BGH-Richterstreit vor dem Dienstgericht: Niederlage für Thomas Fischer

von Dr. Christian Rath

15.02.2013

Drei Rügen vor dem Dienstgericht

Im Einzelnen rügte Eschelbach vor dem Spezialsenat des BGH nun, Tolksdorf habe in seine richterliche Unabhängigkeit eingegriffen, als er ihn aufforderte, eine Entscheidung nicht zu unterzeichnen und bekanntzumachen, damit das Präsidium zunächst darüber beraten könne. Einen Eingriff sah er auch darin, dass dieses ihn zu einer Diskussion lud und befragte sowie schließlich darin, dass Tolksdorf Einsicht in dienstliche Erklärungen genommen habe.* Fischer rügte nur den letzten Punkt, unterstützte Eschelbach ansonsten aber argumentativ.

Die BGH-Richter erschienen ohne Anwälte und trugen ihre Anliegen selbst vor. Beklagte in dem Verfahren war nicht Tolksdorf selbst, sondern die Bundesrepublik Deutschland. Zu einem Duell der tatsächlichen Konkurrenten kam es nicht, da der BGH-Präsident nicht an der Verhandlung teilnahm.

Alfred Bergmann, der Vorsitzende des Dienstgerichts, stellte gleich klar, dass sein Gericht nur eine beschränkte Prüfungskompetenz habe. Es könne weder feststellen, ob der Doppelvorsitz rechtmäßig war noch ob die Richter des 2. Senats an die Entscheidungen des Präsidiums gebunden waren. Das Dienstgericht könne nur prüfen, ob die gerügten Maßnahmen als Dienstaufsicht unzulässig in die richterliche Unabhängigkeit von Eschelbach und Fischer eingegriffen hätten.

Am Ende wurden alle drei Anträge zurückgewiesen, da die gerügten Vorgänge allesamt "keine Maßnahmen der Dienstaufsicht" gewesen seien. Denn dazu gehörten nach ständiger Rechtsprechung nur Maßnahmen, die sich kritisch mit dem Verhalten von Richtern auseinandersetzen oder die sich auf das Verhalten von Richtern in der Zukunft auswirken können (Urt. v. 14.02.2013, Az. RiZ 3/12 und 4/12).

Keine Weisung von Tolksdorf

So sah das Dienstgericht in der Aufforderung, den Aussetzungsbeschluss zunächst nicht bekanntzumachen, keine dienstaufsichtliche Maßnahme, weil sie "nicht den Gehalt einer Weisung" gehabt habe, so Richter Bergmann. Auch die Anhörung der drei Richter durch das Präsidium sah das Dienstgericht nicht als Maßnahme der Dienstaufsicht, schließlich sei das Präsidium "kein dienstaufsichtsführendes Organ".

In der Verhandlung hatte Eschelbach gerügt, die drei Richter seien "ins Gebet genommen" worden. Es sei nur darum gegangen, auf ihre Rechtsauffassung Einfluss zu nehmen, denn die Präsidiums-Entscheidung zur Beibehaltung des Doppelvorsitzes sei zu diesem Zeitpunkt bereits getroffen worden. Der Dialog sei wenig ergebnisoffen gewesen. "Über uns hing als Damoklesschwert die Möglichkeit, dass der 2. Strafsenat zerschlagen wird", sagte Eschelbach. Fischer räumte zwar ein, dass das Präsidium keine Dienstaufsicht betreibe, allerdings sei der BGH-Präsident der Dienstvorgesetzte und bleibe das auch, wenn er im Präsidium noch "zehn Freunde" dabei habe.

Agierte Tolksdorf wie ein Gutsherr?

Am intensivsten wurde in der Verhandlung über die Einsichtnahme Tolksdorfs in die dienstlichen Erklärungen diskutiert. Tolksdorf hätte die Richter vorher um ihre Zustimmung bitten müssen und hätte diese nicht erhalten, betonte Fischer. Er könne nicht "wie es ihm beliebt" auf Akten zugreifen, er habe sich wie ein "Gutsherr" verhalten. Damit habe er in das Beratungsgeheimnis eingegriffen und "alles" über Fischers Rechtsauffassung erfahren. Diese Maßnahme habe nicht nur dazu gedient, seine "psychische Stabilität und sein Selbstwertgefühl" zu beeinträchtigen, sondern auch seine Rechtsauffassung zu beeinflussen. Man müsse den Vorgang vor dem Hintergrund sehen, dass die Dissidenten im BGH "als Dienstverweigerer" dargestellt und entsprechend isoliert worden seien.

Die Bundesregierung wies die Vorwürfe zurück. Tolksdorf habe "nie die Absicht gehabt, Einfluss auf die Rechtsprechung zu nehmen", betonte ihr Anwalt Christian Bracher. Der Präsident habe die Erklärungen nur gelesen, um Fragen der Presse und aus dem Präsidium vorbereitet zu sein.

Dienstgerichts-Vorsitzender Bergmann erklärte in der Verhandlung, dass Bundesrichter im Streit um unterschiedliche Rechtsauffassungen auch gewissen Druck aushalten können müssten. Im Ergebnis entschied das Gericht, dass auch der Zugriff auf die dienstlichen Erklärungen keine Maßnahme der Dienstaufsicht war.

Die Blockade bleibt

Inzwischen entschied im Juni 2012 das Bundesverfassungsgericht, dass der Doppelvorsitz Ernemanns nicht gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter verstoßen hatte. Derzeit leitet Jörg Peter Becker den 2. Strafsenat, der vormalige Vorsitzende des 3. Strafsenats. Dort hat übergangsweise BGH-Präsident Klaus Tolksdorf selbst den Vorsitz übernommen. Den 4. Strafsenat führt derzeit kommissarisch Norbert Mutzbauer, der stellvertretende Senatsvorsitzende. Neue Probleme werden entstehen, wenn Ende April 2013 der Vorsitzende des 1. Strafsenats Armin Nack in den Ruhestand tritt.

Thomas Fischer hält seine Bewerbung um den Vorsitz des 2. Strafsenats aufrecht und hat sich zusätzlich für den Vorsitz am 4. Strafsenat beworben. Beide Besetzungs-Entscheidungen sind derzeit aber durch einstweilige Anordnungen des Karlsruher Verwaltungsgerichts blockiert.

Während das Bundesjustizministerium den ersten Eilbeschluss rechtskräftig werden ließ, hat es gegen die zweite Anordnung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim eingelegt, über die in den nächsten Monaten entschieden wird. Bis dahin will das VG Karlsruhe mit den Hauptsacheverfahren warten. Es kann also noch lange dauern, bis das Justizministerium neue Senatsvorsitzende ernennen kann.

*Anm. der Redaktion: Der Satz wurde zur Klarstellung geringfügig grammatikalisch geändert.

Zitiervorschlag

Christian Rath, BGH-Richterstreit vor dem Dienstgericht: . In: Legal Tribune Online, 15.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8157 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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