Bohlen und Prinz Ernst August klagen gegen Zigarettenwerbung: EGMR soll deutsche Rechtsprechung zur Namensnennung von Prominenten prüfen

von Prof. Dr. Markus Ruttig

03.05.2012

Vor den deutschen Gerichten erhielten sie keinen Schadensersatz, nun ziehen Dieter Bohlen und Prinz Ernst August von Hannover nach Straßburg, um für Werbungen der Zigarettenmarke Lucky Strike entschädigt zu werden. Was sich die Promis vom EGMR erhoffen, analysiert Markus Ruttig.

Wo fängt der Spaß an und wo hört die Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf? Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 05.06.2008, Az. I ZR 96/07, und I ZR 223/05) mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2008 neu beantwortet. In zwei Fällen entschieden die Karlsruher Richter, dass Prominente die Nennung ihres Namens in der Werbung dulden müssen, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind.

Zum einen muss sich die Werbeanzeige in satirisch-spöttischer Form mit einem in der Öffentlichkeit diskutierten Ereignis auseinandersetzen, an dem der Genannte beteiligt war. Zum anderen darf sein Image- und Werbewert durch die Verwendung seines Namens nicht ausgenutzt und nicht der Eindruck erweckt werden, als indentifiziere der Genannte sich mit dem beworbenen Produkt.

Bis dahin galt, dass Werbung mit Prominenten, sei es durch Nutzung ihres Namens oder durch die Verwendung ihres Bildes, stets rechtswidrig und entschädigungspflichtig war. Auch und gerade Prominente mussten einen ungefragten Eingriff in den kommerziellen Teil ihres Persönlichkeitsrechts nicht dulden.

"War das Ernst? Oder August?"

So sahen es auch noch das Landgericht und das Oberlandesgericht Hamburg in den bei den beiden Klagen, die Ernst August Prinz von Hannover und Dieter Bohlen gegen Werbeanzeigen für die Zigarettenmarke "Lucky Strike" angestrengt hatten.

In einer der beanstandeten Anzeigen warb der Tabakkonzern unter Anspielung auf tätliche Übergriffe des Prinzen mit der Abbildung einer zerknautschen Zigarettenpackung und der Textzeile: "War das Ernst? Oder August?". Im Fall Dieter Bohlen war neben einer intakten Packung in Anspielung auf dessen Buch "Hinter den Kulissen" zu lesen: "Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher." Einzelne Wörter waren geschwärzt, aber lesbar, weil auch das Buch von Dieter Bohlen nach mehreren Gerichtsverfahren nur mit geschwärzten Textpassagen vertrieben werden durfte.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) soll nun als fünftes mit der Sache befasstes Gericht die Kehrtwende in der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung rückgängig machen und auch die satirisch-spöttische Werbung als Eingriff in den (kommerziellen Teil) des Persönlichkeitsrechts verbieten. Aber sind die Kläger wirklich so humorlos? Für Dieter Bohlen, selbst Nichtraucher, soll der Spaß aufhören, wenn ein Tabakkonzern auf seine Kosten Werbung macht.

Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht

Und damit ist genau das Problem an der jüngeren deutschen Rechtsprechung angesprochen, das dem Juristen das Lachen vergehen lassen kann: Werbung will immer nur eines; Den Kunden überzeugen, die beworbene Ware oder Dienstleistung zu konsumieren.

Werbung ist damit Meinungsäußerung und fällt in den Schutzbereich der von Art. 5 Grundgesetz geschützten Meinungsfreiheit. So weit, so eindeutig. Ebenso eindeutig ist, dass sich die Werbung auch mit Themen auseinandersetzen darf, die aktuelle Bezüge haben und die Öffentlichkeit interessieren. Auch in satirisch-spöttischer Form.

Aber wer bestimmt darüber, ob, wie in den hier interessierenden Fällen, ein Image- oder Werbewert einer Persönlichkeit ausgenutzt wird und vor allem, ob nicht der Eindruck erweckt wird, der Betroffene identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt, hier also Zigaretten. Dem Eindruck jedenfalls, dass "auf Kosten" der Prominenten Werbung gemacht werde, kann man sich so ohne weiteres nicht entziehen. Allein die Verwendung ihres Namens sichert dem Werbenden Aufmerksamkeit. Sonst würde er ihn nicht für sich verwenden.
 
Es ist außerdem nicht abwegig, dass der Verbraucher – etwa im Fall Bohlen – denkt, dieser sei mit der Werbung einverstanden und werde dafür vergütet. Denn auch eine selbstironische Darstellung ist in der Werbung keine Seltenheit. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen: Die selbstironische Auseinandersetzung gerade in der Werbung könnte für den Prominenten gerade die Möglichkeit sein, einer kritischen Berichterstattung in der Presse zu begegnen.

Instrumentalisierte Prominente

Auf einer Linie scheinen auch die vom BGH entschiedenen Fälle jedenfalls nicht unbedingt zu liegen. In dem vom BGH vorab entschiedenen Fall von Oskar Lafontaine (Urt. v. 26.10.2006, Az. I ZR 182/04 – Rücktritt des Finanzministers), der nach seinem Rücktritt aus dem Kabinett Schröders sogar die Verwendung einer Abbildung in einer Sixt-Werbung mit der Unterschrift "Wir vermieten Autos auch an Mitarbeiter in der Probezeit" hinnehmen musste, mag die Gefahr der Vereinnahmung ausgeschlossen gewesen sein. Bei der Zigarettenwerbung mit Dieter Bohlen ist dies längst nicht so klar.

Was in einem Fall eindeutig erscheint, mag schon aufgrund des beworbenen Produkts in einem anderen Fall neu und anders zu bewerten sein. Ironie und Satire vermögen viel zu rechtfertigen. Im Presserecht wie im Wettbewerbsrecht, wo der I. Zivilsenat erst kürzlich eine vergleichende Werbung wegen ihres ironisch überspitzten Inhalts für zulässig erachtete (BGH, Urteil vom 01.10.2009, Az. I ZR 134707 – Gib mal Zeitung). 

Aber die Rechtfertigung sollte die Ausnahme sein, weil man auch ohne den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Prominenter für seine Produkte werben kann. Die Prominenten müssen es nicht dulden, instrumentalisiert und in die Nähe von Produkten gerückt zu werden, mit denen sie sich nicht nur nicht identifizieren, sondern die sie schlicht ablehnen.

Das Schlimmste, was den Prominenten durch die von den deutschen Gerichten für zulässig erachtete Werbung passieren könnte, wäre, dass die Öffentlichkeit denkt: "Jetzt macht er damit auch noch Werbung!". Auszuschließen ist das nur, wenn man die Trendwende der Rechtsprechung kennt und weiß, dass satirisch-spöttische Werbung mit aktuellen Themen zulässig ist und der dabei in Bezug genommene Prominente weder zustimmen, noch vergütet werden muss. Man darf sicherlich bezweifeln, dass dem durchschnittlichen Konsumenten und damit Adressaten der Kampagnen diese aktuellen rechtlichen Entwicklungen geläufig sind. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln. Neben dem Gewerblichen Rechtsschutz liegen seine Schwerpunkte u.a. im Urheber- und Presserecht.

Zitiervorschlag

Markus Ruttig, Bohlen und Prinz Ernst August klagen gegen Zigarettenwerbung: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6118 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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