Das Volksbegehren "Sechs Jahre Mietenstopp" ist vor dem BayVerfGH gescheitert. Hat die Entscheidung Signalwirkung für das Verfahren in Sachen Berliner Mietendeckel?
Das Volksbegehren "Sechs Jahre Mietenstopp", das vom Mieterverein München, dem Deutschen Mieterbund Bayern, der bayerischen SPD, der bayerischen Linkspartei und dem DGB München sowie der Initiative "ausspekuliert" initiiert worden war, ist unzulässig. Das entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) am Donnerstag mit 6:3 Stimmen in München und berief sich dabei im Wesentlichen darauf, dass dem Land die Gesetzgebungskompetenz für die Materie fehle (Urt.v.16.07.2020, Az. Vf. 32-IX-20).
In 162 bayerischen Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt sollten nach dem Gesetzentwurf, der dem Volksbegehren zugrunde lag, Vermieter sechs Jahre lang die Miete nicht mehr erhöhen dürfen. Ausnahmen sollte es nur geben, wenn die Miete unter 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt oder wenn Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Die Initiatoren hatten für das Volksbegehren zuvor über 50.000 Unterschriften gesammelt, 25.000 wären erforderlich gewesen.
Nachdem das Volksbegehren schon vom Bayerischen Innenministerium nicht zugelassen worden war, da dieses die Gesetzgebungskompetenz des Landes für die Materie als nicht gegeben ansah, musste nach Art. 64 des bayerischen Landeswahlgesetzes automatisch der BayVerfGH entscheiden. Dieser watschte die Initiatoren mit ähnlichen Argumenten ab wie zuvor die Staatsregierung.
"Mit Bundesrecht offensichtlich unvereinbar"
So sei der dem Volksbegehren zugrundeliegende Gesetzentwurf mit Bundesrecht offensichtlich unvereinbar, da dem Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die Gesetzgebungskompetenz fehle, urteilte das Gericht. Auch bereits existierende bundesgesetzliche Normen würden die Möglichkeit landesgesetzlicher Regelungen versperren.
So habe der Bundesgesetzgeber durch die in §§ 556 d ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) enthaltenen Regelungen zur Miethöhe sowohl bei Mietbeginn (sog. Mietpreisbremse) als auch während eines laufenden Mietverhältnisses (sog. Kappungsgrenze) von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht erschöpfend Gebrauch gemacht. Für den Landesgesetzgeber ergeben sich auch aus den in § 556 d Abs. 2 und § 558 Abs. 3 BGB vorgesehenen Ermächtigungen der Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen keine Abweichungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Festlegung der zulässigen Miethöhe.
Weiter könne der Gesetzentwurf des Volksbegehrens auch nicht auf die gemäß Art. 70 GG gegebene Zuständigkeit der Länder für Bereiche des Wohnungswesens gestützt werden, weil es dafür an einem "öffentlich-rechtlichen Gesamtkonzept" fehle. Schließlich stellten die Mietpreisregelungen im Entwurf laut BayVerfGH "im Ergebnis nichts anderes dar als eine Verschärfung der geltenden Bestimmungen zur Mietpreisbremse und zur Kappungsgrenze".
Die Entscheidung des BayVerfGH zur Zulässigkeit erging nicht einheitlich. Drei Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs waren nach Angaben des Gerichts der Auffassung, das Volksbegehren hätte zugelassen werden müssen, "weil beachtliche Argumente dafür vorgebracht worden seien, dass der Gesetzentwurf des Volksbegehrens mit Bundesrecht vereinbar sein könnte".
Keine Aussagen zur inhaltlichen Rechtmäßigkeit
Da das Volksbegehren bereits im Stadium der Zulässigkeit scheiterte, musste sich der BayVerfGH letztlich nicht zur materiellen Verfassungsmäßigkeit des Mietenstopps äußern: "Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, darüber zu befinden, ob die im Gesetzentwurf des Volksbegehrens vorgesehenen Regelungen sachgerecht, zweckmäßig, angemessen und praktikabel sind", stellten die Verfassungsrichter klar. Für die Entscheidung des Gerichts sei nicht maßgeblich gewesen, "wie die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe in Bayern rechts- und sozialpolitisch zu bewerten sind".
Heftig gestritten wird etwa über das Berliner Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln). Dieser "Berliner Mietendeckel" geht weiter als der bayerische Mietenstopp-Vorschlag, da er sogar eine Absenkung von Mieten unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht.
Das Berliner Gesetz betreffend liegen Verfahren beim Bundesverfassungsbericht (BVerfG) und beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (VerfGH Bln) vor. Es geht dabei zwar auch um materielle Fragen wie die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ins Eigentum, aber als Hauptstreitpunkt wird überwiegend auch die Frage gesehen, ob das Land Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für den Mietendeckel hat.
CDU: "Rückenwind für Verfahren gegen Berliner Mietendeckel"
Erfreut über die Münchner Entscheidung zeigte sich daher der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, MdB Jan Marco Luczak, der die abstrakte Normenkontrolle gegen den Berliner Mietendeckel für die Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU vor dem BVerfG koordiniert:
"Die Entscheidung aus Bayern gibt Rückenwind für unser Verfahren gegen den Berliner Mietendeckel in Karlsruhe. Der Verfassungsgerichtshof hat unsere Argumentation voll bestätigt, dass ein Bundesland keine eigenen, den bundesrechtlichen Mietgesetzen widersprechenden Regelungen erlassen darf. Von unserer konkurrierenden Zuständigkeit haben wir in den letzten Jahren umfassend und abschließend Gebrauch gemacht und eine Fülle von mieterschützenden Regelungen erlassen. Das entfaltet Sperrwirkung." Mietrecht ist und bleibe Bundesrecht - das gelte in Bayern wie in Berlin, so Luczak. Ähnlich wie der Berliner Rechtsanwalt äußerte sich auch der wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst. Das Urteil sei ein wichtiges Signal auch für Berlin.
Durch das Urteil des BayVerfGH bestätigt zeigte sich auch die Bayerische Staatsregierung. "Jede andere Entscheidung wäre eine echte Überraschung gewesen. Die Rechtslage ist klar. Ein Landesgesetz, das die Mieten für Wohnungen auf dem freien Markt für sechs Jahre einfriert, ist verfassungswidrig. Das ist keine Frage des politischen Willens, sondern der Gesetzgebungskompetenz. Diese hat der Bund, nicht die Länder", erklärte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich.
Bayern SPD prüft Verfassungsbeschwerde
Betont kämpferisch reagierte unterdessen Bayerns SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen, eine der Mitinitiatorinnen des Volksbegehrens, auf das Urteil: "Wir sind weder juristisch noch politisch geschlagen", so Kohnen, die auch auf die drei Sondervoten des Gerichts verwies. Die SPD-Politikerin kündigte an, dass ihr juristischer Beistand, die Rechtsprofessoren Dr. Markus Artz und Dr. Franz Mayer, die das Volksbegehren vor Gericht gebracht hatten, nunmehr eine Verfassungsbeschwerde zu dem Urteil prüfen würde. Außerdem werde die SPD das Thema Wohnen "zur harten Kampflinie" bei der kommenden Bundestagswahl machen.
"Wenn der Mietenstopp auf Länderebene auch in Karlsruhe scheitert, muss ihn der Bund endlich einführen", forderte Caren Lay, Vizefraktionschefin der Linken im Bundestag. "Mieten müssen im Interesse des Gemeinwohls politisch reguliert werden."
Mit Material von dpa
Hasso Suliak, BayVerfGH zum Volksbegehren Mietenstopp: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42223 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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