Gasversoger dürfen auch mit Sonderkunden Preisanpassungen vereinbaren. Allerdings muss klar sein, wann und in welchem Umfang die Preise erhöht werden. Ein bloßer Verweis auf gesetzliche Vorschriften genügt im Einzelfall nicht, entschied der EuGH am Donnerstag. Ob Kunden nun Geld zurückbekommen, müssen die nationalen Gerichte entscheiden, meint Hans-Christoph Thomale.
Gasversorger dürfen gesetzliche Regelungen über die einseitige Erhöhung von Preisen nicht ohne weiteres auf Sonderkunden übertragen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs (BGH) hin (Urt. v. 21.3.2012, Az. C-92/11).
In Deutschland müssen Gasversorger sogenannte Tarif- bzw. Haushaltskunden nach gesetzlich abgesicherten Standardbedingungen mit Gas versorgen. Sondertarife mit anderen Bedingungen sind aber erlaubt und werden meist abgeschlossen, wenn die Konditionen für den Kunden günstiger sind.
Verbraucherzentrale hält Klauseln für unwirksam
Der Essener Energieversorger RWE hatte in seinen Verträgen für Sonderkunden Preisanpassungsklauseln verwendet, die auf § 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden verwiesen. Unmittelbar gilt diese Verordnung – wie ihr Name sagt – nur für Tarifkunden, nicht aber für Sonderkunden.
Die Preisanpassungsklausel erlaubt es dem Versorger, die Gaspreise einseitig zu ändern. Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Anpassung ergeben sich jedoch nicht unmittelbar aus der Klausel. RWE benachrichtigte seine Kunden allerdings vor einer Preisänderung über diese und gewährte ihnen ein Kündigungsrecht.
Die Verbraucherzentrale NRW hält diese Klausel für unwirksam und ließ sich potentielle Rückzahlungsansprüche von 25 Kunden abtreten, um den Gasversorger verklagen zu können.
Die Karlsruher Richter wollten nun wissen, ob die EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen auch für Sonderverträge gilt und die Klauseln damit einer Missbrauchskontrolle zu unterziehen seien. Außerdem fragten sie, ob nicht klar und verständlich formulierte Preisanpassungsklauseln, dadurch geheilt werden, dass den Kunden ein Kündigungsrecht eingeräumt werde.
Gasversorger haben berechtigtes Interesse an Preisanpassungen
Nationale Vorschriften unterliegen grundsätzlich keiner Missbrauchskontrolle, so der EuGH. Denn man könne davon ausgehen, dass der nationale Gesetzgeber eine angemessene und ausgewogene Regelung treffen möchte. Dies gelte jedoch nicht für den Fall, dass – wie bei den RWE-Verträgen – eine gesetzliche Klausel außerhalb ihres eigentlichen Geltungsbereiches verwendet wird.
Im Hinblick auf die Anforderungen an Preisanpassungsklauseln betonte der EuGH ein berechtigtes Interesse der Energieversorger daran, bei unbefristeten Verträgen die Preise während der Vertragslaufzeit ändern zu können. Allerdings müssten Klauseln, die eine solche einseitige Preisanpassung ermöglichen, ausgewogen und transparent formuliert werden. Der Kunde muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang sich die Preise verändern können, und dazu berechtigt sein, im Zweifel den Vertrag zu kündigen.
Nach Ansicht des höchsten EU-Gerichts reicht dafür nicht aus, dass der Gasversorger in seinen Verträgen auf gesetzliche Vorschriften verweist. Vielmehr müsse der Kunde bereits vor Vertragsschluss über die Voraussetzungen und den Umfang einer einseitigen Preisänderung informiert werden. Alles andere wäre unangemessen. Daran könne auch ein Kündigungsrecht des Kunden nichts ändern. Ob die vom EuGH skizzierten Voraussetzungen an Preisanpassungsklauseln im Einzelfall eingehalten werden, muss nun von den nationalen Gerichten festgestellt werden.
Wirkungen des EuGH-Urteils könnten doch zeitlich beschränkt sein
Die deutsche Regierung und RWE hatten in dem Verfahren auf die schwerwiegenden finanziellen Folgen verwiesen, die sich aus einem solchen Urteil ergeben könnten, und hatten deshalb beantragt, die Entscheidung nur für die Zukunft wirken zu lassen. Diesem Anliegen ist der EuGH nicht gefolgt. Eine zeitliche Beschränkung sei nur zulässig, wenn das Unternehmen die Klausel in gutem Glauben verwendet hätte und zudem eine schwerwiegende Störung des Vertragsverhältnisses drohte. Es obliegt ebenfalls den nationalen Gerichten, dies im Einzelfall festzustellen. Eine pauschale Beurteilung sei nicht möglich.
Aus dem Urteil des EuGH werden Sonderkunden unmittelbar keine Zahlungsansprüche ableiten können. Vielmehr müssen nunmehr erst die nationalen Gerichte die jeweiligen Rechtsstreitigkeiten um die Wirksamkeit von gesetzlichen Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen unter Berücksichtigung des Luxemburger Urteils entscheiden. Im Fall der RWE-Verträge ist nun der BGH wieder an Reihe. Aufgrund der klaren Vorgaben des EuGH wird die Rechtmäßigkeit der Verwendung der gesetzlichen Preisanpassungsklausel in Gassonderverträgen vom BGH jedoch nur schwer bejaht werden können.
Dabei werden die nationalen Gerichte gegebenenfalls auch die finanziellen Auswirkungen einer unwirksamen vertraglichen Preisanpassungsklausel prüfen müssen. Zu dem ist zu berücksichtigen, dass die Energieversorger die Klauseln vorliegend durchaus in gutem Glauben verwendet haben; hatte der BGH in der Vergangenheit die Verwendung von gesetzlichen Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen für rechtmäßig gehalten (vgl. u.a. BGH Urt. v. 15.07.2009, Az. VIII ZR 56/08). Im Einzelfall könnten die Wirkungen des EuGH-Urteils dann also doch zeitlich beschränkt werden. Alternativ könnten die Gerichte ein Preisanpassungsrecht aus ergänzender Vertragsauslegung erwägen.
Der Autor Dr. Hans-Christoph Thomale ist Rechtsanwalt bei FPS Rechtsanwälte & Notare in Frankfurt.
EuGH hält RWE-Gaspreisklauseln für missbräuchlich: . In: Legal Tribune Online, 22.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8383 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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