"Juristische Schlacht" wegen Super League: Cham­pions League-Aus­schluss kar­tell­rechts­widrig?

von Hasso Suliak

20.04.2021

Nach der Ankündigung von zwölf europäischen Spitzenvereinen zur Gründung einer Super League würde die UEFA die abtrünnigen Clubs und deren Spieler am liebsten sofort aus allen Wettbewerben verbannen. Allerdings gibt es rechtliche Bedenken.

Die Aufregung im europäischen Fußball ist seit Montag groß: Nach der Ankündigung von zwölf europäischen Top-Klubs, darunter bislang jedenfalls noch kein deutscher Verein, einen eigenen europäischen Wettbewerb, die sogenannte Super League zu gründen, hat der europäische Fußballverband UEFA harte Sanktionen gegen die betreffenden Vereine angekündigt. Ihnen soll der Ausschluss aus allen europäischen Wettbewerben drohen. Indes: Sportrechtler haben Bedenken, ob ein solcher Ausschluss kartellrechtlich zulässig wäre.

Am Freitag entscheidet sich auf einer außerordentlichen Sitzung des UEFA-Exekutivkomitees, ob bereits die aktuelle Europapokal-Saison von Sanktionen der UEFA betroffen ist. Im Champions League Halbfinale droht dann den Super League -Teams Real Madrid, FC Chelsea und Manchester City die Suspendierung. Im Semifinale der Euroleague wären die Manchester United und Arsenal London betroffen.

Eine "juristische Schlacht" zwischen den Verantwortlichen der Super League und der UEFA erwartet das Fußballmagazin "Kicker": Während die gemeldeten Super League-Teilnehmer AC Milan, der FC Arsenal, Atletico Madrid, der FC Chelsea, der FC Barcelona, Inter Mailand, Juventus Turin, Manchester City, Manchester United, Real Madrid und Tottenham Hotspur am Montag ankündigten "Gespräche mit der UEFA und der FIFA zu führen, um gemeinsam und partnerschaftlich die besten Ergebnisse für die neue Liga und den Fußball als Ganzes zu erzielen", reagierte UEFA-Präsident Alexander Ceferin, ein ausgebildeter Rechtsanwalt aus Slowenien, empört:

UEFA: "Wir werden alle Sanktionsmöglichkeiten ergreifen"

"Die Spieler, die in der Super League spielen, werden keine WM und EM mehr spielen können, sie werden nicht mehr ihre Nationalmannschaft vertreten können." Ein Ausschluss aus dem Ligabetrieb stehe ebenfalls zur Diskussion, dies sei dann aber Sache einer jeden nationalen Liga. Ceferin zufolge sei die Rechtsabteilung der UEFA dabei, die Situation zu analysieren und ein entsprechendes Vorgehen vorzubereiten. "Wir werden alle Sanktionsmöglichkeiten ergreifen. Meine persönliche Meinung ist: Klubs und Spieler sollten so schnell wie möglich aus den Wettbewerben verbannt werden."

Deutsche Sportrechtler, wie etwa der renommierte Kölner Hochschullehrer Prof. Dr. Jan F. Orth, halten dieses Vorgehen für rechtlich vertretbar, verweisen aber auch auf juristische Unwägbarkeiten: "Grundsätzlich ist ein Ausschluss aus den Wettbewerben rechtlich möglich, wenn die Verbände in ihrer Satzung eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage haben." Ein derartiger Genehmigungsvorbehalt für die Teilnahme an Wettbewerben, die nicht von den zuständigen Verbänden organisiert werden, sei in allen Sportarten weltweit absolut üblich.

Dahinter, so Orth, stehe das im Sport fast weltweit geltende "Ein-Platz-Prinzip“. Dieses bedeute, dass es für jede Sportart in jedem regionalen Gebiet immer nur einen zuständigen Verband geben könne. "Um dieses Prinzip zu sichern, wollen die Verbände verhindern, dass Vereine außerhalb dieser Verbandsstrukturen an Wettbewerben teilnehmen." Allerdings gibt Orth zu bedenken: "Ob dieses Prinzip rechtens ist, ist seit Langem umstritten und auch noch nicht abschließend entschieden."

UEFA drohen Schadensersatzforderungen

Für "denkbar" hält es der Kölner Hochschullehrer auch, dass die UEFA den Spielern der Super-League-Clubs verbieten, an der Europameisterschaft oder Weltmeisterschaft teilzunehmen. Betroffen wäre davon derzeit die deutschen Nationalspieler Toni Kroos von Real Madrid, Marc-Andre Ter Stegen vom FC Barcelona, Manchester-City-Profi Ilkay Gündogan sowie die Chelsea-Spieler Timo Werner, Kai Havertz und Antonio Rüdiger. "Was für die Vereine gilt, wird auf die Spieler übertragen", so Orth. Letztlich, so der Sportrechtler, stelle sich bei den Ausschlüssen für Spieler oder Vereine ein kartellrechtliches Problem: "Die Strafen würden ja darauf abzielen, die Vereine davon abzuhalten, Verträge zur Errichtung einer Super League abzuschließen. Die Verbände könnten also ihre Marktmacht missbrauchen. Sie greifen ja in die Vertragsfreiheit und den wirtschaftlichen Gestaltungsfreiraum der Vereine ein."

Orth verweist auf eine Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union (EuG), das der UEFA möglicherweise ein Dorn im Auge sein könnte. So habe das EuG im Fall der International Skating Union (ISU) im Dezember 2020 entschieden, dass derartige Sanktionen für die Teilnahme an externen Wettbewerben kartellrechtswidrig sein können, insbesondere, wenn den Sportlern dadurch Einnahmen entgehen, die der Lebensführung dienen.

Kartellrechtliche Bedenken äußert LTO gegenüber auch der Berliner Sportrechtsexperte Fabian Reinholz von der Kanzlei HÄRTING: "Die UEFA ist Monopolist und der Rausschmiss der Clubs (wie auch die angedrohte Sperre von Spielern für künftige UEFA Wettbewerbe) sind ja faktisch Zugangsverbote (mit ausschließlich Sanktionscharakter) und könnten daher unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen sein. Dann drohen UEFA Prozesse zur Außerkraftsetzung der Maßnahme und Schadensersatzforderungen."

Ähnlich sieht es auch der Dortmunder Sport- und Wirtschaftsrechtler Prof. Dr. Markus Buchberger. Er sieht die UEFA rechtlich in einer verzwickten Lage: "Wenn die Teilnahme an einem Parallelwettbewerb vertraglich zwischen UEFA und den Vereinen nicht ausgeschlossen wurde, gibt es meines Erachtens wenig Handhabe gegen die Clubs der Super League. Und sollte der Ausschluss von Parallelwettbewerben vertraglich fixiert sein, könnte dies ein kartellrechtliches Problem der UEFA darstellen, so Buchberger. "Wenn sich später herausstellen sollte, dass ein Ausschluss für das Halbfinale und das mögliche Finale rechtswidrig waren, drohen hohe Schadensersatzforderungen."

Wird PSG zum Champions-League Sieger erklärt?

Sollte die UEFA am Freitag die betroffenen Teams aus dem laufenden Wettbewerb ausschließen, stellt sich unterdessen die Frage, wie Champions League und Euroleague in dieser Saison zu Ende gespielt werden könnten. Denkbar ist, dass die im Viertelfinale den Super League-Teams unterlegenen Mannschaften (soweit sie selber nicht an der Super League teilnehmen) ins Halbfinale nachrücken.

Von einer solchen Lösung könnte dann etwa Borussia Dortmund profitieren, die gegen Manchester City den Kürzeren gezogen hatten. Sportrechtler Orth hält es dagegen für wahrscheinlicher, dass ein Ausschluss durch die UEFA zunächst mit Rechtsmitteln angegriffen werde. Und bis zu der rechtskräftigen Feststellung, ob der Ausschluss rechtmäßig ist, müsste die weiteren Spiele im Wettbewerb wohl erst einmal abgesetzt werden. "Wie der Wettbewerb dann weitergeht, müsste der Spielleiter, also die UEFA, entscheiden." In diesen nicht geregelten Situationen habe der Spielleiter ein weites Ermessen, "könnte also theoretisch auch auf die bereits ausgeschiedenen Viertelfinalisten zurückgreifen", so Orth.

Eine andere Lösung hält Sportrechtler Reinholz für realistisch: Die logische Folge des Ausschlusses der "Separatisten" wäre, dass der französische Club Paris St. Germain zum Sieger des Wettbewerbs erklärt werde, weil er als einziger unter den Abtrünnigen verbleibe. Mögliche Nachrücker ins Halbfinale (wie etwa der BVB) seien sportlich ausgeschieden. "Deshalb sehe ich vom Reglement her keine Basis dafür, das Halbfinale nachträglich aufzustocken."

Anweisung für Bundestrainer?

Unterdessen droht den bei den Super League Teams in England oder Spanien spielenden deutschen Nationalspielern auch unabhängig von EM und WM zumindest eine Unterbrechung ihrer Nationalmannschaftkarriere: Denn der DFB könnte den Bundestrainer wohl anweisen, die betreffenden Spieler prinzipiell nicht mehr in die DFB-Elf zu berufen: "Die DFB-Exekutive kann verbandspolitische Nominierungsvorgaben für Nationalspieler machen, an die sich der Bundestrainer als Arbeitnehmer des DFB im Rahmen des Weisungsrechts des Arbeitgebers zu halten hätte", erläutert Orth gegenüber LTO.

Solche Nominierungsvorgaben dürften aber nicht willkürlich oder unbillig sein. Das, so Orth, wären sie hier aber offensichtlich nicht: "Der DFB verfolgt in wohl zulässiger Weise den Selbsterhalt, die Einheit des Fußballs und Schutz der seit Jahren gewachsenen und auch mit vielen Vorteilen verbundenen nationalen und internationalen Verbandsstrukturen im Fußball."

Sowohl DFB als auch die Deutsche Fußball-Liga DFL hatten die Gründung der Super League heftig kritisiert. In einer gemeinsamen Erklärung vom Montag hieß es: "Wir dürfen nicht zulassen, dass die finanziellen Interessen einiger weniger Top-Clubs aus England, Italien und Spanien die Abschaffung bewährter Strukturen bewirken. Der Fußball in Europa lebt auch davon, dass es theoretisch für jeden Club möglich ist, sich in einem Wettbewerb mit den Besten des Kontinents zu messen. Dieser Traum darf nicht durch eine nahezu geschlossene Gesellschaft ersetzt werden."

Zitiervorschlag

"Juristische Schlacht" wegen Super League: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44769 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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