2/2: Straffreiheit von V-Leuten
Heftig umstritten sind vor allem die Regelungen zu Straffreiheit von V-Leuten. Das stieß schon vor der Sitzung des Innenministeriums auf Kritik. Vor dem Bundestag demonstrierte die Humanistische Union mit Bildern von bekannten straffälligen V-Leuten gegen die geplante Regelung. Demnach dürfen sich verdeckte Ermittler und V-Leute im Einsatz an strafbaren Bestrebungen beteiligen, wenn das für den Informationszugang notwendig ist – sich also etwa an verbotenen Versammlungen beteiligen oder auf einer Demonstration den Hitlergruß zeigen. Das gilt nicht, wenn es um Individualrechte geht – etwa eine Körperverletzung. Beteiligt sich ein V-Mann also an einem Angriff auf einen Flüchtling, wäre das zwar grundsätzlich strafbar. Trotzdem hätte er nicht unbedingt etwas zu befürchten: Die Staatsanwaltschaft kann von Ermittlungen absehen oder das Verfahren jederzeit einstellen, solange nicht eine Strafe von mehr als einem Jahr Haft zu erwarten ist.
Aden kritisiert dabei vor allem, dass nicht zwischen verdeckten Ermittlern und V-Leuten unterschieden wird. Verdeckte Ermittler werden vom Geheimdienst gezielt in die Szene eingeschleust, für sie gilt das öffentliche Dienstrecht. Sie werden in der Praxis aber nur selten eingesetzt. V-Leute gehören dagegen zur Szene und werden vom Verfassungsschutz angeworben.
"In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass vor allem V-Leute problematisch sind", so Aden. Denn wer da von wem profitiert, ist nicht immer ganz klar. Ein bekanntes Beispiel ist der V-Mann Tino Brandt, der das Geld, dass er vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz erhielt, in großem Stil zum Aufbau der rechtsextremen Szene einsetzte. Scharmer hält die Regelung insgesamt für unlogisch. Die Straffreiheit sei dabei kaum der eigentliche Zweck. "Es kann nicht das Interesse der Verfassungsschutzbehörden sein, dass eine Quelle überhaupt in Ermittlungsakten auftaucht. Wahrscheinlich geht es eher darum, bei der Anwerbung von V-Leuten mit solchen Normen zu werben: Schaut her, wenn ihr für uns arbeitet, kann euch nichts mehr passieren." Für die V-Leute eine komfortable Situation.
Rechtmäßigkeit des Datenpools fraglich
Der NSU-Untersuchungsausschuss hatte klare Vorgaben zur Definition von V-Leuten, zur Auswahl und zur Dauer der Zusammenarbeit gefordert und betont, der Quellenschutz dürfe nicht absolut gelten. Was genau aus solchen Formulierungen zu folgern ist, bleibt aber unklar, schließlich mussten auch im Untersuchungsausschuss unterschiedliche Fraktionsinteressen berücksichtigt werden.
Dasselbe gilt für die Neuregelungen zum Informationssystem. Der NSU-Untersuchungsausschuss hatte eine bessere Zusammenarbeit und eine zentrale Auswertung empfohlen. Die Bundesregierung will nun einen umfassenden Datenpool beim Bundesamt für Verfassungsschutz schaffen und der Behörde weitreichende Möglichkeiten zur Recherche und Analyse bereitstellen. Bäcker hält das für verfassungswidrig: "Wenn man sich anguckt, was man alles machen kann, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen, muss man sagen: Es kann alles gespeichert werden und es kann praktisch alles ausgewertet werden. Das geht zu weit." Außerdem hält er die Regelung für inkonsequent: "Die Länder dürfen alles übermitteln, aber sie müssen nicht. Damit ist gar nicht sichergestellt, dass das Bundesamt tatsächlich relevante Informationen künftig erhält."
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung dürfte allenfalls ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein, um den Verfassungsschutz zu reformieren. Der NSU-Skandal hat auch gezeigt, dass ohnehin nicht alle Probleme auf gesetzlicher Ebene zu lösen sind. So merkte Aden gleich zu Beginn der Sitzung im Innenausschuss an, dass es nicht ausreicht, die staatlichen Strukturen zu ändern: "Wir haben gesehen, dass es vor allem um Fehler von Menschen ging." Die Verfassungsschützer müssen umdenken.
Annelie Kaufmann, Gesetzentwurf nach NSU-Skandal: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15792 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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