Die EU plant bis Juni 2016 die Einführung einer einheitlichen Berechnungsbasis und die Umsetzung von Maßnahmen, um die Steuervermeidung von internationalen Konzernen zu unterbinden. Nicht ohne Folgen für den Mittelstand, zeigt Björn Demuth.
Schon vor drei Jahren erstaunten Frankreich und Deutschland mit der Intention, eine einheitliche Steuerberechnungsgrundlage schaffen zu wollen, nun ist es soweit: Die EU strebt eine einheitliche Steuerbemessungsgrundlage an. Der Plan verwundert deshalb, weil bisher jeder EU-Mitgliedstaat die Steuerberechnung nach eigenen Maßstäben vollzieht. Warum ist aber eine Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage interessant für die Mitgliedsstaaten und was hat das mit Informationsaustausch zu tun?
Zunächst einmal bedeutet die Einführung einer europaweit einheitlichen Steuerbemessungsgrundlage, dass sich alle EU-Mitgliedstaaten auf ein einheitliches Gewinnermittlungsverfahren bei der Steuererhebung festlegen. Dies zieht bei ernstgemeinter Umsetzung für in der Union tätige Unternehmen eine enorme Vereinfachung der Buchhaltung nach sich. Erst durch eine einheitliche Steuerbemessungsgrundlage ist einfach zu erkennen, wo und wie Gewinne entstanden sind, sodass die Wertschöpfung an dem Ort besteuert werden kann, wo sie entstanden ist.
Damit ist allerdings noch nicht die Höhe der zu zahlenden Steuer in jedem der EU-Mitgliedsstaaten vereinheitlicht. Vielmehr ist einmal nur die Ausgangsbasis für die Erhebung von Einkommens- und Körperschaftsteuern geschaffen. Jeder Mitgliedsstaat kann weiterhin den anzuwendenden Steuersatz, mögliche Befreiungstatbestände oder andere für die Steuererhebung relevante Aspekte selbst berücksichtigen. Trotzdem erleichtert die Vereinheitlichung der Steuerbemessungsbasis jeder Finanzbehörde innerhalb der EU zu vergleichen, wo Gewinne entstanden sind und welche Steuern darauf entfallen.
Positive und negative Effekte einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage
Im Zusammenhang mit den geplanten EU-weiten Auskunftsverfahren ist die Vereinheitlichung besonders interessant: Wenn jede Firma innerhalb der Union ihre Gewinne nach demselben Schema ermittelt, kann ein Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedsstaaten viel einfacher erfolgen. Missdeutungen der einzelnen Positionen wären damit hinfällig. Lediglich die für die finale Besteuerung maßgebenden landesspezifischen Besonderheiten müssten berücksichtigt werden.
Die Vereinheitlichung hat aber nicht nur Vorteile für die Mitgliedsstaaten. Durch die Vergleichbarkeit können Mitgliedsstaaten auch ersehen, wo die Erträge angesetzt werden. Dies gibt Anlass zu Diskussionen über die Verteilung von Gewinnen, denn kein Staat ist bereit, Gewinnanteile an andere Staaten abzugeben. Wenn also dieser Aspekt der Verteilung nicht geregelt wird, werden sich die Mitgliedsstaaten über die Verteilung streiten. Dieser Streit wird vorwiegend auf dem Rücken der Steuerpflichtigen ausgetragen.
2/2: "BEPS" soll Schlupflöcher schließen
Neben den Datenaustauschvereinbarungen und dem Ziel, eine einheitliche Steuerbemessungsgrundlage zu vereinbaren, wird momentan auch die BEPS-Initiative (Base Erosion and Profit Shifting) diskutiert. Diese ist auf die Bekämpfung von Steuervermeidungen ausgerichtet, also das Verschieben von Gewinnen in Staaten, in denen eine niedrigere Steuer veranschlagt wird als in anderen Staaten. Gerade große, multinationale Konzerne (aber auch international agierende Mittelständler) nutzen solche Steuerreduzierungsmöglichkeiten.
Dem soll ein Riegel vorgeschoben werden: Am 28. Januar stellte Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, konkrete Maßnahmen vor, die sich auf das BEPS-Maßnahmenpaket stützen und nun an den Europäischen Rat zum Beschluss weitergeleitet wurden. Diese verfolgen mehrere Ansätze.
Die einzelnen BEPS-Maßnahmen
So wirken sich einige der BEPS-Maßnahmen direkt auf internationale Unternehmen aus. Konzerne sollen wirksam daran gehindert werden, Einkünfte auf ausländische Tochtergesellschaften zu übertragen und so der Besteuerung vor Ort zu entgehen. Ein weiterer Punkt tangiert unmittelbar die Konzernpraxis. Um BEPS durch Konzerne wirksam einzudämmen, sollen Gewinnverkürzungen durch Abzug von Zins- oder sonstigen finanziellen Aufwendungen begrenzt werden.
Das Anheben des Schuldenniveaus auf Ebene der einzelnen Konzerneinheiten durch interne Finanzierung führt nicht selten zu überhöhten Zinsaufwendungen, die wiederum teilweise das Erzielen steuerfreier Erträge finanzieren. Auch unter Wettbewerbsfähigkeitsgesichtspunkten erscheint eine Begrenzung der Zinsabzüge sachdienlich. Im Ergebnis soll eine Verknüpfung der Nettozinsabzüge einer Konzerneinheit mit den steuerpflichtigen Einkünften erfolgen.
Weitere Aktionspunkte zielen darauf, Zinsaufwendungen in Konzernen als "Steuerverschiebungsmöglichkeit" zu unterbinden oder Vereinbarungen mit einzelnen Staaten, sogenannte "Tax-Rulings", zu unterbinden. Diese gewähren besondere Vergünstigungen in der Besteuerung. Solche besonderen Vereinbarungen sollen künftig unter den EU-Mitgliedsstaaten offenzulegen sein.
Somit wird nicht nur der Privatmann, sondern jedes Unternehmen für die Finanzbehörden in der EU künftig gläserner werden. Auf diese Weise wird nicht nur Rechtsmissbrauch, sondern jeder steueroptimierenden Gestaltung bereits früh von Seiten der Finanzbehörden entgegen getreten. Im Extremfall kann jede Finanzbehörde damit Druck auf die Steuerpflichtigen ausüben, um den Steueranteil zu erhöhen. Nur wer sich hier richtig positioniert und diesem Druck durch die Finanzbehörden professionell und international organisiert entgegentritt, wird in dieser herausfordernden Steuerumgebung bestehen.
Der Autor Dr. Björn Demuth ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht. Er ist Partner bei CMS Hasche Sigle in Stuttgart.
Einheitliche Unternehmensbesteuerung in der EU: Gläsernere Konzerne ohne Schlupflöcher . In: Legal Tribune Online, 09.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18394/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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