Europäisches Lebensmittelrecht und israelische Siedlerprodukte: Her­kunft: unge­klärt

von Dr. Eva Ghazari-Arndt, LL.M.

26.11.2015

2/2: Mehr als geografische Bezeichnungen

Die Europäische Kommission schlägt für die Kennzeichnung der Siedlerprodukte verschiedene Formulierungen vor. Für Produkte aus dem Westjordanland oder den Golanhöhen sollen Ausdrücke wie etwa "Produkt aus dem Westjordanland (israelische Siedlung)" oder "Produkt aus den Golanhöhen (israelische Siedlung)" verwendet werden [C (2015) 7834, S. 4]. Mit diesen Bezeichnungen ist die Europäische Kommission konsequent, bleibt sie damit doch im Grunde ihrer Rechtsauffassung über den völkerrechtlichen Status der vorbezeichneten Gebiete treu.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Bezeichnungen tatsächlich weniger irreführend für die Verbraucher sind. Im Grunde ist die EU ihnen gegenüber immer um einen möglichst klaren und leicht verständlichen Ausdruck bemüht. So wird beispielsweise im Erwägungsgrund Nr. 37 der LMIV festgehalten, dass es angezeigt wäre, bei der Kennzeichnung von Produkten auf die Bezeichnung Salz anstelle der  (im Alltag weniger gebräuchliche) Nährstoffbezeichnung Natrium zurückzugreifen.

Nun aber versucht die Europäische Kommission, für Siedlerprodukte eine geografische Bezeichnung zu finden, die historisch und politisch betrachtet so hoch komplex ist, dass sie im Ergebnis nicht minder verwirrend bzw. irreführend sein dürfte. Sie übergeht dabei nicht nur die israelische Sicht, verleiht der Herkunftsbezeichnung auch einen negativen Beigeschmack, indem sie mit der Kennzeichnung die verallgemeinernde Schlussfolgerung nahelegt, Siedlerprodukte seien Produkte aus illegal besetzten Gebieten.

Auch "Produkt aus Palästina" bedarf der Klarstellung

Irritierend sind zudem die Formulierungsvorschläge der Europäischen Kommission für die Kennzeichnung von Produkten aus den Gebieten, die nicht aus den israelischen Siedlungen stammen. Denn einerseits hat die Europäische Kommission Bedenken, Siedlerprodukte als "Produkt aus Israel" zu bezeichnen. Anderseits schlägt sie vor, für die Kennzeichnung von Produkten aus palästinensischen Gebieten Formulierungen wie etwa "Produkt aus dem Westjordanland (palästinensisches Produkt)", "Produkt aus dem Gazastreifen" oder "Produkt aus Palästina" zu verwenden [C (2015) 7834, S. 4].

Geradezu paradox ist dabei, dass die Europäische Kommission hier klarstellend darauf hinweisen muss, der Ausdruck "Palästina" sei nicht als Anerkennung eines Staates Palästina zu verstehen [C (2015) 7834, Fn. 12]. Diese Vorgehensweise zeigt aber, wie irreführend all diese Bezeichnungen sein können. Schließlich besteht auf dem späteren Produkt nicht mehr die Möglichkeit, derartige klarstellende Äußerungen anzubringen.

Insofern sind – auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es einen palästinensischen Staat nicht gibt – die vorgenannten Bezeichnungen für den Verbraucher nicht weniger irreführend als die schlichte Kennzeichnung "Produkt aus Israel" es wäre. Die Herkunftsangabe auf Produkten verfolgt zwar einen sinnvollen Zweck, doch wenn der rechtliche Status des Herkunftsorts so komplex und verworren ist, wie im Falle der durch Israel besiedelten Gebiete, tragen die Vorschläge der Kommission kaum zu einer besseren Aufklärung der Verbraucher bei – sehr wohl aber zu einer Politisierung des in dieser Hinsicht eigentlich neutralen Kennzeichnungsrechts.

Dr. Eva Ghazari-Arndt, LL.M. erwarb ihren Master of Laws am Europa-Institut Saarbrücken und promovierte auf dem Rechtsgebiet des europäischen Privatrechts zum Thema "Gemeinsames Europäisches Kaufrecht". Sie ist Rechtsanwältin und Dozentin auf dem Rechtsgebiet des Privatrechts.

Zitiervorschlag

Europäisches Lebensmittelrecht und israelische Siedlerprodukte: . In: Legal Tribune Online, 26.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17662 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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