Der E-Sport boomt - auch in der Coronakrise. Doch anders als im traditionellen Sport fehlen Verbandsreglements. Wie dennoch ein fairer, unverzerrter Wettbewerb gelingt, erläutert Dieter Frey.
E-Sport wird auch bei der diesjährigen Gamescom ab dem 27. August ein wichtiges Thema sein. Eines der größten E-Sport-Events beginnt am 25. September mit der League of Legends (LoL)-Weltmeisterschaft in Shanghai. Trotz der anhaltenden COVID-19-Pandemie ist mit einem weiter steigenden Zuschauerinteresse zu rechnen. Bereits 2019 haben nach Angaben des Spieleherstellers und Veranstalters Riot Games in der Spitze 44 Millionen Zuschauer das Finale des wichtigsten LOL-Turnieres des Jahres in Paris verfolgt, der Durchschnitt lag bei 21,8 Millionen. Übertragen wurde in 16 Sprachen über 20 Plattformen.
Die großen Turniere im E-Sport sind also absolute Top-Events, die tausende Begeisterte in den Stadien und Millionen Zuschauer über einschlägige Plattformen wie Twitch, YouTube oder Mixer weltweit verfolgen. Ihr sportlicher und kommerzieller Erfolg hängt maßgeblich von der Sicherung der Wettbewerbsintegrität durch den jeweiligen Veranstalter ab.
Viele der großen Wettkämpfe werden von den Spieleherstellern selbst veranstaltet. So verantwortet Spiele-Entwickler Riot Games zum Beispiel auch die europäische und nordamerikanische League of Legends Championship Series (die LEC und LCS). Valve organisiert The International, das weltweit höchstdotierte eSports-Event, bei dem 2019 über 25 Millionen US-Dollar Preisgeld an die Dota-2-Spieler ausgeschüttet wurden.
Neben den Spieleherstellern veranstalten unabhängige Wettkampfveranstalter professionelle Turniere bzw. Turnierserien und Ligen auf regionaler oder internationaler Ebene. So hat die weltweit führende Electronic Sports League (ESL) seit Gründung im Jahr 2000 bereits Turniere und Ligen in mehr als 50 Spielen veranstaltet. Zu den populären Events zählen die ESL Meisterschaft oder die ESL One Series. Weitere unabhängige Ligen und Veranstalter sind etwa die amerikanische Major League Gaming, die englische Gfinity oder die schwedische DreamHack.
Auch international aufgestellte Unternehmen organisieren unter ihren Marken E-Sport-Wettkämpfe, wie zum Beispiel Intel mit den Intel Extreme Masters (zusammen mit ESL) oder Red Bull mit dem LOL Turnier Red Bull Itemania.
Veranstalter als Garant eines fairen Spielbetriebs
Der Erfolg eines international oder regional ausgerichteten E-Sport-Events hängt maßgeblich vom Geschick des Veranstalters ab. Seine Aufgaben sind vielgestaltig rund um die Planung, Organisation, Durchführung und Vermarktung des Events. Dabei muss er nicht nur eine Reihe gesetzlicher wie regulatorischer Anforderungen (z.B. den Jugendschutz) beachten, zentral ist auch das Vertrags-Management mit den beteiligten Akteuren. Unabhängige Veranstalter müssen hier insbesondere die durch das Urheberrecht untermauerte Rechtsbeziehung zum Spielehersteller konfliktfrei gestalten, was weit über die bloße Lizenzierung des jeweiligen geschützten Videospiels hinausgeht.
Der sportliche, aber auch kommerzielle Erfolg eines Wettkampfes hängt davon ab, dass er gerecht ausgetragen wird und die Besten gewinnen. Anders als im traditionellen Sport fehlt es dazu an allgemeingültigen Verbandsreglements. E-Sport hat sich jenseits der bekannten pyramidenförmigen Strukturen mit weltweit oder national anerkannten Dachverbänden (z.B. DFB oder FIFA) an der Spitze entwickelt. Dem E-Sport fehlt diese "vereinsrechtliche DNA" des traditionellen Sports. Er ist vielmehr durch selbstständige Kapitalgesellschaften geprägt. Daher können verbindliche und einheitliche Regeln etwa zum Wettkampfverlauf, zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen, zu Spielertransfers oder zur Sanktionierung von Regelverstößen auch nicht durch verbandsautonomes Recht bestimmt werden.
Im E-Sport sind die grundlegenden Spielregeln bereits durch die Programmierung des Videospiels, also vom Spielehersteller festgelegt, die durch das Reglement des Veranstalters ergänzt werden. Dieses wird durch unterschiedliche vertragliche Regeln des Veranstalters mit den E-Sport-Organisationen (Teams) bzw. den einzelnen Spielern festgeschrieben.
Anti-Doping-Gesetz gilt nicht
Es ist Sache der Veranstalter für "ihren" Wettbewerb individuelle Wettkampfregeln (z.B. spielspezifische Regeln, Teilnahmebedingungen, Preisgelder, Ethik- und Verhaltensregeln, etc.) festzulegen. Sie definieren die Anforderungen an gleichwertige Startbedingungen und Fair Play, um Wettbewerbsverzerrungen z. B. durch regelwidriges Spielgerät oder Doping auszuschließen.
Mangels Anerkennung als Sport kommt das Anti-Doping-Gesetz bei Dopingvergehen im E-Sport nicht zur Anwendung. Daher stehen im E-Sport vertragliche Anforderungen im Fokus. Aufgrund der Vielzahl von Turnierformaten und Veranstaltern haben sich bislang keine einheitlichen Regeln herausgebildet. Viele unabhängige Veranstalter kooperieren gleichwohl mit Anti-Doping-Institutionen. Die ESL arbeitet etwa seit 2015 mit der World Anti Doping Agency (WADA), der deutschen Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) und der Esports Integrity Commission (ESIC) zusammen. Mit letzterer führt sie Doping-Tests bei eigenen Turnieren durch, da die ESIC als einziger Verband eine E-Sport-spezifische Verbotsliste und ein eigenes Testregime erstellt hat. Spielehersteller - wie Riot - versuchen im Rahmen ihrer Franchise-Ligen ein eigenes global geltendes Regime zu etablieren. Gleichwohl erschweren unterschiedliche nationale Regulierungsansätze wie auch die Uneinigkeit über etwaige schädliche Substanzen oder Methoden im E-Sport eine international einheitliche Handhabe.
Zur Gewährleistung der Integrität der Wettbewerbe muss der Veranstalter zudem dafür Sorge tragen, dass verbotene Manipulationen des Programmablaufs mit unzulässigen technischen Hilfsmitteln (Cheats) durch Spieler unterbleiben, die ihnen einen nicht vorgesehenen Vorteil verschaffen. Der Veranstalter wird solche Versuche durch den Einsatz von Software-Tools unterbinden bzw. in seinem Reglement untersagen müssen, um Eingriffe in Spielverläufe und -Ergebnisse zu verhindern. Das dient auch dem Ziel, der Manipulation von E-Sport-Wetten vorzubeugen, die sich unabhängig von ihrer rechtlichen Zulässigkeit zu einem florierenden Wirtschaftszweig entwickelt haben.
Verzerrungen des Wettkampfes im Verlauf einer E-Sport-Saison können unabhängige Veranstalter nicht immer durch ihr Reglement ausschließen. Neue Programmversionen der Spieletitel, die sich auf die Spielmechanik oder die Stärke der Spielfiguren auswirken, können den E-Sport-Wettbewerb verfälschen. Solche Verzerrungen muss der Veranstalter mit dem Spielehersteller vertraglich ausschließen und sicherstellen, dass während des Wettkampfes bzw. der Qualifikationen der Spieletitel unverändert zur Verfügung steht.
Investments im E-Sport: Multiple Ownership-Regeln immer häufiger
Insbesondere die Etablierung von Franchise-Ligen hat das Engagement finanzstarker Investoren offenkundig gemacht: Um einen Startplatz in den genannten Ligen LEC von Riot oder der Overwatch League (OWL) von Activision Blizzard zu erlangen, mussten E-Sport-Organisationen Millionenbeträge aufbringen, was nur mithilfe potenter Geldgeber gelang. Auch nicht endemische Unternehmen sehen in dem geschlossenen Franchise-System und dem ausbleibenden Abstiegsrisiko eine sichere und langfristige Investition.
Zwar kennt der E-Sport bislang keine Financial Fair Play Regeln (wie z.B. die der UEFA zur Einhaltung einer finanziellen Balance innerhalb europäischer Klubwettbewerbe). Dennoch integrieren Veranstalter - wie Riot für die LEC - in ihren Teilnahmebedingungen Regeln zum Multiple-Ownership, um die Einflussnahme von Investoren auf den sportlichen Wettbewerb durch die Finanzierung mehrerer Teams zu unterbinden. Solche veranstaltungsbezogenen Regeln finden sich zunehmend auch bei unabhängigen Veranstaltern wie der ESL oder StarLadder.
Es herrscht also eine gewisse Unübersichtlichkeit über vorhandene Regelwerke, die maßgeblich auf den bunten Strauß unterschiedlicher Wettbewerbe und Ausrichter für jeweils unterschiedliche Spieletitel zurückzuführen ist. Es steht zu erwarten, dass sich mit zunehmender Professionalisierung im E-Sport die notwendigen Regelwerke und Instrumentarien zur Sicherstellung der Integrität und Stabilität von Wettbewerben weiter herausbilden. Diese Entwicklung wird derzeit maßgeblich durch die starke Position der Spielehersteller bestimmt, die – wie es das Beispiel der Franchise-Ligen zeigt – für einzelne Spieletitel Standards setzen. Ob Versuche von E-Sport-Verbänden, ohne das Mitwirken der Spielehersteller spieleübergreifende Regeln für Wettkämpfe und Spielertransfers zu schaffen, erfolgreich sein können, muss derzeit bezweifelt werden.
Der Autor Rechtsanwalt Prof. Dr. Dieter Frey, LL.M. (Brügge) ist Partner der Kanzlei FREY Rechtsanwälte Partnerschaft in Köln, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und für Sportrecht. Er ist Honorarprofessor für Medien- und Sportrecht an der University of Applied Science Europe sowie Vorstand des kölner forum medienrecht e.V. Im September 2020 erscheint das von ihm herausgegebene Praxishandbuch "eSport und Recht".
E-Sport und Verbandsrecht: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42586 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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