Reform der Ökostrom-Umlage: "Wer auf eigene Solarenergie setzt, wird bestraft"

von Claudia Kornmeier

11.04.2014

2/2: "Ich teile die Argumentation der Textilbranche nicht"

LTO: Das klingt ein wenig nach der Argumentation der Textilbranche, deren Unternehmen derzeit vor verschiedenen Zivilgerichten gegen die Ökostrom-Umlage klagen. Sie halten diese für eine unzulässige Sonderabgabe. Die Subventionierung einer bestimmten Art der Energieerzeugung müsse der Staat mit Steuern finanzieren, er dürfe dafür nicht Abgaben von den Stromverbrauchern erheben. Überzeugt Sie das?

von Oppen: Meine Überlegung geht in eine vollständig andere Richtung. Charakteristisch für eine Sonderabgabe ist die sogenannte "Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand".

Vergütungsmechanismen zwischen Privaten, wie das bei der EEG-Umlage der Fall ist, erfüllen diese Voraussetzung nicht. Das sehen bisher auch die Gerichte so. Die Textilindustrie will den Charakter der EEG-Umlage als Sonderabgabe aus folgendem herleiten: Die Erhebung der Umlage sei gesetzlich so intensiv geregelt, dass sie trotz fehlender formaler Beteiligung der öffentlichen Hand am Ausgleichsmechanismus, die Wirkungen einer Sonderabgabe habe. Man muss sich aber ernsthaft die Frage stellen, ob es nicht ein Formenmissbrauch ist, wenn die Umlage wie eine Steuer eingesetzt würde, indem man für eine Belastung lediglich an das Recht zum Strombezug anknüpft. Die Idee stammt übrigens nicht von mir, aber ich finde sie bei näherem Hinsehen sehr plausibel.

"Berechnung der Umlage hat wenig mit Kosten der Energiewende zu tun"

LTO: In der Konsequenz bräuchte es also nicht weniger, sondern mehr Ausnahmen von der Umlage?

von Oppen: Aus rechtlicher Sicht ja, und zwar jenseits aller politischen Wünsche. Die EEG-Umlage ist ein schwieriges Instrument. Ihre Berechnung ist auch sehr theoretisch und hat mit den tatsächlichen Kosten der Energiewende wenig zu tun.

LTO: In der Berichterstattung über eine mögliche Verfassungsklage der Solarbranche und der Verbraucherzentrale ging es vor allem um einen möglichen Gleichheitsverstoß.

Von Oppen: Dieses Argument ist zwar einfacher zu verstehen als die Überlegungen zu Art. 2 Abs. 1 GG. Rechtlich ist das aber viel schwieriger zu begründen, weil der Gesetzgeber bei der Auswahl der Sachverhalte die er gleich oder ungleich behandelt einen weiten Beurteilungsspielraum hat. Aber der Vollständigkeit halber: Wer Strom aus erneuerbaren Energien für den eigenen Verbrauch erzeugt, wird nach dem derzeitigen Gesetzesentwurf deutlich höher mit der EEG-Umlage belastet als bestimmte Eigenverbraucher konventioneller Eigenerzeugungsanlagen. Von der Umlage gänzlich befreit ist der sogenannte Kraftwerkseigenverbrauch, von dem etwa die Betreiber von Atom- und Kohlekraftwerken profitieren.

Deutlich günstiger kommt auch die stromintensive Industrie weg, die zu 85 Prozent von der Umlage befreit werden soll, und zwar unabhängig davon, ob sie fossil oder erneuerbar erzeugten Strom einsetzt. Für diese Befreiungen spricht zum einen das Interesse an einer günstigen Stromerzeugung und zum anderen die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Das sind bestimmt sachliche Gründe, die nicht zu beanstanden sind. Allerdings dürfen sie nicht dazu führen, dass der eigentliche Zweck des EEG auf den Kopf gestellt wird – es darf also keinen Systembruch geben. Es ist jedenfalls nicht ganz ausgeschlossen, dass ein solcher Systembruch hier bejaht werden kann.

LTO: Was können Solarunternehmen nun tun? Direkt zum BVerfG gehen?

von Oppen: Es ist wichtig, noch einmal herauszustellen, dass natürlich nur ein Anlagenbetreiber den Weg zum Verfassungsgericht gehen kann und nicht die Verbände selbst. Anlagenbetreiber könnten unmittelbar gegen das in Kraft getretene Gesetz, im Wege der sogenannten Rechtsatzverfassungsbeschwerde zu Felde ziehen. Hier gibt es wiederum zwei Möglichkeiten, das etwas riskantere Eilverfahren oder der geduldige Weg über ein Hauptsacheverfahren.

Anlagenbetreiber können aber auch die erste Rechnung der Energieversorger über die Umlage abwarten. Zahlt der Anlagenbetreiber häufiger nicht, wird ihn der Energieversorger irgendwann vor den Zivilgerichten verklagen. Das geht dann durch die Instanzen, bis man gegen die letzte Entscheidung Verfassungsbeschwerde erheben kann.

LTO: Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten?

von Oppen: Allen ist klar, dass die Klage beim BVerfG kein Spaziergang ist. Aber das sollte einen nicht abschrecken.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Margarete von Oppen hat im Auftrag des Bundesverbandes Solarwirtschaft ein Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit der Eigenverbrauchsumlage erstellt. Die Bundesverbraucherzentrale unterstützt die Solarbranche dabei.

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Reform der Ökostrom-Umlage: . In: Legal Tribune Online, 11.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11678 (abgerufen am: 12.11.2024 )

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