Es sei denn: Eine andere Rechtswahl wurde getroffen
Die EU-ErbVO lässt eine Rechtswahl zu. In einer Verfügung von Todes wegen kann die wählende Person das Recht des Staates wählen, dem sie bei der Rechtswahl oder bei ihrem Tod angehört. Das kann auch das Recht eines Drittstaates sein. Mehrstaater können jede Rechtsordnung wählen, der sie angehören. Anders als bisher im deutschen Recht kann man keine auf Grundstücke beschränkte Rechtswahl mehr treffen.
Das Erbstatut und damit die Rechtswahl betreffen das Erbrecht insgesamt, also auch das anwendbare gesetzliche Erbrecht, die erbberechtigten Personen, deren Erbquoten, mögliche Enterbungen, Vermächtnisse, Annahme und Ausschlagung der Erbschaft sowie Pflichtteile oder diesbezügliche Noterbrechte.
Mit einer solchen Rechtswahl ist es also theoretisch möglich, Erbrechte ungeliebter Verwandter auszuschließen, weil das Pflichtteils- und Noterbrecht in einzelnen europäischen Staaten anders ausgestaltet sind. Eine zunächst geplante Regelung, nach der eine ausländische, von der innerstaatlichen Regelung abweichende Pflichtteilsgestaltung nicht gegen den Ordre public verstoßen sollte, wurde in die finale Version der Verordnung nicht aufgenommen. Hat eine Rechtswahl aber den ausschließlichen Zweck, Pflichtteilsrechte zu umgehen, bestehen dennoch Risiken hinsichtlich ihrer Gültigkeit.
Testamente und Erbverträge auf europäisch
Als Verfügungen von Todes wegen nennt die Europäische Erbrechtsverordnung das Testament, das gemeinschaftliche Testament und den Erbvertrag.
Die Form des Testaments regelt nicht die Europäische Erbrechtsverordnung. Vielmehr gilt insoweit das Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht. Da dieses Abkommen nicht alle Staaten unterzeichnet haben, in denen die Europäische Erbrechtsverordnung anwendbar ist, ist zusätzlich Art. 27 EU-ErbVO anwendbar. Die Vorschrift regelt detailliert die Voraussetzungen der Formgültigkeit einer Verfügung von Todes wegen. Grundsätzlich reicht es aus, wenn das Recht des Staates eingehalten wird, in dem der Erblasser letztwillig verfügt.
Maßgeblich für die Zulässigkeit und Wirksamkeit ist der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Auch bei einer Änderung seines gewöhnlichen Aufenthalts bleibt das Testament also wirksam. Wird es später noch einmal geändert oder widerrufen, kommt es wiederum auf das gewählte oder nach den Bestimmungen der Erbrechtsverordnung anwendbare Erbstatut an.
Ein Erbvertrag erfasst nach der europäischen Definition auch Verfügungen aufgrund gegenseitiger Testamente. Die Begriffe des Erbvertrages und des gemeinschaftlichen Testaments nach der Verordnung entsprechen daher nicht den entsprechenden deutschen Worten. Bei einem gemeinschaftlichen Testament mit wechselseitigen Verfügungen von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern handelt es sich vielmehr nach der EU-ErbVO um einen Erbvertrag, und zwar selbst dann, wenn nur ein Ehegatte bzw. Lebenspartner letztwillig bindend verfügt. Auch Erbverzichts-, Pflichtteilsverzichts- und Zuwendungsverzichtsverträge fallen, weil sie Rechte am Nachlass entziehen, unter den europarechtlichen Begriff des Erbvertrages.
Für die Form von gemeinschaftlichen Testamenten gilt das Haager Übereinkommen, das wiederum auf Erbverträge keine Anwendung findet. Insoweit ist die deutsche Unterscheidung maßgeblich.
Leichter erben mit dem Europäischen Nachlasszeugnis
Nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers soll vor allem auch das Europäische Nachlasszeugnis erhebliche Vereinfachungen bei grenzüberschreitenden Erbfällen bringen. Erben und Testamentsvollstrecker sollen damit in allen Mitgliedstaaten, in denen die Verordnung gilt, ihre Rechtsstellung einheitlich nachweisen können.
Das Europäische Nachlasszeugnis wird auf Antrag außerdem auch Vermächtnisnehmern und Nachlassverwaltern ausgestellt. Voraussetzung für seine Erteilung ist, dass es in mehreren Mitgliedsstaaten Anwendung findet und nicht nur innerstaatliche Sachverhalte betrifft. Die Gutglaubenswirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses erlischt – anders als beim deutschen Erbschein – nicht erst bei positiver Kenntnis von seiner Unrichtigkeit, sondern bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis.
Es wird nur eine beglaubigte Abschrift erteilt, während die Urschrift bei der Ausstellungsbehörde verbleibt. Die beglaubigte Abschrift ist nur sechs Monate nach Ausstellung gültig, kann aber in diesem Zeitraum nicht eingezogen werden, selbst wenn sie unrichtig ist.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen u.a. zum Erbrecht.
Herbert Grziwotz, EU-Erbrechtsverordnung: . In: Legal Tribune Online, 18.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12921 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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