Europa wächst stetig zusammen - nicht immer nur zur Freude der Bürger, denn schon seit 2010 können ausländische Bußgelder auch in Deutschland vollstreckt werden. Nun hat das Europaparlament die Maschen noch ein Stückchen enger gezogen: Künftig soll eine europaweite Datenbank auch die Suche nach dem Verkehrsrowdy erleichtern. Was genau geplant ist, erklärt Adolf Rebler.
Wer im Ausland unterwegs ist, muss auch die vor Ort geltenden Verkehrsregeln beachten. Obwohl sich nämlich der Straßenverkehr immer weniger an nationale Grenzen hält, gibt es – bis auf europaweite Regelungen zu den Fahrzeugpapieren - kein europäisches oder gar weltweit geltendes Straßenverkehrsrecht
Allerdings existieren internationale Vereinbarungen, die zu einer Harmonisierung der jeweiligen staatlichen Verkehrsregeln geführt haben. Nicht harmonisiert sind jedoch nach wie vor die Bußgeldregelungen - sowohl was das Verfahren, als auch was die Höhe betrifft.
Ein Verstoß, der in Deutschland für den Verkehrssünder nur eher ärgerlich ist, kann damit im Ausland richtig teuer werden. So zahlen etwa Raser, die mehr als 50 Stundenkilometer über der erlaubten Geschwindigkeit unterwegs sind, in Deutschland im günstigsten Fall 240 Euro - in Frankreich gleich 1.500 Euro. Dass man versucht, das drohende Knöllchen an der Grenze mit dem Übertritt ins Heimatland hinter sich zu lassen, ist da nur all zu menschlich.
Ausländischer Staat sieht von Vollstreckungserlösen keinen Cent
Mit Inkrafttreten des "Gesetzes zur Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen" im Oktober 2010 ist dies jedoch schwieriger geworden. Seither nämlich können Bußgeldbescheide aus anderen EU-Mitgliedstaaten auch in Deutschland vollstreckt werden.
Dafür muss sich die Geldsanktion allerdings auf mindestens 70 Euro belaufen, als Gesamtsumme aus Bußgeld und Verwaltungskosten. Zuständige Stelle, die auf Antrag des ausländischen Staates hier tätig wird, ist laut Gesetz das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn.
Hält die Behörde ein Vollstreckungsersuchen nicht schon für unzulässig, etwa weil der Mindestbetrag nicht erreicht wird oder der Betroffene im Ausland nicht über seine Rechte informiert worden ist, wird dem Verkehrssünder erst einmal Gelegenheit gegeben, sich innerhalb von zwei Wochen zu dem Vorfall zu äußern. Anschließend entscheidet das BfJ unter Berücksichtigung des Anhörungsergebnisses über die Bewilligung der Vollstreckung und stellt dann diese Bewilligungsentscheidung dem Verkehrssünder zu. Legt dieser nicht innerhalb von zwei Wochen Einspruch ein, wird der Bescheid rechtskräftig.
Unterbleibt dann eine Bezahlung, wird der Bescheid vollstreckt. Die Vollstreckung betrifft aber nur die Bußgelder. Weitere Sanktionen, wie etwa einen Eintrag in die Flensburger Verkehrssünderdatei, braucht der Betroffene nicht zu befürchten. Die Vollstreckungserlöse wandern in die Bundeskasse; der ausländische Staat sieht davon nichts. Eine besondere Regelung gab es schon vor Oktober 2010 mit Österreich. Aufgrund eines Rechtshilfeabkommens konnten hier bereits Bußgeldbescheide ab 25 Euro vollstreckt werden.
Mit Online-Abruf der Register schneller zum Täter
Nun ist auch das schönste "Blitzer-Foto" völlig ohne Wert, wenn sich weder der Fahrzeughalter noch der Fahrer ermitteln lassen. Nach der europaweiten Regelung der Vollstreckung soll daher nun auch die Suche nach dem Verkehrssünder erleichtert werden.
Zu diesem Zweck hat das Europaparlament am 6. Juli 2011 den Erlass einer Richtlinie beschlossen, mit der eine europaweite Verkehrsünderdatei eingerichtet werden soll. Genutzt werden soll dafür das europäische Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem EUCARIS ("EUropean Car and Driving Licence Information System"), das einen direkten Online-Abruf von Daten aus den zentralen Fahrzeug- und Führerscheinregistern der beteiligten Staaten ermöglicht.
Acht Delikte sollen geahndet werden, darunter zu schnelles Fahren, Alkohol, Rotlichtverstöße oder die Benutzung eines Handys während der Fahrt. Der Erlass europaweiter Regelungen ist nach Auffassung der EU dringend notwendig, da der Autofahrer im Ausland oft zum Verkehrsrowdy werde:"Viele Leute scheinen zu glauben, dass im Ausland für sie keine Regeln mehr gelten", so EU-Verkehrskommissar Siim Kallas.
Die Richtlinie soll 2013 in Kraft treten und muss dann von den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei kann sich der potentielle Verkehrssünder über Lücken im System freuen: Irland, Großbritannien und Dänemark haben bereits jetzt angekündigt, dass sie die Richtlinie nicht umsetzen werden.
Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.
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Adolf Rebler, EU-Richtlinie für Verkehrssünderdatei: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3711 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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