Eis und Schnee haben den Straßen schwer zugesetzt, deutschlandweit sind Fahrbahnbeläge aufgebrochen und mit Schlaglöchern durchsetzt. Erkennt man sie zu spät und rumpelt ungebremst hinein, kann es teuer werden. Warum aber mehr Schlaglöcher im Zweifel nicht zu mehr Haftung des Staates, sondern zu einem höheren Mitverschulden der Autofahrer führen, erläutert Dr. Alfred Scheidler.
Der Winter hat eine Pause eingelegt, so dass das Fortkommen im Straßenverkehr im Moment nicht mehr durch winterliche Straßenverhältnisse beeinträchtigt wird. Stattdessen haben sich neue Gefahrenquellen aufgetan, die den Autofahrern das Leben manchmal schwer machen: An vielen Stellen im deutschen Straßennetz ist Wasser in Fahrbahnbeläge eingedrungen, hat sich bei Frost ausgedehnt und dadurch die Fahrbahn aufgebrochen bis hin zu zentimetertiefen Schlaglöchern.
Kaputte Alufelgen, ausgeschlagene Stoßdämpfer, Achsbrüche oder abgerissene Auspufftöpfe können die Folge sein, wenn man als Autofahrer die unliebsame Bekanntschaft mit einem Schlagloch macht. Aber auch Fußgänger oder Fahrradfahrer können zu Fall kommen und körperliche Schäden davontragen.
Bundesweit sind Autofahrer empört, prangern Medien und Verantwortliche der Bauindustrie die mangelnde Instandhaltung von Straßen während der letzten Jahre an. Leere Kassen führten dazu, dass bundesweit bei der Unterhaltung von Straßen gespart wurde. Dies rächt sich vor allem jetzt, wenn nach der Frostperiode der letzen Wochen zu den ohnehin schon bestehenden Straßenschäden weitere hinzukommen.
Sucht man als Geschädigter nach einem Verantwortlichen, dem gegenüber man Schadensersatzansprüche geltend machen kann, drängt sich der jeweilige Straßenbaulastträger auf. Für die Bundesfernstraßen ist dies an sich der Bund. Da diese jedoch im Auftrag der Länder verwaltet werden, sind insofern die Länder zuständig, ebenso wie für die Staatsstraßen. Straßenbaulastträger für die Kreisstraßen sind die Landkreise beziehungsweise kreisfreien Gemeinden, für die Gemeindestraßen die jeweiligen Gemeinden.
Es kommt darauf an: Haftung je nach Art der Straße
Und in der Tat hat die Rechtsprechung in solchen Fällen schon mehrfach Ansprüche aus § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht anerkannt. Doch die Gerichte ziehen auch deutliche Grenzen der Haftung.
Die Verkehrssicherungspflicht für Straßen umfasst die Pflicht, den Verkehrsteilnehmer gegen unvermutete, sich aus der Beschaffenheit der Straße ergebende und nicht ohne Weiteres erkennbare Gefahrenquellen zu sichern oder zumindest vor diesen zu warnen. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird dabei vor allem durch die Art und Häufigkeit der Benutzung der Straße und ihre Verkehrsbedeutung bestimmt.
So muss man also zum Beispiel nicht nur bei einem Feldweg mit Unebenheiten rechnen (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschl. v. 09.09.2010, Az. 1 U 2974/10), sondern auch allgemein bei untergeordneten Straßen, die durch landwirtschaftliches Gebiet führen (Landgericht (LG) Coburg, Urt. v. 29.08.2008, Az. 13 O 17/18). Auf einer stark befahrenen innerörtlichen Straße dagegen muss man sich nicht auf ein 8 cm tiefes und 30 cm breites Schlagloch einstellen.
Das OLG München sprach daher einem Fahrradfahrer, der durch ein solches Loch zu Fall kam, mit Urteil vom 22. Juli 2010 Schadensersatzansprüche zu (Az. 1 U 1710/10). Wegen der Gefährlichkeit des konkreten Schlaglochs ging das Gericht davon aus, dass der Straßenbaulastträger verpflichtet gewesen wäre, das provisorisch mit Kaltmischgut aufgefüllte Schlagloch in einem Abstand von drei bis vier Tagen regelmäßig zu kontrollieren, da solche Provisorien innerhalb kürzester Zeit wieder aufbrechen können. Für die Autobahn A 42, eine der meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands, nahm das LG Bochum sogar eine tägliche Kontrollpflicht an (Urt. v. 24.07.2009, Az. 5 O 182/08).
Das OLG Hamm entschied, dass sich die Verkehrssicherungspflicht für die Fahrbahn an den Anforderungen des Fahrzeugverkehrs ausrichten muss. Die Klage eines Fußgängers, der durch ein Schlagloch auf einer Straße zu Fall gekommen ist, wies es daher ab (Oberlandesgericht Hamm, Urt. v. 25.5.2004, Az. 9 U 208/03).
Warnschilder genügen nicht
Das Aufstellen von Warnschildern allein reicht nicht aus, um den verkehrssicheren Zustand einer Straße zu gewährleisten. Eine Beschilderung genügt nur dann, um jedenfalls vorläufig die gebotene Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen,, wenn eine nachhaltige Beseitigung der Gefahrenstelle mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht werden kann (OLG Saarbrücken, Urt. v. 03.11.2009, Az. 4 U 185/09). Im Übrigen kann der Verkehrssicherungspflichtige sich bei erheblichen Schäden an der Fahrbahn seiner Verantwortung nicht durch allgemeine Warnschilder entziehen (OLG Koblenz, Urt. v. 03.03.2008, Az. 12 U 1255/07).
Auf der anderen Seite erachtete das Thüringer OLG aber auch bei einer stark befahrenen Straße eine Kontrolldichte in Intervallen von weniger als zwei Wochen als unzumutbar für den Straßenbaulastträger.
Gleichzeitig betonten die Richter das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO), das dem Fahrer aufgibt, sich jederzeit auf Fahrbahnhindernisse einzustellen und mit ihnen zu rechnen (Urt. v. 24.06.2009, Az. 4 U 67/09).
Mitverschulden des Autofahrers
Verstößt ein Autofahrer gegen das Sichtfahrgebot, kann ihm ein Mitverschulden nach § 254 BGB angelastet werden. Jedenfalls, wenn er nicht uneingeschränkt auf einen ebenen Fahrbahnbelag vertrauen durfte, kann also sein Schadensersatzanspruch gegen den Straßenbaulastträger gekürzt werden, selbst wenn dieser seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.
Bei der Haftungsabwägung nach § 254 BGB kann dem Fahrzeughalter außerdem die Betriebsgefahr des Fahrzeugs anzulasten sein, so das Thüringer OLG in dem angeführten Urteil.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Haftung bei Schlaglochschäden sehr stark einzelfallbezogen ist. Je mehr ein Autofahrer mit einem ebenen Fahrbahnbelag rechnen durfte (so vor allem auf besonders viel befahrenen Straßen), desto größer sind seine Chancen auf Schadensersatz.
Andererseits steigt die Mitverantwortung des Autofahrers, je mehr die Thematik in den Medien diskutiert und damit das allgemeine Problembewusstsein für mangelhafte Straßen gerade nach Frostperioden geschärft wird.
Zur Beweissicherung empfiehlt es sich in jedem Fall, Fotos von dem Schlagloch und der unmittelbaren Umgebung zu machen.
Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt an der Waldnaab und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.
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Alfred Scheidler, Frostbedingte Straßenschäden: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2350 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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