Ohne Anreizeffekt keine Beihilfe – und auch nicht ohne Genehmigung durch die Europäische Kommission, bekräftigte das EuG. Ihre Leitlinien dürfe sie dabei flexibel handhaben. Das bedeutet eine Menge Macht, erklärt Ulrich Soltész.
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat das weite Ermessen der EU-Kommission bei der Genehmigung von Beihilfen bekräftigt (Urt. v. 12.09.2017, Az. T-671/14). Die von Deutschland für BMW vorgesehenen Beihilfen für die Herstellung von Elektroautos dürfen nicht in voller Höhe gewährt werden. Denn eine Beihilfe müsse noch Anreize geben, entschieden die Richter.
Deutschland hatte im Jahre 2010 eine Regionalbeihilfe in Höhe von rund 45 Millionen Euro für die Errichtung einer Produktionsanlage von BMW in Leipzig zur Herstellung der Elektroautos mit den Modellnamen i3 und i8 bei der Kommission in Brüssel angemeldet.
Nach einem langen Verfahren entschied die Kommission im Jahre 2014, dass Deutschland diese Unterstützung nur in Höhe von 17 Millionen Euro gewähren dürfe; der darüber hinaus gehende Betrag sei nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar. Gegen diesen Beschluss hatte BMW, unterstützt durch den Freistaat Sachsen, Klage erhoben. Diese Klage wurde heute abgewiesen.
Beihilfen müssen "Anreizeffekt" haben
Zentraler Ansatzpunkt für die Kürzung der Beihilfe war aus Sicht der Kommission und des EuG das Fehlen eines "Anreizeffektes". Eine Beihilfe müsse auf das Minimum beschränkt sein, das erforderlich sei, damit die Investition im Fördergebiet durchgeführt werde. Dies entspreche den Mehrkosten, die an dem gewählten Standort (Leipzig) gegenüber einem anderen Vergleichsstandort (München) anfielen. Nach Einschätzung der Richter habe BMW nicht nachgewiesen, dass eine Beihilfe von mehr als 17 Millionen Euro notwendig gewesen sei, um BMW für die Vornahme der Investition in Leipzig zu motivieren.
Ein Gesichtspunkt war hierbei, dass über ein Teil der Investitionen erst beschlossen worden sein soll, nachdem die Entscheidung für den Standort Leipzig bereits gefallen war. Der über die 17 Millionen Euro hinausgehende Betrag würde daher den Wettbewerb stark verfälschen, so die Luxemburger Richter. Dies könne Wettbewerber vor Investitionen in ähnliche Produkte zurückschrecken, was zur Verdrängung von privaten Investoren aus dem relevanten Markt beitrage.
Das Urteil unterstreicht somit zum wiederholten Male die Notwendigkeit eines "Anreizeffektes". Beihilfeempfänger müssen nachweisen, dass das Geld für ein bestimmtes Projekt notwendig ist. Damit sollen Mitnahmeeffekte ("windfall profits") ausgeschlossen werden. Dies bedeutet, dass solche Projekte, die ein Unternehmen sowieso auch ohne Beihilfe durchgeführt hätte, keine staatliche Unterstützung verdienen.
Das "Soft law" im Wettbewerbsrecht
Geradezu beiläufig äußert sich das Gericht zu einem Punkt, der für alle Beihilfeempfänger von herausragender Bedeutung ist. BMW hatte nämlich argumentiert, dass die Kommission bei der Entscheidung von ihren eigenen Leitlinien abgewichen sei.
Solche Leitlinien - auch "Soft law" genannt - sind im Europäischen Wettbewerbsrecht von herausragender Bedeutung. Bezeichnet werden hiermit nicht-rechtsförmliche Mitteilungen der Kommission, in denen sie darlegt, wie sie Rechtsbegriffe auszulegen gedenkt und wie sie ihr Ermessen bei Genehmigung ausüben will. Sie ähneln auf nationaler Ebene den Verwaltungsvorschriften.
In der Praxis sind diese Leitlinien fast noch wichtiger als das Europäische Primär- und Sekundärrecht. Wie die Kommission diese Werke einordnet, zeigt sich u.a. daran, dass sie diese auf ihrer Website völlig selbstverständlich unter der Überschrift "Legislation" auflistet.
EuG zu staatlichen Beihilfen für BMW: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24483 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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