Dextro Energy wollte seine Produkte mit Aussagen wie "Glucose unterstützt die normale körperliche Betätigung" bewerben. Damit scheiterte das Unternehmen nun auch vor dem EuGH – obwohl die Werbebotschaft unstreitig wahr ist.
Die Dextro Energy GmbH & Co. KG vertreibt in Deutschland und Europa Produkte, die nahezu vollständig aus Glucose bestehen. Im Jahr 2011 hatte das Unternehmen die Zulassung von fünf gesundheitsbezogenen Angaben zu Glucose beantragt. Zu den von dem Antrag umfassten "health claims" gehörten Angaben wie "Glucose wird im Rahmen des normalen Energiestoffwechsels verstoffwechselt." oder "Glucose unterstützt die normale körperliche Betätigung." Solche gesundheitsbezogenen Angaben dürfen Unternehmen nur mit einer entsprechenden Zulassung auf Produktetiketten oder in sonstiger Werbung auf dem europäischen Markt verwenden.
Im April 2012 gab die European Food Safety Authority (EFSA) ihre Stellungnahmen zu den Angaben ab und kam zu dem Ergebnis, dass auf der Grundlage der vorgelegten Daten ein Kausalzusammenhang zwischen der Aufnahme von Glucose und dem Beitrag zum Energiegewinnungsstoffwechsel nachgewiesen worden sei (EFSA Journal 2012;10(5):2694). Der wissenschaftliche Nachweis und die Bestätigung durch die EFSA sind eine Voraussetzung für die Zulassung gesundheitsbezogener Angaben.
EFSA bestätigt Glucose-Claims - aber Kommission lehnt ab
Trotz der positiven Bewertung durch die EFSA erließ die Europäische Kommission im Januar 2015 die Verordnung (EU) 2015/8, mit der sie die beantragten gesundheitsbezogenen Angaben ablehnte. Damit war die Nichtzulassung der Claims offiziell und entfaltete gesetzliche Wirkung.
Die Kommission begründete die Ablehnung mit einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 (HCVO), wonach gesundheitsbezogene Angaben nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein dürfen. Nach ihrer Ansicht sollten keine gesundheitsbezogenen Angaben gemacht werden dürfen, die den allgemein anerkannten Ernährungs- und Gesundheitsgrundsätzen zuwiderlaufen. Die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben zu Glucose würde jedoch ein widersprüchliches und verwirrendes Signal an die Verbraucher senden, da durch die Angaben zum Verzehr von Zucker aufgerufen würden, obwohl zugleich nationale und internationale Behörden aufgrund allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise eine Verringerung des Verzehrs empfehlen würden.
Dextro Energy wehrt sich
Dextro Energy wehrte sich gegen die Nichtzulassung im Klageverfahren vor dem Gericht der Europäischen Union (Erste Instanz) und begründete seine Klage damit, dass ein Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO) vorliege. Eine Nichtzulassung der Angaben sei rechtswidrig, da die EFSA eine positive Bewertung zu den Glucose-Claims abgegeben habe.
Im März 2016 wies das Gericht die Klage ab. Die Europäische Kommission müsse, anders als die EFSA, nicht nur den Ursache-Wirkungszusammenhang prüfen, sondern darüber hinaus auch alle einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts und sonstige legitime Faktoren bei ihrer Entscheidung miteinbeziehen. Die Kommission dürfe bei ihrer Entscheidung auch den Umstand berücksichtigen, dass die beantragten Angaben ein widersprüchliches Signal an die Verbraucher bedeuten würden, da die Angaben zum Verzehr von Zucker aufriefen, obwohl nationale und internationale Behörden die Verringerung des Zuckerkonsums empfählen (Rs. T-100/15).
Gegen diese Entscheidung legte Dextro Energy ein Rechtsmittel vor dem EuGH ein, um die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu erreichen. Dextro Energy berief sich hierbei auf einen Verstoß gegen Art. 18 Abs. 4 HCVO, wonach die Kommission über gesundheitsbezogene Angaben nach der günstigen wissenschaftlichen Bewertung durch die EFSA zu entscheiden hat. Das Unternehmen argumentierte, allgemein anerkannte Ernährungs- und Gesundheitsgrundsätze würden eine Ablehnung der Claims nicht rechtfertigten, wenn eine wissenschaftliche Absicherung als Hauptzweck vorliege.
Auch EuGH hält Angaben für unzulässig
Mit seinem Urteil vom heutigen Tag hat der EuGH das Rechtsmittel zurückgewiesen. Die Luxemburger Richter bestätigen, dass gesundheitsbezogene Angaben nicht gemacht werden dürfen, wenn sie den allgemein akzeptierten Ernährungs- und Gesundheitsgrundsätzen zuwiderlaufen, zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels verleiten, diesen gutheißen oder von vernünftigen Essgewohnheiten abbringen. Bei den allgemein akzeptierten Ernährungs- und Gesundheitsgrundsätzen handelt es sich – nach der Ansicht des höchsten europäischen Gerichts – um Faktoren, die die Europäische Kommission bei ihrer Entscheidung über gesundheitsbezogene Angaben berücksichtigen darf, da die Grundsätze der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus dienten (EuGH, Urt. v. 08.06.2017, Az. C-296/16 P).
Für Dextro Energy folgt aus dem Urteil, dass es gesundheitsbezogene Angaben zu Glucose auch weiterhin nicht verwenden darf. Der wissenschaftliche Beleg inklusive EFSA-Bestätigung hilft nicht. Für Lebensmittelunternehmer, die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben erwägen, bedeutet das Urteil, dass sie bei ihrer Entscheidung für oder gegen eine Antragstellung auch berücksichtigen sollten, ob Angaben in die allgemeine europäische Gesundheitspolitik passen. Zu Zucker waren bislang ausschließlich nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben sowie Angaben zu einem geringen Zuckergehalt zugelassen worden, beispielsweise "zuckerarm", "zuckerfrei", "ohne Zuckerzusatz" oder "Zuckerfreier Kaugummi trägt zur Erhaltung der Zahnmineralisierung bei". Angaben zu einem hohen Zuckergehalt finden sich in der Liste zugelassener Angaben nicht (siehe Register on Nutrition and Health Claims).
Die Autorin Dr. Christine Konnertz-Häußler, LL.M. ist Lebensmittelrechtsspezialistin und als Rechtsanwältin bei KWG Rechtsanwälte in Gummersbach tätig. Sie publiziert regelmäßig zu lebensmittelrechtlichen Themen.
Dextro Energy unterliegt vor EuGH: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23141 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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