Steuerrechtliche Privilegierung von Printprodukten: Die Gene­ral­an­wältin steuert analog

von Johannes Klostermann

09.09.2016

2/2: Lesen und Bildung: längst nicht mehr nur aus Büchern

In der Mehrwertsteuerrichtlinie werden alle digital vertriebenen Dienstleistungen von jeglichen Privilegierungen ausgenommen. Die Generalanwältin rechtfertigt diesen pauschalen Ausschluss und argumentiert, dass die einfachere Behandlung des Tatbestands durch die Steuerbehörden ein legitimes Ziel sei. Dabei misst sie dem Sinn der Privilegierung, Lesen und Bildung zu fördern, ein zu geringes Gewicht bei.

Versteht man diesen Zweck in einem zeitgemäßen Sinn, geht es nicht nur um klassische Nutzungsformen, sondern auch um das Experimentieren mit Formen und Inhalten. Kaum etwas ist heute spannender als der Bereich interaktiver oder multimediale Inhalte oder die Integration in Apps, die klassische Wahrnehmungsformen des Lesens erweitern.

Die fehlende Mehrwertsteuerprivilegierung erschwert die Entwicklung neuer, rein digitaler Inhalteformate. Da ein Verleger für ein rein digitales Produkt eine geringere Marge einkalkulieren muss, wird er im Zweifel eine Mischkalkulation eröffnen wollen, bei der er die Idee des Autors sowohl in gedruckter Form als auch digital an die Leser bringt. Das schränkt naturgemäß die Möglichkeiten der digitalen Nutzung ein, da die gedruckte Form Einschränkungen gegenüber der digitalen mit sich bringt. So können zum Beispiel multimediale Inhalte nicht eingebunden werden.

Letzte Hoffnung Gesetzgeber

Nun wird das Fehlen der Privilegierung nicht dazu führen, dass die Entwicklung neuer digitaler Inhalte zum Erliegen kommt. Ganz im Gegenteil hat die Verlagswelt in den vergangenen Jahren immer wieder erheblichen Mut zum Ausprobieren bewiesen. Fakt ist aber auch, dass bislang nur wenige Verlagshäuser ihre Inhalte zum Beispiel als Apps erfolgreich verkaufen.

Dies zeigt das Bedürfnis nach einem steuerlichen Anreiz bei der Entwicklung digitaler Inhalte. Mit der aktuell geltenden Regelung wird die Entwicklung deutlich gehemmt und konzentriert sich oft auf potente Marktteilnehmer.

Wenn der Europäische Gerichtshof den Schlussanträgen der Generalanwältin folgen sollte, schickte er Europa weiter auf einen Weg, der sicherlich nicht in die Zukunft führt. Es bleibt zu hoffen, dass die Anstrengungen vieler Verlage Erfolg haben werden, die Privilegierung auch fürdigitale Vertriebswege auf politischem Wege zu erreichen. Wenn es der EuGH nicht richtet, kann es nur noch der der europäische Gesetzgeber.

Der Autor Johannes Klostermann ist Leiter Publishing bei Wolters Kluwer Deutschland und Rechtsanwalt in Köln.

Zitiervorschlag

Johannes Klostermann, Steuerrechtliche Privilegierung von Printprodukten: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20540 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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