Nach einem Aufruf Selenskyis schließen sich Freiwillige aus aller Welt einer "Internationalen Legion" an. Auch Deutsche. Machen sie sich strafbar? Und was droht den Freiwilligen bei Gefangenschaft?
"Wenn Sie Kampferfahrung in Europa haben, können Sie zu uns kommen und mit uns Europa verteidigen.", so der Aufruf des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi am vergangenen Freitag. Der Außenminister der Ukraine Dmytro Kuleba erklärte am 27. Februar 2022 die Gründung der "Internationalen Territorialverteidigungslegion der Ukraine". Auch über Twitter lud er Personen ein, sich über die jeweilige Botschaft der Ukraine zu bewerben.
Diversen Medienberichten zufolge fanden die Aufrufe Gehör. Der SRF berichtet, dass 120 ehemalige Fallschirmjäger der britischen Armee auf dem Weg in die Ukraine sind. Letten, Dänen, Japaner und Kanadier sollen angeblich bereits in der Ukraine kämpfen, aus 16 Ländern seien bereits über 1.000 Freiwillige in die Ukraine gekommen, so die nicht überprüfbare Aussage des ukrainischen Außenministers vom 2. März. Nach einer Rechere des Business Insider planen auch Bundeswehr-Reservisten einen Kriegseinsatz als Fremdenlegionäre in der Ukraine. Auch Neonazis rekrutieren nach einem Bericht der Zeit für den Krieg in der Ukraine. Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums sind auch Deutsche bereits vereinzelt in die Ukraine ausgereist.
In Deutschland nur das Anwerben, nicht aber Kämpfen im Ausland strafbar
Die Strafbarkeit des Kämpfens für einen ausländischen Staat ist international sehr unterschiedlich geregelt. In einigen Ländern steht es unter Strafe, wie etwa der Schweiz. Staaten wie Dänemark, Großbritannien und Lettland haben ihren Bürgern explizit erlaubt, in die Ukraine zu ziehen und für das Land zu kämpfen.
In Deutschland gibt es keine Strafnorm, die unmittelbar das Kämpfen in einem bewaffneten Konflikt im Ausland unter Strafe stellt. Nach § 109h Strafgesetzbuch (StGB) wird nur das Anwerben eines Deutschen zum Militärdienst sowie das Zuführen zu einer fremden Streitkraft bestraft. Vor diesem Hintergrund dürften sich der ukrainische Präsident und der Außenminister nach deutschem Recht strafbar gemacht haben, wenn keine Rechtfertigungsgründe greifen und wegen des auch in Deutschland abrufbaren und auch an Deutsche gerichteten Twitter-Appels eine inländische Tat nach § 9 Abs. 1 Var. 3, 4 StGB (Erfolgsort) angenommen wird*. Wer jedoch ins Ausland aufbricht, um dort zu kämpfen, macht sich nicht nach § 109h StGB strafbar.
Allerdings können andere Straftatbestände eine Rolle spielen. Wer sich als Söldner oder Freiwilliger ins Ausland begibt, um dort zu kämpfen, kann in bestimmten Fällen wegen Bildung oder Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129b StGB bestraft werden. So hatte etwa vergangenes Jahr der Generalbundesanwalt zwei ehemalige Bundeswehrangehörige festgenommen, die mutmaßlich eine Kampfgruppe im Jemen bilden wollten, um sich auf Seiten der saudi-arabischen Regierung am Jemen-Konflikt zu beteiligen. § 129b StGB verlangt die Bildung einer Gruppe, die auf die Begehung von schweren Straftaten, wie etwa Mord oder Totschlag, ausgerichtet ist.
Tötung nach den Regeln des Kriegsrechts ist kein Mord
Genau hier liegt dann auch die entscheidende Abgrenzung gegenüber Personen, die sich einer regulären Streitkraft wie der Ukraine anschließen. Denn wer als Kombattant einer Streitmacht im Krieg andere Soldaten unter Beachtung des Kriegsrechts tötet, begeht keinen Mord oder Totschlag, sondern kann nach freilich umstrittener Auffassung einen völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrund einer "Schädigungsbefugnis" beanspruchen. So erlaubt etwa Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Krieg Tötungen infolge rechtmäßiger Kriegshandlungen. Was eine rechtmäßige Kriegshandlung ist, wird wiederum völkerrechtlich im Genfer Abkommen geregelt. Nach der Logik des Rechts ist also ein staatlicher Militärverbund deswegen nicht als terroristische Vereinigung einzustufen, weil die Tötungshandlungen ihrer Kombattanten völkerrechtlich legitimiert sein können, wenn Kriegsrecht beachtet wird. Kombattant ist indes nur, wer sich tatsächlich in die Militärorganisation eingliedert und ihr untersteht.
Diese Unterscheidung der rechtlichen Einstufung des Tötens wirkt auf den ersten Blick befremdlich, kann aber begründet werden. Aus Sicht des humanitären Völkerrechts müsse sichergestellt sein, dass der Staat seine Kräfte dazu anhalten kann, das humanitäre Völkerrecht zu achten, etwa Zivilisten zu schonen, sagt Völkerrechtlicher Simon Gauseweg von der Europa-Universität Viadrina gegenüber LTO. Bei Kämpfern "auf eigene Faust" sei das nicht gegeben. Angehörige der "Internationalen Legion" dürften hingegen als Kombattanten zu qualifizieren sein, wenn sie eine für ihre Untergebenen verantwortliche Person an ihrer Spitze haben, ein bleibendes und von weitem erkennbares Unterscheidungszeichen führen, ihre Waffen offen tragen und bei ihren Kampfhandlungen das humanitäre Völkerrecht achten, so Gauseweg unter Hinweis auf die Haager Landkriegsordnung von 1918 (Art. 1) und das das Genfer Abkommen über Kriegsgefangene von 1949 (Art. 4A Abs. 1, 2 III.) Allerdings riskiert ein Deutscher nach § 28 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn er für die Ukraine kämpft und zugleich die Staatsbürgerschaft der Ukraine besitzt.
Bundesregierung sieht keine Strafbarkeit
Zusammenfassend gilt somit, wer sich tatsächlich den ukrainischen Streitkräften anschließt und in die Befehlsgewalt unterordnet, macht sich nach deutschem Recht nicht strafbar, wer hingegen auf eigene Faust kämpft oder ein nichtstaatliches Bataillon gründet oder sich einem solchen anschließt, kann sich wegen Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung strafbar machen. Denn in diesem Fall sind Tötungshandlungen nicht durch das Kriegsrecht gerechtfertigt und damit als Mord oder Totschlag zu bewerten, wenn keine Notwehrsituation vorliegt.
So sieht auch die Bundesregierung die Rechtslage. Deutsche, die offiziell der ukrainischen Armee beitreten, machten sich im Krieg nur strafbar, wenn sie gegen das Völkerrecht verstoßen, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Innen-, Justiz- und Außenministerium gegenüber dem ZDF. Die Bundesregierung will ihre Bürger auch grundsätzlich nicht daran hindern, zum Kämpfen in die Ukraine zu fahren. Deutsche dürften am Krieg teilnehmen, auch für Russland, sagte das Innenministerium dem Tagesspiegel. Doch die Ausreise von Extremisten wolle man verhindern.
Russland will ausländische Kämpfer schlechter als Kriegsgefangene behandeln
Die russische Regierung reagierte auf die Internationale Legion mit warnenden Worten. "Söldner" seien nach dem Kriegsvölkerrecht nicht als Kriegsgefangene zu verstehen, hebt das Militär hervor und droht, "das Beste, was sie erwartet", seien Strafverfahren.
Zum Hintergrund: Wer als Soldat in Kriegsgefangenschaft gerät, dem droht kein Strafverfahren. Kriegsgefangenschaft ist präventiv, nicht repressiv. Sie soll weitere Kampfhandlungen der Gegner verhindern, aber nicht bestrafen. Daher müssen Kriegsgefangene am Ende des Konflikts wieder freigelassen werden. Die Einschätzung der russischen Regierung, ausländische Kämpfer bestrafen zu dürfen, ist jedoch rechtlich nicht haltbar, meint Völkerrechtler Gauseweg. Wer sich den ukrainischen Streitkräften unterstellt, sei als Kombattant einzustufen, womit die Rechte der Kriegsgefangenschaft aus der III. Genfer Konvention gelten, welche detailliert Pflichten und Rechte von Kriegsgefangen regelt.
Kriegsgefangene müssen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden. Jedes vorsätzliche Töten von Kriegsgefangenen, jede Misshandlung oder Folter, jedes vorsätzliche Verursachen von schlimmen Leiden, jede ernsthafte Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder jede Verweigerung des Rechts auf ein faires Verfahren, stellt ein Kriegsverbrechen dar.
* Dieser Satz wurde am 6. März um einen Hinweis zum möglichen Vorliegen einer Inlandstat ergänzt.
Deutsche im Ukraine-Krieg: . In: Legal Tribune Online, 04.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47735 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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