EU-Konzept für eine Bankenunion: Europa braucht keine Mega-EZB

Am Mittwoch stellte die EU-Kommission die Pläne zur so genannten Bankenunion vor. Sie will der EZB die Aufsicht über die europäischen Kreditinstitute übertragen. Alexander Thiele hält das nicht nur für ökonomisch fragwürdig und juristisch schwierig, sondern vor allem für überflüssig.

Nachdem die europäischen Aufsichtsstrukturen erst zum 1. Januar 2011 grundlegend umgestaltet wurden, plant die Kommission bereits die nächste Reform: Durch die Errichtung einer so genannten Bankenunion möchte sie jedenfalls für die Eurozone die Aufsichtskompetenz für die systemrelevanten, ab 2014 dann für sämtliche europäischen Institute in wesentlichen Teilen ausschließlich in die Hände der Europäischen Zentralbank (EZB) legen.

Die Kommission will mit dieser Regelung vor allem die Kopplung der Banken- an die Staatenliquidität schwächen, die sich beispielsweise für Spanien als belastend erwiesen hat. Denn mit den europäischen Aufsichtsstrukturen verbunden ist die Möglichkeit, Banken nun unmittelbar durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) finanziell helfen zu können.

Die Staats- und Regierungschefs hatten europäische Aufsichtsstrukturen zur Bedingung solcher Hilfen gemacht. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Vorschlag der Kommission aber gleich in mehrfacher Hinsicht als fragwürdig.

Massive Interessenkonflikte drohen

Unklar ist zunächst, warum gerade die EZB allein die Aufgabe der Aufsicht übernehmen soll. Denn ob Zentralbanken in Aufsichtssystemen nicht nur als Informationslieferant, sondern darüber hinaus auch als formelles Aufsichtsorgan agieren sollen, ist in der Ökonomie überaus umstritten. Zumindest wenn die Zentralbank wie auch die EZB vor allem die Preise stabil halten soll, drohen zwangsläufig massive Interessenkonflikte.

Auch in Deutschland ist die Aufsicht daher zwischen der BaFin und der Bundesbank entsprechend aufgeteilt. Der Vorschlag der Kommission hält insoweit lediglich fest, dass die aufsichtlichen Funktionen die Aufgabe der Geldpolitik und die sonstigen Aufgaben "nicht beeinträchtigen" dürfen. Ob das ausreicht, ist mehr als fraglich.

Aus juristischer Perspektive kommt hinzu, dass eine solche Konstruktion die Unabhängigkeit der Zentralbank erheblich gefährden kann. Denn im Bereich der Aufsicht besteht eine ausdrückliche Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament – die nach dem Willen der Parlamentarier wohl noch ausgeweitet werden soll.

Die EZB muss also in zwei Bereiche aufgeteilt werden, wobei ein Bereich die Geldpolitik und der andere die Aufsicht jeweils eigenständig wahrnimmt. Eine Aufteilung, die mithin den gesamten Zweck der Übertragung gerade auf die EZB ad absurdum führt – zumal mit den neuen europäischen Aufsichtsbehörden bessere Alternativen zur Verfügung stehen. Die EZB ist also keineswegs die "natürliche Aufsichtsbehörde", als welche die Kommission sie verkaufen will. Eine enge Kooperation mit den bestehenden Aufsichtsstrukturen wäre allemal weniger riskant.

Risiko Mega-EZB: Ein großer Umbau ohne Not

Überraschend ist zudem der Umfang, den die europäische Aufsicht annehmen soll. Zwar ist die Kommission den deutschen Vorbehalten entgegengekommen und will die nationalen Aufsichtsbehörden stärker in das Aufsichtskonzept integrieren. Eine potenzielle Allzuständigkeit der EZB bleibt aber bestehen.

Diese erweist sich dabei gewissermaßen als zu weit und zu eng zugleich. Zu weit sind die Pläne insoweit, als die EZB bereits im Jahr 2014 sämtliche Institute der Eurozone beaufsichtigen soll. Einer Rekapitalisierung bedürfen aber allein die großen systemrelevanten Banken, eine unmittelbare ESM-Rettung ist auch ohne eine solche umfassende Zuständigkeit möglich. 

Aber auch ganz praktische Gründe sprechen gegen eine Mega-EZB: Wie soll in so kurzer Zeit ausreichend qualifiziertes Personal akquiriert werden? Jedenfalls in den ersten Monaten oder sogar Jahren drohen hier ganz enorme Aufsichtsdefizite, vor allem, wenn man bedenkt, dass allein die deutsche BaFin mehr als 2000 Angestellte hat.

Der Großteil der Aufsichtstätigkeit sollte besser bei den nationalen Behörden verbleiben - deren im Vorschlag der Kommission vorgesehene "Hilfsfunktionen" sind da kaum ausreichend.

Schließlich bedarf es einer solchen potenziellen Allzuständigkeit der Union für sämtliche Institute aber auch gar nicht. Nationale Sparkassen und kleinere Institute können ohne weiteres von den nationalen Aufsichtsbehörden beaufsichtigt werden. Diesen kann vor dem Hintergrund bestehender Regulierungsdefizite keineswegs ein pauschales Versagen in der Finanzkrise unterstellt werden, wie dies bisweilen geschieht. Systemrelevanz kommt den kleineren Banken ohnehin nicht zu, auch in die Finanzkrise waren sie praktisch nicht involviert. Warum also jetzt ohne Not solche Umbaurisiken eingehen?

Zitiervorschlag

Alexander Thiele, EU-Konzept für eine Bankenunion: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7069 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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