Für eine hohe Angebotsvielfalt auf der Schiene durch einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb müssen die Rahmenbedingungen beim Zugang zum Schienennetz stimmen. Dazu hat die Bundesnetzagentur weitreichende Änderungen in den Nutzungsbedingungen der Netz-Gesellschaft der Deutschen Bahn angemahnt – und ist nun vom BVerwG bestätigt worden. Von Anselm Grün.
Mit seinem etwa 34.000 Kilometern umfassenden Schienennetz, seiner geografischen Mittellage, insbesondere auf dem Weg von den Nordseehäfen am Rhein entlang nach Süden, mit seinen großen, auf den Schienentransport angewiesenen Industrien wie die Automobil- und Chemieindustrie sowie mit seinen Millionen Pendlern und Fernreisenden ist Deutschland in der EU das unangefochtene "Bahnland" Nummer eins.
Um den Schienentransport hier nicht nur der etablierten Staatsbahn zu überlassen, sondern einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb der Bahntransporteure zu ermöglichen, reicht es freilich nicht aus, allen Eisenbahnverkehrsunternehmen nur den reinen Zugang zu den Schienenwegen zu eröffnen. Die entsprechende Betreiberin der Deutschen Bahn, die DB Netz AG, hat nämlich Zugriff auf fast das gesamte deutsche Schienenetz und damit die Spielräume, durch Gestaltung ihrer Entgelte und Nutzungsbedingungen trotz grundsätzlicher Zugangsmöglichkeit Newcomer abzuschrecken und so ihre Transport-Schwestergesellschaften vor unliebsamem Wettbewerb zu schützen.
Der Gesetzgeber hatte deshalb mit der dritten Eisenbahnrechtsnovelle 2005 eine verschärfte Regulierung des Schienenzugangs eingeführt und der Bundesnetzagentur in Bonn den Auftrag gegeben, die Einhaltung dieser Vorgaben zu überwachen.
Bundesnetzagentur prüft auch AGB zum Schienenzugang
Hintergrund ist, dass jeder Schienenwegsbetreiber nach der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV) verpflichtet ist, so genannte Schienennetz-Benutzungsbedingungen aufzustellen. Diese müssen einen vorgegebenen Mindestinhalt an Informationen und Regelungen hinsichtlich der Konditionen des Zugangs zu seiner Infrastruktur aufweisen.
Dazu gehören etwa Angaben zur Art des verfügbaren Schienenweges, Grundsätze und Kriterien für die Zuweisung von Schienenwegkapazität und Informationen zu den Entgelten für die Schienennutzung. Aber auch die klassischerweise in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) enthaltenen Regelungen wie Fragen der Zahlungsmodalitäten, der Sicherheitsleistung oder der Schlechterfüllung müssen zum Gegenstand der Schienennetz-Benutzungsbedingungen gemacht werden.
Dies hat zur Folge, dass typische AGB-Klauseln einer behördlichen Kontrolle unterworfen werden. Jeder Schienenwegsbetreiber ist seit der dritten Eisenbahnrechtsnovelle 2005 nämlich verpflichtet, eine beabsichtigte Neufassung oder Änderung seiner Schienennetz-Benutzungsbedingungen der Bundesnetzagentur vorab zur Prüfung vorlegen, die deren Inkrafttreten widersprechen kann, wenn sie die eisenbahnrechtlichen Vorschriften für den diskriminierungsfreien Netzzugang verletzt sieht.
Dabei darf die Bundesnetzagentur allerdings nicht die ausdifferenzierten Vorgaben des AGB-Rechts an die Klauseln anlegen. Vielmehr ist sie bei ihrer Prüfung auf die eisenbahnrechtlichen Vorschriften beschränkt, die sich weitgehend in einem Diskriminierungsverbot und einem von der Bundesnetzagentur daraus abgeleiteten Transparenzgebot erschöpfen.
Streit um 99 Klauseln und eine Anlage
Mit diesem eher groben Maßstab im Rücken hat die Bundesnetzagentur im Jahr 2006 insgesamt 99 Klauseln und einer Anlage der Schienennetz-Benutzungsbedingungen der DB Netz AG widersprochen. Unter anderem beanstandete die Behörde den Ausschluss der Entgeltminderung im Falle höherer Gewalt, Einzelheiten zur Stellung von Sicherheiten für die Trassenentgelte oder der Vorgabe, wonach das gesamte eingesetzte Personal - einschließlich der Reinigungskräfte - die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen müsse.
Der dagegen eingereichte Klage der DB Netz AG hatte das Verwaltungsgericht Köln nur teilweise stattgegeben (Urt. v. 21.08.2009, Az. 18 K 2722/07). Die von beiden Seiten eingelegte Berufung entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen dann weitgehend zugunsten der DB Netz AG (Urt. v. 17.06.2010, Az. 13 A 2557/09).
In dem Revisionsverfahren, in dem es zuletzt nur noch um 13 Klauseln ging, hat das BVerwG nunmehr der Bundesnetzagentur Recht gegeben (Urt. v. 29.09.2011, BVerwG 6 C 17.10). Damit ist für die Bundesnetzagentur nun die Bahn frei, auch künftig durch eine verstärkte Klauselkontrolle einen transparenten und diskriminierungsfreien Zugang zu den Schienenwegen zu garantieren.
Der Autor Dr. Anselm Grün ist Rechtsanwalt in Berlin und Partner der Sozietät Orth Kluth Rechtsanwälte.
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BVerwG zur Schienenregulierung: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4443 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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