EuGH zum Onlinevertrieb von Bio-Erzeugnissen: Ver­trauen ist nur gut

von Dr. Christoph Naendrup, LL.M.

13.10.2017

2/3: Die Bedeutung von "direkt"

Der BGH musste nun entscheiden: Unterlag der von der Wettbewerbszentrale auf Unterlassung in Anspruch genommene Onlinehändler von "Bio-Gewürzen" der Pflicht, auch sein Unternehmen einem Kontrollsystem zu unterwerfen oder kann er sich auf die Ausnahmevorschrift berufen, weil er die Produkte "direkt" an Endverbraucher verkauft?

Für den BGH lag die Lösung in der Auslegung des Wortes "direkt" – was aber meint das? Die Karlsruher Richter haben im Wesentlichen zwei mögliche Auslegungen identifiziert. Einmal lasse sich nach Auffassung des BGH vertreten, dass ein "direkter" Verkauf am Ort der Lagerung des Erzeugnisses unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Käufers erfolgen müsse. Nach dieser Auslegung fiele der Online-Handel ebenso wie andere Formen des Versandhandels nicht unter den Befreiungstatbestand des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 834/2007.

Es sei aber auch möglich, "direkt" so auszulegen, dass damit "nur" Verkäufe ausgeschlossen werden sollten, bei denen ein Zwischenhändler eingeschaltet werde. Welche dieser Auslegungen nun richtig ist, wollte der BGH vom EuGH wissen.

EuGH: Ausnahmeregeln sind eng auszulegen

Der EuGH näherte sich dem Problem zunächst ganz grundsätzlich. Er weist darauf hin, dass die in Bezug genommene Befreiungsmöglichkeit eine Ausnahme von der Regel schaffe, dass sich ein Unternehmen, das mit Bioerzeugnissen handelt, einem Kontrollsystem zur Sicherung der Rückverfolgbarkeit anschließen muss. Wie jede Ausnahmeregel sei auch diese Ausnahme per se eng auszulegen.

Der EuGH begründet diese Aussage ferner mit einem Verweis auf den Erwägungsgrund Nr.22 der Verordnung. In diesem heißt es, dass die Verordnung Ausnahmen zulassen solle, diese Ausnahmen allerdings "unbedingt auf die Fälle begrenzt sein" müssten, in denen ihre Anwendung gerechtfertigt erscheine.

Der EuGH weist zudem auf Erwägungsgrund Nr. 32 der Verordnung hin, der davon spricht, dass es „in einigen Fällen" als unverhältnismäßig erscheinen könnte, die Melde- und Kontrollpflichten der Verordnung "auf bestimmte Arten von Einzelhandelsunternehmen" zu erstrecken. Aus diesen Erwägungsgründen werde ebenfalls deutlich, dass die Ausnahmeregelungen nur für abgrenzbare, wenige Fälle zur Anwendung kommen sollten.

Auch inhaltlich hält der EuGH eine "enge" Auslegung der Ausnahmeregelung für geboten. So schließe der Begriff "direkt" ganz sicher jedenfalls jeden Verkauf unter Einschaltung weiterer Zwischenhändler aus. Dabei aber dürfe man nicht stehenbleiben. Vielmehr folge aus dem Zusammenhang sowie dem mit der Verordnung verfolgten Zweck, namentlich der Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit ökologisch/biologisch erzeugter Produkte über die Produktions- und Handelsstufen hinweg, sowie dem damit verfolgten Verbraucherschutz eine enge Auslegung.

Zitiervorschlag

EuGH zum Onlinevertrieb von Bio-Erzeugnissen: . In: Legal Tribune Online, 13.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25007 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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