Absage an die EU-Patent-Verhinderer: Generalanwalt unterstellt Spanien und Italien Blockadepolitik

von Sebastian Zeitzmann, LL.M.

13.12.2012

Das jahrzehntelange Hin und Her um ein europäisches Einheitspatent ist nahezu vorbei: Parlament und Ministerrat haben sich geeinigt, nur Spanien und Italien wollen nicht mitmachen. Über eine Klage beim EuGH wollen sie das gemeinsame Patent verhindern. Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts vom Dienstag ist es nicht gerade wahrscheinlich, dass das klappt, meint Sebastian Zeitzmann.

Seit den 1960er Jahren verhandeln die Mitgliedstaaten über die Einführung eines EU-Patents, das automatisch in allen Nationalstaaten gelten soll, ohne in die jeweilige Landessprache übersetzt werden zu müssen. Ziel ist ein kostengünstiger unionsweiter Patentschutz. Die Verwirklichung des aktuelles Kommissionsvorschlag von 2011 steht unmittelbar bevor.

Da sich nicht alle Mitgliedstaaten auf einen gemeinsamen Patentschutz einigen konnten, haben 25 Länder beschlossen, den Weg der so genannten verstärkten Zusammenarbeit zu beschreiten: Danach kann eine Gruppe von mindestens neun Staaten alleine einen europäischen Rechtsakt erlassen, wenn sich herausstellt, dass der Widerstand einzelner Staaten ein EU-weites Vorgehen definitiv unmöglich macht. Der Rechtsakt bindet nur die teilnehmenden Staaten, die anderen bleiben vorerst außen vor, können aber jederzeit mit an Bord kommen.

Italien und Spanien als Spielverderber

Um die Kosten einer unionsweiten Patentanmeldung niedrig zu halten, soll es künftig ausreichen, eine Erfindung nur in einer der drei EU-Amtssprachen Deutsch, Englisch oder Französisch anzumelden. Ein europäisches Patentgericht soll den Schutz durchsetzen.

Italien und Spanien haben sich diesem System vehement widersetzt. Sie fürchteten, dass ihre Amtssprachen beim europaweiten Schutz geistigen Eigentums keine Rolle mehr spielen würden. Da die beiden Länder damit die notwendige Einstimmigkeit blockierten, beschloss der Ministerrat, den übrigen 25 Staaten grünes Licht für eine verstärkte Zusammenarbeit zu geben.

Gegen diesen Beschluss erhoben Italien und Spanien Nichtigkeitsklage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), während die übrigen Staaten ihr Projekt weiter verfolgten.

Generalanwalt lehnt Klagen deutlich ab

Es ist das erste Mal, dass sich der Gerichtshof mit Fragen zur verstärkten Zusammenarbeit befasst. Die Schlussanträge, die der Generalanwalt Bot am Dienstag stellte, waren für die Kläger niederschmetternd. Keines ihrer Argumente konnte ihn überzeugen.

Der Ministerrat sei sehr wohl befugt gewesen, die 25 Mitgliedsstaaten zur verstärkten Zusammenarbeit zu ermächtigen, und habe damit weder seine Kompetenzen überschritten noch sein Ermessen missbraucht. Vor allem verweist Bot auf die jahrelange, durch stetige Misserfolge geprägte Vorgeschichte des Projekts EU-Patent. Nach alledem sei eine verstärkte Zusammenarbeit als letztes Mittel legitim gewesen.

Schmerzhaft muss für Italien und Spanien sein, dass der Generalanwalt ihre Rügen, die Etablierung eines europäischen Patentgerichts verstoße gegen das EU-Gerichtssystem und das Einheitspatent beeinträchtige den EU-Binnenmarkt, sogar für unzulässig hält. Die Krone setzt Bot dem Ganzen auf, indem er die Kläger nicht einmal in ihren Rechten verletzt sieht und ihnen vielmehr mehrfach deutlich eine Blockadepolitik unterstellt.

EU-Patent wird Realität

Bei der mündlichen Verhandlung in Luxemburg waren bei allen Beteiligten außer den Klägern Amüsement und Verwunderung ob der vorgetragenen Argumente auszumachen. Die Ausführungen Italiens und Spaniens nahmen eine Richtung, die das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit als solches überflüssig machen würde.

Schlussanträge eines Generalanwalts sind für die Luxemburger Richter nicht verbindlich. Mit guten Gründen hält sich der Gerichtshof in seinen Urteilen meistens aber zumindest inhaltlich an die Empfehlungen. Wenn die Große Kammer im Frühjahr 2013 ihr Urteil fällt, wäre alles andere als eine Bestätigung der Schlussanträge eine große Überraschung.

Das EU-Patent wird also wohl endlich Realität, auch wenn es nicht für Italien und Spanien gelten wird. Es hat lange genug hat gedauert. Jede Wette, dass sich Kroatien als neuer Mitgliedstaat ab Juli 2013 schnell dem System anschließen wird – wozu es rechtlich nicht verpflichtet wäre. Die Vorteile wiegen aber zu schwer: So werden EU-weite Patente auf Erfindungen statt bisher bis zu 36.000 Euro künftig maximal 6.500 Euro kosten.

Vermutlich würden unter diesen Bedingungen beide Kläger ihre Luxemburger Argumente gern für ein Einheitspatent anmelden lassen. Derartige "Erfindungen" sind aber nicht schutzwürdig. Zum Glück.

Der Autor Dipl.-Jur. Sebastian Zeitzmann, LL.M., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht am Europa-Institut der Universität des Saarlandes sowie Lehrbeauftragter für Europarecht und Europäische Integration. Aktuelle Rechtsfragen zur verstärkten Zusammenarbeit sind Schwerpunkt seines Dissertationsvorhabens.

Zitiervorschlag

Absage an die EU-Patent-Verhinderer: . In: Legal Tribune Online, 13.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7785 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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