Interview zur Einigung mit YouTube: "Die Gema war bereit, prak­tisch jeden Preis zu akzep­tieren"

YouTube und die Gema haben überraschend einen Lizenzvertrag abgeschlossen. Die Höhe der Vergütung hält Günter Poll für viel weniger wichtig als die Einigung selbst. Die nutze der Gema auch gegen die Pläne der EU-Kommission.

LTO: Am 1. November verkündeten die Gema und YouTube einigermaßen überraschend, sich auf einen Lizenzvertrag geeinigt zu haben. Das ist das Ende der unbeliebten Einblendung, die Nutzer der größten Videoplattform der Welt darüber informierten, dass der Clip, den sie sich ansehen wollten, nicht verfügbar ist, weil man sich nicht mit der Verwertungsgesellschaft einigen konnte. Worum ging es in dem Streit und sieht wie die Argumentation der beiden Seiten aus?

Poll: Der Streit betraf die Frage, ob YouTube für die Nutzung von GEMA-Werken Tantiemen zahlen muss oder dafür urheberrechtlich nicht verantwortlich ist. Die GEMA behauptete einen Eingriff, in ihre Rechte, das Oberlandesgericht München aber sah das im Januar anders: YouTube sei kein Musikdienst, sondern nur eine Plattform für die Verbreitung fremder Inhalte, welche der Dienst sich nicht zu eigen mache.

LTO: Was könnte die Google-Tochter und die Verwertungsgesellschaft dazu bewogen haben, sich nach sieben Jahren doch endlich zu einigen?

Poll: Für die Gema ist diese Einigung von existenzieller Bedeutung. Für sie stand ihre traditionelle Rolle als Musikverwertungsgesellschaft mit einem nationalen Monopol für den gesamten Online-Bereich auf dem Spiel. Viel wichtiger als eventuelle Zahlungen von YouTube ist für die Verwertungsgesellschaft also die Einigung als solche.

"Eine längst fällige Einigung unter dem Druck des Urteils"

LTO: Glauben Sie, dass die Einigung, die für viele Marktbeobachter überraschend kam, auf das Schadensersatz-Verfahren vor dem OLG München zurückzuführen ist, das Sie ansprachen?

Poll: Selbstverständlich stand die Verwertungsgesellschaft auch unter dem Eindruck des Urteils. Die Gema wusste, dass ihre Chancen beim BGH minimal waren. Und wenn sie dort erneut verloren hätte, wäre eine Einigung ausgeschlossen gewesen.

LTO: In anderen Ländern konnten Einigungen sehr viel früher erzielt werden. Warum hat sich der Streit ausgerechnet in Deutschland so lange hingezogen?

Poll: Die Gema hatte bislang noch nicht verstanden, dass sie flexibler auf die Online-Welt reagieren muss. Mit ihrer bisherigen Haltung schadete sie, anstatt deren Rechte wahrzunehmen und durchzusetzen, manchen Künstlern eher, weil diese über den weltweit wichtigsten Kanal YouTube nicht bekannt werden konnten, weil ihre Videos nicht gezeigt wurden. Diese Haltung hat sie jetzt, nach sieben Jahren, endlich aufgegeben.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz und Constantin Baron van Lijnden, Interview zur Einigung mit YouTube: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21067 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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