EuGH rügt Übergangsregelungen im Glücksspielrecht: Ein Pyr­r­hus­sieg für Online-Sport­wet­t­an­ge­bote

von Prof. Dr. Markus Ruttig

11.02.2016

Kaum hatte der EuGH sein Urteil in Sachen Ince verkündet, standen für die meisten Kommentatoren die Gewinner fest: die privaten Glücksspielunternehmen. Dabei gilt das für die Online-Wettanbieter gerade nicht, meint Markus Ruttig.

So manch einer meinte, schon vor der Urteilsverkündung am 4. Februar gewusst zu haben, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem deutschen Glücksspielrecht insgesamt, zumindest aber mit dem inländischen Vergabeverfahren für Sportwetten-Erlaubnisse aufräumen würde.

Zu einem solch Großreinemachen ist es natürlich nicht gekommen. Und das liegt nicht nur daran, dass Entscheidungen aus Luxemburg sich zumeist recht sperrig lesen. Ein Grund dafür ist auch, dass der EuGH weder den Sachverhalt kontrolliert, den ihm das vorlegende Gericht mitteilt, noch die nationale Rechtslage überprüft. Die Richter unterstellen vielmehr als richtig, was ihnen in der Vorlage übermittelt wird.

Der vom vorlegenden Amtsgericht (AG) Sonthofen nicht sehr sorgfältig ermittelte Sachverhalt betraf zudem zwei unterschiedliche Zeiträume und damit verschiedene Rechtslagen. Extrem verkürzt wollte das AG vom EuGH wissen, ob bestimmte Regelungen des alten und des neuen Glücksspielstaatsvertrages eine Bestrafung von Sebat Ince nach § 284 Strafgesetzbuch (StGB) wegen der Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels hinderten. Denn diese Bestimmungen könnten gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV verstoßen. Frau Ince betreibt in Bayern eine sog. Sportsbar, ihr wird vorgeworfen, Sportwetten an einen österreichischen Veranstalter zu vermitteln, ohne eine Erlaubnis dafür zu haben. Für Ince wie für viele andere terrestrische Wettanbieter ist die Entscheidung ein Etappensieg. Für die unzählbaren Online-Wettanbieter nicht.

EuGH: Rechtswidriges Sportwettenmonopol nicht richtig repariert

Aufs Wesentliche reduziert antwortete der EuGH, dass die Dienstleistungsfreiheit es den deutschen Behörden sowohl nach der alten Rechtslage verboten hat, als auch nach der neuen verbietet, private Wirtschaftsteilnehmer deshalb zu bestrafen, weil sie ohne eine deutsche Erlaubnis Sportwetten anbieten (EuGH, Urt. v. 04.02.2016, Az. C 336/14).

Zur Begründung heißt es: In der Vergangenheit, also unter Geltung des Glücksspielstaatsvertrages 2008 (GlüStV2008), hinderte das für europarechtswidrig befundene deutsche Sportwettmonopol die Strafverfolgung. Doch auch nach dem GlüStV2012 darf nicht bestraft werden, wer terrestrisch, also in herkömmlichen Offline-Wett-Annahmestellen Sportwetten anbietet, ohne im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis zu sein.

Denn der Gesetzgeber habe, so der EuGH, das europarechtswidrige Sportwettenmonopol im neuen Gesetz nicht hinreichend repariert. Stattdessen habe er es über die Übergangsregelungen in § 29 GlüStV2012 einfach bis zum Ende des neu eingeführten Konzessionsverfahrens fortbestehen lassen.

Die bloße Möglichkeit des neuen deutschen Rechts, Erlaubnisse zu erteilen, reicht folglich nicht aus, um vor Abschluss des Erlaubnisverfahrens repressiv tätig zu werden. Insoweit kann  man durchaus von einem Sieg für die Glücksspielindustrie sprechen.

Zitiervorschlag

Markus Ruttig, EuGH rügt Übergangsregelungen im Glücksspielrecht: . In: Legal Tribune Online, 11.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18428 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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