EuGH zum Onlinevertrieb von Bio-Erzeugnissen: Ver­trauen ist nur gut

von Dr. Christoph Naendrup, LL.M.

13.10.2017

3/3: Versandhandel fällt nicht unter die Ausnahmeregel

Das Fazit des EuGH ist nach alledem dann nicht mehr überraschend: Die gebotene enge Auslegung der Befreiungsmöglichkeit für Unternehmen, die Erzeugnisse im Sinne der Verordnung direkt an Endverbraucher oder -nutzer abgeben, widerspricht einer Auslegung dahingehend, dass der Onlinehandel als solcher - und mit ihm dann auch der gesamte Versandhandel - von dieser Befreiungsmöglichkeit profitieren könnte. Dies gelte auch und insbesondere dann, wenn – was anzunehmen sein dürfte – der Onlinehandel auch für diesen Produktbereich künftig immer wichtiger werden wird.

Abschließend setzt sich der EuGH noch mit einer Überlegung des BGH auseinander. Der hatte die Frage aufgeworfen, ob der Verbraucher, der vor Ort unmittelbar im Ladengeschäft einkaufe, tatsächlich bessere Kontrollmöglichkeiten hat als der Onlinekunde.

Nach Auffassung des EuGH kommt es darauf jedoch nicht an. Die in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung vorgesehene Befreiung beruhe nicht auf diesen Erwägungen. Sie ziele vielmehr darauf ab, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Eine Ausnahme sei zuzulassen, wenn sie auf die Fälle beschränkt ist, in denen die Anwendung der Melde- und Kontrollvorschriften als unverhältnismäßig angesehen werden könnte.

Risiken von Umetikettierung, Vertauschen und Kontaminierung

Der EuGH kann nicht erkennen, dass die Anwendung der Verordnung unter dieser Prämisse auf den Online- oder Versandeinzelhandel ungerechtfertigt ist. Die Lagerung der Erzeugnisse – in der Regel in nicht geringen Mengen – und die Auslieferung durch zwischengeschaltete Dritte berge ein Risiko der Umetikettierung, des Vertauschens und der Kontaminierung, das nicht als generell gering eingestuft werden könne.

Daher meint "direkt" im Sinn der Befreiungsmöglichkeit nach der Auffassung des EuGH nur Verkäufe, die unmittelbar zwischen Verkäufer und Endverbraucher bei gleichzeitiger Anwesenheit des Verkäufers oder seines Personals und des Käufers stattfinden. Der Online- und Versandhandel ist damit "raus".

Die Entscheidung des EuGH überzeugt. Man mag bedauern, dass dem Onlinehandel die Befreiungsmöglichkeit versagt wird – auf der anderen Seite wäre kaum zu erklären, warum gerade der E-Commerce im zukunftsträchtigen Öko-/Biobereich sich mit Blick auf die Rückverfolgbarkeit bzw. die zutreffende Kennzeichnung der verkauften Produkte nicht den auch für den stationären Handel geltenden Kontrollpflichten unterwerfen müsste.

Der Autor Dr. Christoph Naendrup, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln. Schwerpunkte seiner Beratung liegen im Kartell- sowie im Handels- und Vertriebsrecht.

Zitiervorschlag

EuGH zum Onlinevertrieb von Bio-Erzeugnissen: . In: Legal Tribune Online, 13.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25007 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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