Opfer von früherer Folter haben keinen Anspruch auf subsidiären Schutz. Anders wäre es nur, wenn das Herkunftsland die medizinische Hilfe absichtlich verweigerte, so der EuGH. Eine Abschiebung kann aber ausgeschlossen sein.
Die Gefahr, dass sein Gesundheitszustand sich verschlechtert, rechtfertigt es nicht, einem Drittstaatangehörigen subsidiären Schutz zu gewähren. Anders wäre das nur dann, wenn das Herkunftsland die medizinische Behandlung absichtlich verweigern würde, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag (Urt. v. 24.04.2018, Az. C-353/16).
Allerdings kann der Schutzsuchende nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht abgeschoben werden, wenn die Erkrankung im Herkunftsland nicht angemessen behandelt werden kann. Der EuGH schloss sich mit seinem Urteil den Schlussanträgen des Generalanwalts an.
Ein sri-lankischer Staatsangehöriger hatte in Großbritannien Asyl beantragt. Er sei als Mitglied der "Befreiungstiger von Tamil Eelam" von den sri-lankischen Sicherheitskräften inhaftiert und gefoltert worden und laufe bei einer Rückkehr nach Sri Lanka Gefahr, erneut misshandelt zu werden.
Die britischen Behörden lehnten Asyl und subsidiären Schutz ab. Die drohende Gefahr bei einer Rückkehr sei nicht nachgewiesen. Im späteren Gerichtsverfahren belegten ärztliche Zeugnisse Narben von in Sri Lanka erlittener Folter. Zudem hat der Mann eine posttraumatische Belastungsstörung und ist depressiv. Auch das angerufene Upper Tribunal verweigerte jedoch subsidiären Schutz, sprach aber ein Abschiebeverbot nach der EMRK aus. Der Supreme Court legte den Fall dem EuGH vor.
Verschlechterung der Gesundheit keine unmenschliche Behandlung
Die Richter in Luxemburg bestätigten nun die Rechtsauffassung des Gerichts. Frühere Folter allein begründe keinen Anspruch auf subsidiären Schutz. Den erhält nach der Richtlinie 2004/83, wem in seinem Herkunftsland ernsthafte Gefahren wie die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Wenn stichhaltige Gründe gegen die Gefahr einer erneuten oder weiter bestehenden Verfolgungslage sprechen, bestehe der Schutzanspruch nicht, so der EuGH.
Der Gesundheitszustand des Mannes sei zwar ein relevanter Aspekt, doch eine erhebliche Verschlimmerung könne für sich genommen nicht als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in seinem Herkunftsland angesehen werden.
Der Mann leide jedoch nach wie vor an schwerwiegenden psychischen Folgeschäden der damaligen Folterhandlungen. Diese würden sich bei einer Rückkehr deutlich verschlechtern und es bestünde die Gefahr eines Suizids, stellten die Richter am EuGH fest. Seine Abschiebung würde daher eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellen und wäre mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCh), die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, nicht vereinbar. Zu diesem Schluss war auch schon das britische Gericht gekommen, wenn es auch nicht mit der Charta, sondern mit der EMRK argumentierte.
Das nationale Gericht muss nun anhand aller aktuellen und relevanten Informationen - insbesondere der Berichte internationaler Organisationen und von Nichtregierungsorganisationen, die sich mit dem Schutz der Menschenrechte befassen - prüfen, ob die Gefahr besteht, dass dem Mann die medizinische Behandlung absichtlich verwehrt wird.
Tanja Podolski, EuGH verweigert subsidiären Schutz: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28255 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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