Nachhaltigkeit ist en vogue. Überraschend ist, dass es für Mietverträge bislang keine markterprobten Nachhaltigkeitsregeln gibt. Das will Freshfields Bruckhaus Deringer ändern. Die Kanzlei hat gemeinsam mit namhaften Vertretern der Immobilienwirtschaft mit dem "greenLease" einen umfangreichen Katalog konkreter Regelungsempfehlungen für "grüne" Mietverträge herausgegeben, der Marktstandard in Deutschland werden soll.
Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen wird in vielen Bereichen der Wirtschaft gefördert und gefordert. Themen wie Öko-Bilanz und Nachhaltigkeit begegnen uns in allen Lebenslagen. Auch für Gewerbeimmobilien und deren Nutzung stellt sich die Frage, wie diese möglichst Ressourcen schonend betrieben werden können und welche Nachhaltigkeitsthemen sie betreffen.
Die grüne Zertifizierung der Substanz von Immobilien verbreitet sich immer mehr. Auf europäischer Ebene werden gerade Rechenregeln für Ökobilanzen in der Bauindustrie entwickelt. Doch für grüne Mietverträge haben sich noch keine festen Regeln etabliert. Diese Lücke soll nun "greenLease – Der grüne Mietvertrag für Deutschland" schließen.
greenLease soll zur Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft beitragen. Nach deren gängiger Definition gilt als nachhaltig, was dauerhaft und zukunftsfähig der Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Lebensumstände des Menschen dient. Allerdings bedürfe es erst einmal Standards zur Messung von Nachhaltigkeit, um das Mietrecht und die Regelungen für Immobilien stärker an Nachhaltigkeitskonzepte heranzuführen, erklärt Tobias Krug, WWF Referent für Energieeffizienz und Gebäude. Hier sei der Gesetzgeber gefragt.
Grüner Mietvertrag - maßgeschneidert
Der vom greenLease vorgegebene Referenzrahmen setzt sich aus 50 Regelungsempfehlungen zusammen. Sie unterteilen sich nach dem Entwicklungsstand der Immobilie, nämlich nach deren Erstellung und Nutzung. Die Empfehlungen sollen die nachhaltige und umweltschonende Nutzung und Bewirtschaftung von Gewerbeimmobilien regeln und können dazu individuell zusammengestellt werden. Es gilt das Baukastenprinzip. Die einzelnen Klauseln beinhalten konkrete Rechte, Pflichten und Handlungsaufforderungen.
Thematisch reichen die Regelungsempfehlungen von Aspekten wie umweltschonende Materialien, Energieeinsparung und maximalem Verbrauch bis zur Förderung nachhaltigen Verhaltens. Es gibt also viele Baustellen für Nachhaltigkeit im Mietvertrag. Beginnen kann man schon im Kleinen. So kann etwa darauf hingewirkt werden, dass ökologisch unbedenkliche Putzmittel und Energiesparlampen verwendet werden und genügend Fahrradparkplätze für die Angestellten zur Verfügung stehen. Nachhaltigkeit hat viele Gesichter.
Komplexe markttaugliche Vertragsgestaltung ist gefragt
Kein Wunder also, dass eine den Bedürfnissen des Einzelfalls gerecht werdende, rechtssichere grüne Vertragsgestaltung sehr komplex sein kann. Freshfields Bruckhaus Deringer hat die Regelungsempfehlungen maßgeblich rechtlich ausgestaltet. Sergio Binkowski, Rechtsanwalt im ImmobilienWirtschaftsrecht bei Freshfields und Mitherausgeber des greenLease, berichtet: "Die Entwicklung des greenLease war eine spannende Herausforderung. Zunächst natürlich deshalb, weil es sich bei den 'grünen' Regelungsempfehlungen um absolutes Neuland im deutschen Markt handelt."
Rechtlich besonders spannend sei zudem, dass die Integration der Regelungsempfehlungen in das starre Korsett des Mietrechts einerseits und in den Rahmen marktüblicher Usancen andererseits neben den juristischen Fachkenntnissen ein hohes Gespür für die Markttauglichkeit verlangt. Man müsse wissen, so Binkowski, was am Markt auf Akzeptanz stoßen kann und wofür der Markt dagegen vielleicht noch nicht "reif" ist.
Die weiteren Mitglieder der Projektgruppe greenLease sind namhafte Player der Immobilienwirtschaft. Neben Freshfields sind unter anderem die alstria office REIT-AG, Jones Lang LaSalle, Union Investment Real Estate, Daimler Real Estate, die Deutsche Bank, EPM Assetis und Ernst & Young Real Estate beteiligt. Auch das Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg ist Mitglied der Projektgruppe, ebenso wie der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA).
Roman Wagner lobt diesen interdisziplinären Ansatz. Durch seine langjährige Tätigkeit in einem Maklerunternehmen und nun als Inhaber einer Beratungsfirma für nachhaltige Arbeitswelten ist der anerkannte Immobiliensachverständige Experte für das Thema "grüne" Immobilien. "Durch die Fachkompetenz von Juristen, Ingenieuren, Maklern und weiteren Immobiliensachverständigen ist ein umfangreiches, kompetentes und tiefgreifendes Regelwerk entstanden."
Grün ist im Kommen – auch im Gesetz
Nachhaltigkeit und Naturschutz sind ohnehin prominente Themen. Der greenLease trifft diesen Nerv der Zeit. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) ein Dauerbrenner zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Ihre Novellierung steht für 2012 auf der Agenda. Auch die Weltkonferenz "Rio+20" hat sich die Herausforderungen und Chancen von mehr Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Mit den Querschnittsthemen nachhaltigen Wirtschaftens, Energieeffizienz und Klimaschutz beschäftigen sich in der Bundesregierung daher insbesondere das Wirtschafts- und das Umweltministerium, aber auch das Verkehrs-, das Finanz und nicht zuletzt das Justizministerium (BMJ).
Der Bundesgesetzgeber beschäftigt sich zudem gerade mit einer Reform des Wohnungsmietrechts. Hierbei setzt er sich schwerpunktmäßig auch mit der energetischen Sanierung auseinander. Diese Regeln haben aber nur teilweise Auswirkungen auf das gewerbliche Mietrecht. Anders als das Wohnraum-Mietrecht, das wegen des Mieterschutzes auch soziale Belange berücksichtigen muss, ist das gewerbliche Mietrecht vornehmlich vom Gedanken der Vertragsfreiheit geprägt und bietet so größere Gestaltungsfreiheit.
Die Vorschriften für die Duldung energetischer Modernisierungen gelten aber im Gewerbe-Mietrecht entsprechend. Allerdings hat der gewerbliche Vermieter kein Mieterhöhungsrecht. Er kann aber mit dem Mieter eine entsprechende Abrede treffen, ein unbefristetes Mietverhältnis kündigen oder die Beendigung eines befristeten Vertrages abwarten.
Vom Unterschied zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien
Im BMJ vertritt man die Auffassung, das geltende Gewerbe-Mietrecht lasse genug Raum zur Umsetzung von Nachhaltigkeits- und Klimaschutzzielen. Die modifizierten Duldungsregeln bei energetischen Modernisierungen erlaubten nach dem Entwurf zum Mietrechtsänderungsgesetz außerdem eine energetische Modernisierung, falls es nicht zu entsprechenden Abreden zwischen den Parteien komme. Der Rechtsrahmen des Gewerbe-Mietrechts lasse ohne weiteres zu, dass etwa ein Investor-Vermieter ein Objekt "passgenau" nach den Wünschen des Mieters baue oder umrüste. Die Energieeinsparverordnung enthält indes Vorgaben zur energetischen Beschaffenheit, die auch bei gewerblicher Nutzung gelten.
Tobias Krug hält die Voraussetzungen für intelligente Green Lease-Ansätze für Gewerbeimmobilien für tendenziell einfacher umsetzbar als im Bereich der Wohngebäude. "Die Energieeinsparpotenziale bei Betrieb und Nutzung sind bei Gewerbeimmobilien in der Regel ebenfalls größer." Da existierende Modelle aus dem Ausland aus rechtlicher Sicht nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen werden könnten, erachte er den greenLease für sehr sinnvoll.
Die auf die Modernisierung von Bestandsbauten bezogenen Änderungen des Mietrechtsänderungsgesetzes ließen sich aus praktischen Gründen nur bedingt auf das gewerbliche Mietrecht übertragen, erklärt Roman Wagner. Energetische Maßnahmen würden überwiegend durch den Austausch der Fassade, den Rückbau klassischer Klimasysteme und die Einbringung moderner Gebäudetechnik in Kombination mit der Flexibilisierung der Mietflächen erreicht. Deshalb würden Eigentümer von Gewerbeimmobilien für Modernisierungsmaßnahmen die Immobilien konsequent abmieten oder Interimsflächen anbieten, erklärt Wagner weiter. Auf die Regeln des Wohnraum-Mietrechts könne insoweit nicht entsprechend zurückgegriffen werden. Er sehe im greenLease eine notwendige Ergänzung zu den Schritten des Gesetzgebers, aber keine hinreichende.
Schönheitskur für Immobilien
Für das BMJ liegen die Vorteile grüner Immobilien auf der Hand, denn sie förderten Energieeffizienz und Klimaschutz und damit zugleich die Ziele der Energiewende. Soweit zusätzliche Kosten entstehen sollten, müssten diese fair vertraglich zugeordnet werden. Doch grundsätzlich sind grüne Immobilien für alle Akteure vorteilhaft, weiß Roman Wagner. Für Investoren bedeuteten sie höhere Wertstabilität, Eigentümer könnten ihre Unternehmensziele der Corporate Social Responsibility erreichen und zunehmend höhere Mieterträge erzielen. Diese Steigerung der Attraktivität und Rendite der Immobilie aus Eigentümer- und Vermietersicht bestätigt auch Tobias Krug.
Für Mieter schlage insbesondere die Senkung der Betriebs- und Nebenkosten und eine gesteigerte Reputation zu Buche, sind sich Wagner und Krug einig. Der grüne Mietvertrag ist damit auch eine Schönheitskur für Immobilien. Denn mit dem Nachhaltigkeits-Tuning steigt deren Attraktivität.
Der WWF Deutschland hält die ersten Ansätze für einen konzeptionellen Rahmen für Green Lease-Mietverträge im Gewerbebereich für durchaus vielversprechend, sagt Tobias Krug. Er gibt aber zu bedenken, dass diese noch ausreifen müssten. "Eine interessante Aufgabe sehen wir in der Gestaltung von Green Lease-Modellen, so dass sie nicht nur für die 'Veredelung' von Gewerbeimmobilien in 1a- und 1b-Lage in Frage kommen, sondern für weitere Bereiche der Bestandsimmobilien." Er sei aber skeptisch, ob Ansätze privater Anbieter dies alleine leisten könnten und wünsche sich vielmehr einen Dialog des Gesetzgebers mit den Akteuren, so Krug weiter.
Roman Wagner sieht den nächsten Monaten und ersten Anwendungsfällen des greenLease gespannt entgegen. "Sie werden zeigen, wie praktikabel die einzelnen Empfehlungen in der Verhandlung zwischen Mietern und Vermieter sind."
Er räumt den Regelungsempfehlungen jedenfalls eine vergleichbare Bedeutung ein, wie sie die Richtlinien der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) in Bezug auf Definition und Berechnung von Mietflächen oder das Red Book der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) für die Standardisierung der Immobilienbewertung haben.
Patrick Buse, greenLease: . In: Legal Tribune Online, 20.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6665 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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