschlossene Kreditverträge zwischen Griechenland und der deutschen Besatzungsmacht. Die zinslos gewährten Darlehen dienten der Finanzierung und Entlohnung der in Griechenland stationierten Wehrmachtssoldaten. Laut eines Berichts des Auswärtigen Amtes vom 12. April 1945 soll die Bank von Griechenland insgesamt 476 Millionen Reichsmark an die deutsche Reichsbank überwiesen haben. Diese Summe inklusive Zinsen soll Deutschland nun an Griechenland zurückzahlen.
Der Athener Ruf nach Reparationen scheint hierzulande auf taube Ohren zu stoßen. Die deutsche Position zum griechischen Reparationsbegehren ist eindeutig: ein klares Nein mit Verweis auf den Zwei-Plus-Vier-Vertrag aus dem Jahr 1990. Ganz so eindeutig, wie es die Bundesregierung darstellt, ist der juristisch vielschichtige Sachverhalt jedoch nicht. Zum einen ist zweifelhaft, ob der Zwei-Plus-Vier-Vertrag, der das Verhältnis der Bundesrepublik zu anderen Staaten nach der Wiedervereinigung regeln sollte, auf die Kreditverträge überhaupt Anwendung findet. Zum anderen hat Griechenland selbst den Vertrag niemals unterzeichnet, sondern – neben der Bundesrepublik und der DDR – Frankreich, die Sowjetunion, Großbritannien und die USA. Um Deutschlands Position zu verstehen, muss man zunächst etwas weiter zurück in die Geschichte blicken.
Die deutsch-griechische Reparationsgeschichte
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurden zahlreiche bi- und multilaterale Verträge geschlossen, um die Reparationsfrage zu klären, Quoten zu vereinbaren und Zahlungsfristen festzulegen. Das Pariser Reparationsabkommen vom 14. Januar 1946 sprach Griechenland 2,7 Prozent der zu zahlenden Gesamtreparationen zu. Damit sollten sämtliche Regierungsansprüche inklusive der Besatzungskosten abgegolten werden. Kreditverträge und Ansprüche gegen die Reichskreditkassen wurden explizit als Besatzungskosten deklariert.
In Erfüllung dieser Verbindlichkeit zahlte Deutschland im Laufe der nächsten Jahre insgesamt 25 Millionen Dollar an Griechenland. Im Jahr 1953 wurde ein Reparationsmoratorium im Rahmen des Londoner Schuldenabkommens vereinbart. Danach sollte die endgültige Lösung der Reparationsfrage "bis zum Abschluss eines förmlichen Friedensvertrages" aufgeschoben werden. Sieben Jahre später schlossen Deutschland und Griechenland einen bilateralen Wiedergutmachungsvertrag, in dem Deutschland für die Zahlung von 115 Millionen DM die Zusage Griechenlands erhielt, keine weiteren individuellen Ansprüche griechischer NS-Opfer geltend zu machen.
Deutsch-griechischer Reparationsstreit : . In: Legal Tribune Online, 18.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14715 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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