3/3: Lebensnah: Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung
Zusätzliche Argumentationshilfen im täglichen Kampf gegen das Abmahnwesen lieferte zudem die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 15. November 2012 entschieden, dass Eltern für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht haften, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt (Az. I ZR 74/12 – Morpheus).
Mit Urteil vom 8. Januar 2014 hat der BGH sodann entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für das Verhalten eines volljährigen Familienangehörigen nicht haftet, wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Internetanschluss für illegales Filesharing missbraucht (Az. I ZR 169/12 – BearShare). Der BGH hat damit die in den Vorinstanzen teilweise sehr extensiv ausgelegte Störerhaftung auf ein vernünftiges Maß zurückgestutzt, so dass es den Rechteinhabern in den Fällen, in denen der Anschlussinhaber als Täter ausscheidet, zukünftig sehr schwer fallen wird, die geltend gemachten Ansprüche durchzusetzen.
Evaluierung folgt 2015
Zudem gibt die jüngere Rechtsprechung, auf die wie im obigen Beispielsfall des Amtsgerichts Köln die Grundintention des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken offensichtlich auch dort positiv wirkt, wo die neuen Regelungen nicht unmittelbar zur Anwendung kommen, begründeten Anlass zu der Hoffnung, dass das Gesetz tatsächlich die erwünschte Wirkung entfalten wird. Um dies abschließend zu beurteilen, ist es jedoch bei weitem zu früh. Hier werden weitere Entscheidungen der Gerichte abzuwarten sein. Die Bundesregierung wird das Gesetz zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten, also im Jahr 2015, evaluieren, um möglichen weiteren Änderungsbedarf festzustellen. Bis dahin dürfte sich die in der Tendenz ohnehin sinkende Anzahl der Abmahnungen wegen Filesharings auch aus einem anderen Grund weiter reduziert haben: Die immer schneller werdenden Internetverbindungen haben das Streaming von hohen Datenvolumina wie bei Filmen zu einer bequemen Alternative zu Tauschbörsenprogrammen werden lassen.
Ein erster Versuch, auch das Abrufen von Streaming massenhaft abzumahnen, darf nach der Redtube-Affäre getrost als gescheitert betrachtet werden. Gleichwohl wäre es wünschenswert, wenn sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine Klarstellung der dem § 44a UrhG zu Grunde liegenden Richtlinienvorschrift dahingehend einsetzte, dass der Abruf eines Streams durch den Internetnutzer in jedem Fall zulässig ist. Handlungsbedarf besteht darüber hinaus auch vor dem Hintergrund einer jüngst ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 10. April 2014 (C-435/12), nach der die Privatkopieausnahme bei Vervielfältigungen auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle nicht greifen soll, was dem Verbraucher für ihn kaum erfüllbare Prüfpflichten zumutet.
Denn gleich, ob sich das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in der Praxis als geeignet erweisen wird, das Abmahnunwesen in den Filesharing-Fällen einzudämmen – eines lässt sich schon heute festhalten: Für die nach einer Erhebung des vzbv aus dem Jahr 2012 4,3 Millionen Abgemahnten kommt das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken leider zu spät. Dabei funktioniert(e) das Geschäft mit den Massenabmahnungen auch deshalb so gut, weil es von bestehenden Rechtsunsicherheiten profitiert. Umso wünschenswerter wäre es, diese bei Streaming-Fällen im Sinne der Verbraucher frühzeitig zu beseitigen.
Der Autor Carl Christian Müller, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mitgründer der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin, die unter anderem auf das Medienrecht, das Presse- und Äußerungsrecht, das Breitbandkabelrecht und das Urheberrecht spezialisiert ist. Er ist Lehrbeauftragter an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Studiengang des Mainzer Medieninstituts und fungiert zudem als Justiziar des Deutschen Medienverbandes (DMV).
Carl Christian Müller, Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken: . In: Legal Tribune Online, 29.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11814 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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