Dashcams im Straßenverkehr: Darf ich oder darf ich nicht?

von Prof. Dr. Christian Wolf und Nadja Flegler

03.11.2017

2/2 Waren die Aufnahmen rechtswidrig, droht ein Bußgeld

Zuletzt verurteilte jedoch das Amtsgericht München eine Frau zu einer Geldbuße von 150 Euro, da diese ihren Pkw vorne und hinten mit einer Videokamera ausgestattet und laufend das Verkehrsgeschehen aufgenommen und gespeichert hat (AG München, Urt. v. 09.08.2017 - Az.: 1112 OWi 300 Js 121012/17). So konnte diese auch aufzeichnen wie ein anderes Fahrzeug den parkenden Pkw der 52-jährigen Frau touchierte und beschädigte, wobei auch mindestens drei weitere Fahrzeuge aufgezeichnet wurden.

Die Frau übergab die Videoaufnahme der Polizei als Beweismittel und trug vor, dass die Fahrer der Fahrzeuge auf den Bildern nicht zu erkennen seien und keine schützenswerten Daten gespeichert worden wären. Dies sah das Amtsgericht München jedoch anders. Es entschied, dass im vorliegenden Fall das permanente und anlasslose Überwachen des Straßenverkehrsraums gegen § 6b Abs. 1 Nr.3 BDSG sowie gegen § 22 S.1 KunstUrhG verstoße und zugleich die Gefilmten in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs.1 GG verletze. Dieses Recht überwiege das Interesse der Betroffenen an der Aufdeckung einer potenziellen Straftat.

Auch das VG Göttingen entschied mit Urteil vom 31. Mai 2017 über einen ähnlich gelagerten Fall und urteilte zum Nachteil des als "Knöllchen-Horst" bekannt gewordenen und selbsternannten Privatermittlers. Er hatte sein Fahrzeug vorne und hinten mit Minikameras ausgestattet und den Verkehrsraum dauerhaft aufgenommen. Sein Ziel war es, die Verkehrsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer aufzuzeichnen und zur Anzeige zu bringen (VG Göttingen, Urt. v. 31.05.2017 - Az.: 1 A 170/16).

Demgegenüber geht das Oberlandesgericht Nürnberg in seinem Hinweisbeschluss vom 10. August 2017 wiederum von einer Verwertbarkeit der Videoaufnahmen im Ergebnis aus (Az.: 13 U 851/17). Das OLG Nürnberg geht hierbei sogar einen Schritt weiter als die letztjährigen Entscheidungen des LG München und AG Nienburg und vertritt die Auffassung, dass es auch grundsätzlich nicht darauf ankäme, wie lang der Aufzeichnungszeitraum vor dem Unfall war.

Weniger widersprüchlich als man meinen könnte

Auf den ersten Blick scheinen die jüngsten Entscheidungen des AG München und VG Göttingen wieder auf eine Unverwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen hinzudeuten. Gegenstand beider Entscheidungen waren jedoch anlasslose und dauerhafte Videoaufzeichnungen – dass die für unzulässig erklärt wurden, widerspricht nicht unbedingt den Dashcam-freundlichen Entscheidungen.

Das Kriterium der Anlassbezogenheit scheint sich auch in Anbetracht dieser Rechtsprechung zu manifestieren, ebenso wie die Interessenabwägung. Es lässt sich auch weiterhin die Tendenz erkennen, dass die Gerichte das Interesse des Betroffenen an der Verwertbarkeit der Videoaufnahmen bei schwerwiegenden Unfällen oder Verkehrsverstößen eher als überwiegend bewerten.

Zu den bisherigen Unsicherheiten treten, auch in Anbetracht der jüngsten Entscheidung des OLG Nürnberg, aber weitere Fragen und Unklarheiten hinzu: Ab wann ist eine Videoaufnahme anlassbezogen? Ab welchem Zeitpunkt darf die Kamera eingeschaltet werden? Und wann hat eine Aufnahme zu enden?

Von einer einheitlichen Instanzenrechtsprechung kann nach wie vor keine Rede sein. Es bedarf einer höchstrichterlichen Entscheidung, um für den potentiellen Verwender der sogenannten Dashcam einen klaren und transparenten Rechtsrahmen abzustecken.

Prof. Dr. Christian Wolf ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Zivilprozessrecht an der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, Nadja Flegler ist an diesem Lehrstuhl wissenschaftliche Assistentin.

Zitiervorschlag

Dashcams im Straßenverkehr: . In: Legal Tribune Online, 03.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25365 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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