Klagen gegen die EEG-Umlage: Energie ist mehr als Strom und Kosten

2/2: Vorgeschobenes Argument gegen ernsthafte Energiewende

Den letztgenannten Grundrechtsschutz übergeht die Bundesregierung, wenn sie den Ausbau erneuerbarer Energien nun durch eine EEG-Novelle deckeln will. Denn so würde nicht nur der Klimaschutz ausgebremst. Es würde auch verkannt, dass das EEG nur eines von vielen Elementen ist, das für steigende Strompreise verantwortlich ist. Ebenso wird übersehen, dass die Bundesregierung selbst die Belastung von Verbrauchern in die Höhe getrieben hat durch immer weiter ausgebaute Entlastungen für viele Industriezweige, welche weder EEG-Umlage noch Stromsteuer in vollem Umfang zahlen müssen. Denn je weniger die Industrie zur EEG-Umlage beiträgt, desto mehr müssen eben die Verbraucher tragen. Zudem erscheint irrational, dass über wenige Euro im Jahr bei den Strompreisen ernsthaft diskutiert wird, gleichzeitig aber viel deutlichere Preissteigerungen in anderen Lebensbereichen nicht thematisiert werden.

Vor allem aber übersieht die Bundesregierung einen zentralen Gesichtspunkt: Die entscheidende Katastrophe des 21. Jahrhunderts für die sozial Schwächeren wäre der Klimawandel selbst. Die dabei drohenden sozio-ökonomischen Verwerfungen haben eine derart weitgehende Dimension, dass Debatten über einen Cent bei den kwh-Strompreisen in Relation dazu einen recht eigenartigen Beigeschmack haben. Wenn man etwa das Ausmaß sieht, in dem die Finanzkrise mittelbar die Privathaushalte mitbelastet, ist die Strompreisdebatte unschwer als teilweise vorgeschobenes Argument gegen eine ernsthafte Energiewende erkennbar.

Kaum jemand spricht über Effizienz und Sparsamkeit

Die aktuelle Strom- und Energiewendedebatte ist teilweise fehlgeleitet. Es ergibt wenig Sinn, sich ausschließlich mit Stromthemen zu beschäftigen. Eine ernsthafte und nicht nur rhetorische Klimapolitik mit den allgemein anerkannten Emissionsreduktionszielen um bis zu 95 Prozent bis 2050 erfordert, dass die fossilen Brennstoffe schrittweise aus dem Markt genommen werden, und zwar bei Strom, Wärme, Treibstoff und den sehr zahlreichen stofflichen Nutzungen wie Kunststoffen und Mineraldünger. In Deutschland redet man exklusiv über Strom; zudem fast nur über Atomstrom und erneuerbare Energien, und nicht über Energieeffizienz. Und erst recht spricht kaum jemand über Genügsamkeit, also darüber, dass in manchen Lebensbereichen – etwa beim Fleischkonsum – keine technischen Lösungen, sondern nur Verhaltensänderungen die gewünschte Emissionsreduktion erbringen können.

Um die fossilen Brennstoffe aus dem Markt zu nehmen, wären eine europaweit schrittweise erhöhte Energiebesteuerung oder ein flächendeckender, auf den Faktor Primärenergie umgestellter EU-Emissionshandel das Mittel der Wahl. Letzterer würde nicht länger nur einzelne Industriezweige erfassen, sondern die Unternehmen zu jährlichen Reduktionen verpflichten, die als erstes die fossilen Brennstoffe Öl, Gas und Kohle in den Markt bringen. Das käme als Preisdruck auf Strom, Wärme, Treibstoff und stoffliche Nutzungen bei den anderen Unternehmen sowie den Endverbrauchern an und würde schrittweise die fossilen Energien zugunsten von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Genügsamkeit vom Markt verdrängen. Interessanterweise favorisieren selbst Wirtschaftsliberale wie Hans-Werner Sinn ähnliche Ansätze. Führt ein Ansetzen beim Preis bei einzelnen Personengruppen wie ALG2-Empfängern tatsächlich zu Härten, könnte man ergänzend über eine Erhöhung der entsprechenden Regelsätze nachdenken.

Das EEG bliebe auch neben einem solchen Ansatz sinnvoll, weil es neue Technologien erst einmal in den Markt bringt, auf die die Unternehmen und Verbraucher sodann zurückgreifen könnten. Das EEG "ist" aber nicht allein die Energiepolitik. Generell ist Zurückhaltung geboten mit immer neuen EEG-Reformvorschlägen, auch mit gut gemeinten Vorschlägen, außer vielleicht was die Rücknahme der Unternehmensfreistellungen angeht. Das EEG ist inzwischen so komplex geworden, dass die Rechtspraxis mit dem Gesetz zunehmend überfordert ist, was wiederum Kosten (etwa durch endlos viele Seminare und Prozesse) verursacht sowie zu Investitionsunsicherheiten führt und damit letztlich den Ausbau erneuerbarer Energien bremst.

Der Autor Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A., Jurist, Philosoph und Soziologe, Universität Rostock und Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig, ist politikberatend zu Nachhaltigkeitsfragen tätig und arbeitet vor allem in den Bereichen Energie- und Klimaschutzrecht, WTO-Recht, Gerechtigkeits- und Menschenrechtstheorie und transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung.

Zitiervorschlag

Felix Ekardt, Klagen gegen die EEG-Umlage: . In: Legal Tribune Online, 20.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8183 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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