Ob im Zehnkampf oder vor dem Computer: Geht es um viel, greifen manche Sportler zu Hilfsmittelchen. Wie in anderen Lebensbereichen bringt die Digitalisierung aber auch hier ihre ganz eigenen Probleme mit sich, zeigt Oliver Daum.
Der E-Sport übt gerade auf junge Menschen eine große Anziehungskraft aus. Er verspricht die seltene, aber gleichwohl realistische Erfolgsstory, sein Hobby zum Beruf machen zu können und über Nacht zum Szenestar zu werden. Die Reize sind hinlänglich bekannt: Neben Aufmerksamkeit und Ruhm lockt der elektronische Sport vor allem mit Siegprämien in Millionenhöhe und lukrativen Werbeverträgen der Sponsoren.
Kein Wunder also, dass Spieler zu unlauteren Mitteln wie Doping greifen, um in den Olymp des bezahlten E-Sports aufzusteigen. Diese Begleiterscheinung gibt es schließlich auch im herkömmlichen Sport. Dort werden die Tricks und Betrügereien der Sportler wie Todsünden behandelt. Im E-Sport auch – aber irgendwie läuft es hier anders.
E-Sport unterfällt nicht dem Anti-Doping-Gesetz
Doping ist ein Problem - auch im E-Sport. Im Jahr 2015 gab etwa der kanadische Ex-Counter-Strike-Profi Kory "Semphis" Friesen in einem YouTube-Video unumwunden zu, gedopt zu haben. Während eines Turniers habe er zusammen mit seinen Teammitgliedern das leistungssteigernde Mittel Adderall genommen. Das ist ein Medikament, das Kindern bei Konzentrationsschwächen aufgrund von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verabreicht wird (ähnlich wie Ritalin). Es bewirkt, dass sich die Spieler besser konzentrieren können und nicht so schnell ermüden.
Ein weiterer Vorfall wurde erst kürzlich publik. In der Washington Post offenbarte der ehemalige US-Profi Adam "KiLLa" Sloss im Februar 2020, dass Adderall speziell unter den Call-of-Duty-Spielern Nordamerikas ein offenes Geheimnis und weit verbreitet sei. Ob E-Sport-Deutschland mit den gleichen Problemen konfrontiert ist, dazu schweigt die Branche.
Ungeachtet dessen bedarf es keiner besonderen Klarstellung, dass E-Sport-Doping auch in Deutschland verboten ist. Von Interesse ist vielmehr, woraus sich das Doping-Verbot ergibt. Denn das Anti-Doping-Gesetz (ADG) erfasst ausdrücklich nur den Begriff "Sport" - und nach der wohl herrschenden Meinung ist E-Sport (noch) kein Sport im juristischen Sinne.
Keine juristische Definition von "Sport"
Einer Anwendbarkeit des ADG auf den E-Sport steht entgegen, dass es bislang keine juristische Definition von "Sport" gibt: Zum einen hat der Gesetzgeber weder in der Gesetzesbegründung zum ADG (BT-Drs. 18/4898) noch im ADG selbst eine entsprechende Definition aufgenommen. Zum anderen hat auch der Bundesgerichtshof keine Definition geliefert, als er im Jahre 2017 mit einer Entscheidung zum Sportbegriff hierzu die Möglichkeit hatte (BGH, Beschl. v. 05.12.2017, Az: 4 StR 389/17). Es gibt also keine abschließende juristische Definition des Sportbegriffs, weshalb E-Sport auch nicht unter "Sport" im Sinne des ADG subsumiert werden kann.
Das Ganze mag man nun als bloßen Buchstabenformalismus abtun. Doch auch wer das ADG systematisch auslegt, dürfte nicht zu einem anderen Ergebnis gelangen. Schließlich ist im Strafrecht dem gedruckten Wort nach dem Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 102 Abs. 2 Grundgesetz (GG) eine besondere Beachtung beizumessen.
BtMG und andere Regelwerke gegen E-Sport-Doping
Das deutsche Doping-Verbot im E-Sport ergibt sich hingegen aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und den Turnierregeln der Veranstalter. Besonders Adderall besteht aus Amphetamin und ist damit ein verkehrsfähiges und verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel. Allerdings ist die bloße Anwendung, also das bloße Im-Körper-Tragen, von Betäubungsmitteln nach dem BtMG nicht strafbar; nach § 3 des ADG hingegen schon. Aus dem BtMG lässt sich also nur ein teilweises E-Sport-Doping-Verbot ableiten. Um diese Regelungslücke zu schließen, setzen die E-Sport-Veranstalter auf eigene Anti-Doping-Regelwerke, womit sie vor neuen Herausforderungen stehen.
Um Doping und andere unlautere Mittel im E-Sport zu verhindern, stellen die privaten Veranstalter und Lizenzinhaber der elektronischen Spiele als Regelgeber eigene Turnier- und Wettbewerbsregeln auf. Danach werden Zuwiderhandlungen zum Beispiel mit der Disqualifikation des gesamten Teams, einer jahrelangen Sperre des einzelnen Spielers (sogenannter "Ban") sowie der Aberkennung von Siegen und deren Prämien sanktioniert. Vollstrecker der Strafen sind übrigens die Regelgeber selbst und nicht etwa der Staat.
Sperren juristisch nicht unproblematisch
Insbesondere die Verhängung von Sperren ist dabei juristisch aber nicht unproblematisch. Viele Profispieler betätigen sich auch als erfolgreiche Streamer, übertragen ihre Spielaufnahmen also (live) ins Internet, wodurch sie mittels Werbung und Einschaltquoten zusätzliche Einnahmen generieren. Durch einen Ban fallen diese Einnahmen jedoch weg, weil die Accounts und Spielerprofile gesperrt werden und die Spieler dadurch den Zugriff auf ihre – unjuristisch gesprochen – "Marke" verlieren. Die Dauer der Sperren variieren und können sogar lebenslänglich ausgesprochen werden, wie der Fall von Jarivs "FaZe" Kaye aus November 2019 grundsätzlich zeigt.
Eine rechtliche Überprüfung der Sanktionen ist dabei nur über den ordentlichen Rechtsweg möglich, denn es gibt keine separate E-Sportgerichtsbarkeit wie im herkömmlichen Sport, zum Beispiel die DFB-Sportgerichte im Fußball. Zu berücksichtigen ist auch, dass einem Ban aufgrund der damit verbundenen Einnahmen nach der mittelbaren Drittwirkung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG auch grundrechtliche Relevanz zu Teil werden könnte. Dieser Aspekt dürfte in den Überlegungen der sanktionierenden Veranstalter und Lizenzinhaber bisher eine untergeordnete Rolle gespielt haben.
Was zählt im E-Sport zum Doping?
Das weitaus größere Problem bei der Bekämpfung von Doping im E-Sport stellt sich den Regelgebern jedoch bei der Bestimmung, welche Mittel im E-Sport Doping darstellen. Manche Veranstalter verlassen sich dazu auf die Verbotslisten der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) bzw. der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).
Nur: Die dort enthaltenen Dopingmittel sind auf die körperliche Kraftentfaltung wie etwa beim Laufen, Radfahren, Gewichtheben, Schwimmen etc. fokussiert. Beim E-Sport geht es im Gegensatz dazu um die Steigerung von Konzentration und der Vorbeugung von Müdigkeit durch Gehirndoping.
Den Experten fällt die Bestimmung der verbotenen Substanzen im E-Sport dementsprechend schwer. Vor allem auch deshalb, weil weit verbreitete Medikamente wie Ibuprofen oder Betablocker ebenfalls leistungssteigernde Wirkungen im E-Sport haben können. Die Sanktionierung eines Spielers oder gar dessen gesamten Teams aufgrund eines unsicheren Doping-Verstoßes birgt ein hohes Risiko für alle Beteiligten und den E-Sport im Besonderen. Wo genau will man die Grenzen abstecken?
Eine eigene Verbotsliste im E-Sport?
Dennoch wurden bei einigen E-Sport-Großveranstaltungen in der Vergangenheit vereinzelte Dopingkontrollen durchgeführt. Manche Veranstalter organisieren sich dazu in der der Esports Integrity Commission (ESIC). Die ESIC hat eine eigene E-Sport-spezifische Verbotsliste formuliert. Allerdings ist diese Liste bereits über vier Jahre alt und enthält ein Verbot von lediglich sieben Substanzen.
Auch ein Rückgriff auf die Anti-Doping-Ordnung des Deutschen Schachbundes ist nicht zielführend. Zwar ist E-Sport mit Schach insofern vergleichbar, als dass es dort vor allem um mentale Kraftentfaltung geht. Doch greift die Anti-Doping-Ordnung des Schachbundes ihrerseits auf die Dopingliste der NADA zurück, um die verbotenen Substanzen im Schach zu bestimmen, was – wie oben angeführt – wenig Erfolg versprechend ist.
Die wirksame Bekämpfung von Doping im E-Sport bleibt damit erst einmal ein Dauerbrenner: Zu vielen Spielern erscheint Doping als probates Hilfsmittelchen, um E-Sport-Profi zu sein. Dabei sind auch die Veranstalter und Lizenzinhaber in der Pflicht, ihren Beitrag der Anti-Doping-Maßnahmen im E-Sport zu überdenken.
Der Autor Dr. Oliver Daum ist Rechtsanwalt in Kiel und betreibt die Webseite www.E-Sportrecht.de.
Doping im E-Sport: . In: Legal Tribune Online, 01.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41475 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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