Die Regelungen zur Grundvergütung im nicht mehr unmittelbar geltenden BAT verstoßen gegen EU-Recht, weil sie die Höhe an das Alter knüpfen. In einem Urteil stellt der EuGH jedoch auch klar, dass die Überleitungsbestimmungen zum neuen TVöD diskriminierungsfrei sind – ein Ansporn auch für andere Arbeitgeber, ihr System schnellstmöglich umzustellen. Von Tobias Grambow.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte zwei Fälle zu entscheiden, in denen es um die Rechtmäßigkeit des Vergütungssystems des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) ging. Der BAT sah nämlich eine Eingruppierung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Abhängigkeit vom Lebensalter vor: Je höher das Lebensalter, desto höher die Lebensaltersstufe und damit die Vergütung. Dadurch wurden jüngere Arbeitnehmer benachteiligt.
Die Luxemburger Richter entschieden nun, dass diese Benachteiligung eine unzulässige Diskriminierung darstellt. In einem der beiden Verfahren stellte das Gericht jedoch auch klar, dass durch die Überleitung der Mitarbeiter aus dem BAT in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zum 1. Oktober 2005 diese Altersdiskriminierung durch „Heilung“ beendet werden konnte (Urt. v. 08.09.2011, Rechtssache C-297/10 und C-298/10).
TVöD differenziert zu Recht nach Berufserfahrung, nicht nach Alter
Zur Begründung führt der EuGH aus, es sei weder ersichtlich, dass ältere Mitarbeiter ein höheres Einkommen als jüngere benötigten, noch dass mit einem fortgeschrittenen Lebensalter auch notwendig eine höhere Berufserfahrung einhergeht. Folge dieser Einschätzung wäre, dass jüngere Beschäftigte im Anwendungsbereich des BAT grundsätzlich eine Eingruppierung in die jeweils höchste Lebensaltersstufe beanspruchen könnten.
Allerdings – und das erkennt auch der EuGH – haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes mit Schaffung des TVöD von diesem Eingruppierungssystem bewusst Abstand genommen und knüpfen bei der Eingruppierung nun verstärkt an die Berufserfahrung des jeweiligen Mitarbeiters an. Dies wiederum stellt nach Ansicht des Gerichtshofs eine legitime Differenzierung zwischen den Beschäftigten dar. Die Regelungen zur Vergütung nach dem TVöD seien daher nicht altersdiskriminierend.
Als dritte Regelung nahm sich der EuGH den Überleitungsvertrag (TVÜ) vor, der Mitarbeiter, die bisher nach dem BAT vergütet wurden, in den TVöD überführt hat. Nach TVÜ erhielt jeder der Beschäftigten ein individuelles Vergleichsentgelt in Höhe seiner bisherigen Vergütung. Dieses entsprach noch nicht der endgültigen, regulären Vergütungsstufe in dem neuen Vergütungssystem. Die Neueinstufung in die nächst höhere reguläre Stufe des Vergütungssystems des TVöD erfolgte erst zwei Jahre später.
Diese Überleitung in den TVöD erfolgte jedoch auf Basis der Vergütung, die der Mitarbeiter aufgrund seiner individuellen Lebensaltersstufe nach dem BAT erhielt, auch wenn dies diskriminierend war. Dass dieses Eingruppierungssystem wie nun vom EuGH festgestellt hinsichtlich der Lebensaltersstufen rechtswidrig ist, haben die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nicht berücksichtigt.
Die Ungleichbehandlung zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern im Vergütungssystem des BAT setzt sich so rein faktisch für die übergeleiteten Mitarbeiter auch im TVöD fort.
Ohne Überleitung hätten Einkommenseinbußen gedroht
Hätte der EuGH auch diese Überleitung als Altersdiskriminierung gewertet, wäre auf die öffentlichen Arbeitgeber wegen möglicher Nachzahlungsforderungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zugekommen. Die Luxemburger Richter entschieden jedoch, dass die Überleitungsregelungen des TVÜ im Hinblick auf das Lebensalter diskriminierungsfrei sind.
Zwar setze sich hier in der Tat eine Ungleichbehandlung fort. Allerdings stelle das Bemühen der Tarifparteien, das rechtswidrige und diskriminierende Vergütungssystem des BAT durch ein neues diskriminierungsfreies System zu ersetzen, einen legitimen Zweck dar, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt. Durch das neue System würden die diskriminierenden Auswirkungen aus dem bisherigen Eingruppierungssystem schrittweise verschwinden.
Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang auch auf Aussagen der Bundesregierung hin. Demnach hätten 55 Prozent der im öffentlichen Bundesdienst nach BAT vergüteten Mitarbeiter ohne dieses Überleitungssystem eine monatliche Einkommenseinbuße von durchschnittlich 80 Euro erlitten. Dieses Ergebnis habe durch den TVÜ vermieden werden können; die Überleitungsregelungen verfolgten daher auch aus diesem Grund einen legitimen Zweck.
EuGH-Urteil gilt auch für manche nicht-öffentliche Arbeitgeber
Das Ergebnis des EuGH-Urteils lässt sich auch auf die Mitarbeiter in den Kommunen sowie auf diejenigen in den einzelnen Ländern übertragen. In den Bundesländern gilt in der Regel seit 2006 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der dort den BAT abgelöst hat. Die Länder Berlin und Hessen wenden gesonderte Tarifverträge an, die den BAT zu späteren Zeitpunkten abgelöst haben, aber in wesentlichen Aspekten den Regelungen des TV-L entsprechen.
Unternehmen außerhalb des öffentlichen Dienstes, die den BAT über eine Klausel in den Arbeitsverträgen anwenden und eine Überleitung in den TVöD oder TV-L nicht vorgenommen haben, sollten sich zügig darum kümmern, ein tarifliches Vergütungssystems zu schaffen, das nicht nur neu, sondern auch diskriminierungsfrei ist.
Der Autor Tobias Grambow ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Buse Heberer Fromm Rechtsanwälte Steuerberater PartG in Berlin.
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EuGH-Urteil zum öffentlichen Dienst: . In: Legal Tribune Online, 19.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4327 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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