Gesetzentwurf im Scheinvaterregress: Illu­sion der Vater­schaft als Aus­g­leich

Zu erfahren, dass man das Kind eines anderen großgezogen hat, ist emotional ein unersetzlicher Verlust. Finanziell bald wohl auch: Der Gesetzgeber will den Regress des Scheinvaters weitestgehend abschaffen. Herbert Grziwotz zum Entwurf.

Der Mann, der jahrelang ein Kind für sein eigenes gehalten hat und nunmehr erfährt, dass er nicht der biologische Vater ist, fühlt sich (zu Recht) betrogen. Er hat jahrelang ein Kind großgezogen und versorgt, das biologisch das eines anderen Mannes ist. Wenn der Irrtum offenbar wird, ist der Scheinvater aufgrund seines Alters oder eines ärztlichen Eingriffs vielleicht auch gar nicht mehr in der Lage, noch eigene Kinder zu bekommen.

In dieser Situation stellt der geltend gemachte Unterhaltsrückgriff gegen den biologischen Vater häufig eine Art "Schadensersatz" dar. Allerdings muss der rechtliche Vater, um seinen Anspruch geltend zu machen, den Erzeuger kennen. Hierzu benötigt er Informationen von der Mutter des Kindes, seiner  (nun möglicherweise: ehemaligen) Partnerin, über den oder die Männer, mit denen sie in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte. Der BGH (Beschl. v. 02.07.2014, Az. XII ZB 201/13) hat ihm diesen Auskunftsanspruch gewährt. Das BVerfG (Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14) sah dies als unzulässige Rechtsfortbildung ohne gesetzliche Grundlage an. Zudem hat es gefordert, dass auch ein gesetzlicher Anspruch das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frau und vor allem die Wahrung ihrer Intimsphäre beachten muss.

Gesetzlicher Auskunftsanspruch des Scheinvaters

Der Gesetzgeber versucht sich nunmehr an  einem Interessenausgleich zwischen dem Scheinvater, dem biologischen Vater und der (untreuen) Mutter. Der Scheinvater erhält zur Vorbereitung seines Regressanspruchs einen Auskunftsanspruch gegenüber der Mutter des Kindes hinsichtlich des Mannes oder der Männer, mit denen sie während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte. Zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts der Mutter besteht die Verpflichtung zur Auskunftserteilung aber nicht, wenn und solange diese für sie unzumutbar wäre.

Die Auskunftserteilung soll der Mutter regelmäßig dann zumutbar sein, wenn sie ihren Partner zur Anerkennung der Vaterschaft veranlasst oder auf eine Nachfrage Zweifel an der Abstammung des Kindes durch unzutreffende Angaben oder wahrheitswidrige Behauptungen zerstreut hat.

Unzumutbarkeit liegt hingegen vor, wenn sich die Mutter durch die Benennung ihres Geschlechtspartners selbst der Strafverfolgung aussetzen könnte (z. B. strafbarer Beischlaf) oder das Kind bei einer Vergewaltigung gezeugt wurde. Auch das bloß allgemeine Interesse des Scheinvaters, den Namen des Erzeugers "seines" Kindes zu erfahren, genügt nicht, wenn er dem Kind keinen Unterhalt geleistet hat.

Regress künftig erst ab Kenntnis

Bisher gibt es keine zeitliche Einschränkung für den Unterhaltsregress des Scheinvaters. Er konnte den gesamten von ihm für das Kuckuckskind geleisteten Unterhalt von dessen biologischem Vater fordern. Dies soll nunmehr auf den Zeitraum begrenzt werden, ab dem der Scheinvater erfährt, dass er (möglicherweise) nicht der Vater ist.

Den für das Kind geleisteten Unterhalt kann der Scheinvater deshalb künftig nur noch für den Zeitraum von zwei Jahren vor Einleitung des Verfahrens auf Anfechtung der Vaterschaft bis zum Abschluss dieses Verfahrens verlangen. Allerdings beschreitet der Gesetzgeber in seiner Begründung neue Wege. Das bis zu einem Verdacht gelebte Familienleben soll nämlich nach seiner Ansicht nicht monetär rückabgewickelt und dadurch auf einen Kostenfaktor beschränkt werden.

Kompensation Unterhaltsschaden durch Vaterfreuden?

Die Begrenzung des Unterhaltsregresses mit der Begründung des gelebten Familienlebens ist neu. Kann der Anschein einer heilen Familie den finanziellen Schaden des rechtlichen Vaters kompensieren? Und gilt das auch für etwaige Ersatzansprüche gegen die Mutter, die nicht nur durch ihren "Seitensprung", sondern vor allem durch das Unterschieben des Kindes einen Betrug begonnen hat? Und ist es wirklich so, dass das "gelebte Familienleben" auch dann noch für die geleisteten Unterhaltszahlungen entschädigt, wenn es praktisch nur im Umgangs- und Auskunftsrecht bestanden hat, weil der Scheinvater sich kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt hat? Wenn die Wahrnehmung dieser Umgangs- und Auskunftsrechte womöglich gar in jahrelangen, zermürbenden Familienrechtsstreitigkeiten eingeklagt werden musste, die der Scheinvater wegen eines Kindes geführt hat, das gar nicht das seine war – ist auch das dann noch ein "Familienleben", das den Wegfall seines Regressanspruchs rechtfertigen kann?

Man kann wohl nur Liebe gegen Liebe, Vertrauen gegen Vertrauen etc. "austauschen"; eine Kompensation "Illusion einer heile Familie gegen Unterhaltsschaden" ist dagegen familienrechtlich ein Irrweg.

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Verfasser zahlreicher familienrechtlicher Abhandlungen.

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, Gesetzentwurf im Scheinvaterregress: . In: Legal Tribune Online, 01.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19861 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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