Entwurf zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug: Inte­grität durch Strafe?

von Dr. Peter Schneiderhan

12.02.2016

Die Regierung will Sportwettbetrug und Manipulationen im Bereich sportlicher Wettbewerbe sanktionieren. Doch Wettbetrug ist schon heute strafbar, und die Integrität des Sports kein Schutzgut, sagt Peter Schneiderhan.

Mit dem Referentenentwurf zur "Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe" legt die Bundesregierung nach dem Anti-Doping-Gesetz (AntiDopG) in kurzer Zeit das zweite Gesetz zum strafrechtlichen Schutz der "Integrität des Sports" vor.

Während das AntiDopG auch die Sicherung der Chancengleichheit im Sport und die Gesundheit der Sportler zum Ziel hat, sollen die neuen Paragraphen des Sportwettbetruges neben der "Glaubwürdigkeit und Authentizität des sportlichen Kräftemessens" (Referentenentwurf - RE) auch die wirtschaftlichen Interessen von Vereinen, Sportlern und Wettenden schützen.

Die neuen Tatbestände des Sportwettbetruges und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben sollen, im Anschluss an die Leistungserschleichung und den Kreditbetrug, in den §§ 265c ff StGB-RE im Strafgesetzbuch verankert werden.

§ 256c StGB-RE: Die Absprache genügt

Sportwettbetrug nach § 256c StGB-RE liegt vor, wenn ein Spieler oder Trainer für sich oder einen Dritten eine Leistung dafür fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, dass er den Verlauf eines Wettkampfs des organisierten Sports zugunsten des Wettkampfgegners beeinflusst. Infolgedessen soll ein rechtswidriger Vermögensvorteil durch eine auf diesen Wettkampf bezogene Sportwette erlangt werden. Den Tatbestand erfüllen auch Schiedsrichter, welche das Ergebnis eines Wettbewerbs durch regelwidrige Entscheidungen beeinflussen sowie all jene, die Spielern, Trainern oder Schiedsrichtern unter den genannten Umständen Leistungen anbieten oder versprechen.

Kern des abstrakten Gefährdungsdelikts ist damit die Unrechtsvereinbarung, mit welcher die Vorteilsannahme als Gegenleistung für die Beeinflussung des Wettkampfes mit dem Vermögensvorteil einer Sportwette verknüpft wird. Nicht erforderlich ist, dass die Manipulationshandlung tatsächlich ausgeführt wird oder es zum Wetteinsatz kommt. Als typische angestrebte Tathandlung des Spielers sieht der Gesetzgeber das bewusste Zurückbleiben eines Sportlers hinter seinen Leistungsgrenzen oder ein Vergeben von Chancen, beim Trainer ein Einsetzen schwächerer Sportler oder eine Anweisung im Spielverlauf, welche die eigene Mannschaft schwächt. Dabei muss der Sportler oder Trainer zumindest damit rechnen, dass seine Handlung für einen betrügerischen Wetteinsatz genutzt werden soll.

§ 256d StGB-RE: Kein Wetthintergrund nötig

Der Tatbestand der "Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben" (§ 256d StGB-RE) ist erfüllt, wenn der Vorteil, den ein Sportler oder Trainer fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, als Gegenleistung für eine Beeinflussung eines "Wettbewerbs des organisierten Sports" in wettkampfwidriger Weise zugunsten des Wettkampfgegners dienen soll. Täter können auch Schiedsrichter sein, welche den Wettkampf durch eine regelwidrige Entscheidung beeinflussen sollen, sowie diejenigen, die für die genannte Leistung den Vorteil versprechen oder anbieten. Die Manipulation muss in einem Wettbewerb erfolgen, welcher von einem Bundesverband oder einer internationalen Sportorganisation veranstaltet wird und an welchem Berufssportler teilnehmen, welche durch ihre sportliche Betätigung unmittelbar oder mittelbar Einnahmen von erheblichem Umfang erzielen.

Die Manipulation muss nicht im Zusammenhang mit einer Sportwette stehen. Der Tatbestand umfasst daher z.B. auch Absprachen, um einen Abstieg zu verhindern. Die vereinbarte Beeinflussung muss jedoch wettbewerbswidrig sein, der regelkonforme Transfer von Sportlern wird ausdrücklich nicht erfasst.

Ermittlungsbefugnisse und vage Definitionen

Beide Tatbestände werden den Ermittlungsbehörden erhebliche Nachweisprobleme bereiten. Konsequenterweise will der Gesetzgeber verdeckte Ermittlungsmaßnahmen wie Telefonüberwachung, die er ansonsten nur sehr zurückhaltend zulässt, hier erlauben. Dennoch dürften wohl viele Ermittlungsverfahren ohne Anklage enden.

Die Problematik des Gesetzesentwurfs zeigt sich zunächst an fehlenden Definitionen zentraler Begriffe. Sport wird, wie bereits im AntiDopG, nicht definiert. Was ein berufssportlicher Wettbewerb ist, bleibt weitgehend offen. Ebenso, was strafrechtlich als wettkampfwidrig anzusehen ist.

Seine Integrität muss der Sport selbst gewährleisten

Die Problematik zeigt sich insbesondere in der Ambivalenz der zu schützenden Rechtsgüter. Die "Integrität des Sports" als ein Schutzgut ist eine Forderung an den Sport, welche dieser selbst einlösen muss. Sie kann nicht vom Gesetzgeber mit der Feststellung, der Sport sei Träger "von positiven Werten, wie Leistungsbereitschaft, Fairness, Toleranz und Teamgeist" (RE) postuliert werden. So sehr die Einhaltung dieser Werte zu fordern ist, sind sie in dieser Unverbindlichkeit keine Rechtsgüter, die strafrechtlich geschützt werden könnten.

Dies wird auch im Referentenentwurf deutlich, wenn er zusätzlich von der "große(n) wirtschaftliche(n) Bedeutung" sowie den "mit ihm verbundenen Vermögensinteressen" des Sports spricht, die es zu schützen gilt. Diese finanziellen Interessen als zweites Rechtsgut lassen sich mit der Idee des Sports als "Muster für lebenslange körperliche Betätigung und eine gesunde Lebensweise" (Berliner Erklärung vom 30.05.2013) kam vereinbaren. Es ist offen, welchen Sport der Gesetzgeber schützen will.

Gefahrenabwehrrecht zur Bekämpfung von Wettkriminalität wirksamer

Daher ist das Gesetz überflüssig. Bei dieser Feststellung ist zu berücksichtigen, dass ein strafrechtlicher Vermögensschutz von Wettteilnehmern über die Strafbarkeit des Wettbetruges als regulären Fall des Betrugs bereits besteht. Was als Schutzgut der §§ 265c ff StGB - RE bleibt, sind einerseits die finanzielle Interessen von Sportlern und Vereinen, die bereits im Vorfeld eingetretener Schäden gesichert werden sollen, und andererseits das vage Postulat der "Integrität des Sports". Ziel ist auch eine Bekämpfung der mit Wetten allgemein verbundenen Kriminalität, die jedoch durch Regelungen der Gefahrenabwehr für alle Wettbereiche - und nicht nur der Sportwetten - besser eingedämmt werden könnte.

Damit stellt sich die Frage, ob es Aufgabe der Strafverfolgung sein kann, den Sport und dessen wirtschaftliche Betätigung in einem internationalen, selbstverwalteten Geschäftsumfeld ohne staatliche Kontrolle und öffentliche Rechenschaftspflichten mit Millionenumsätzen strafrechtlich zu schützen. Dies, ohne durch eine besondere Strafbarkeit von Funktionären die "Glaubwürdigkeit und Authentizität" des Sports weiter abzusichern. Und, ob für eine solche aufwändige Strafverfolgung die knappe Ressource Justiz richtig eingesetzt wird.

Der Autor Dr. Peter Schneiderhan ist Oberstaatsanwalt in Stuttgart und Mitglied im Präsidium des Deutschen Richterbundes.

Zitiervorschlag

Entwurf zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug: . In: Legal Tribune Online, 12.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18439 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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