BVerwG zum Kirchenaustritt: Befreiung von der Kirchensteuer nur ohne Wenn und Aber

von Thomas Traub

27.09.2012

Ein katholischer Professor wollte der Kirche als Körperschaft den Rücken kehren, ohne die Glaubensgemeinschaft zu verlassen. Hätte er damit Erfolg gehabt, wäre das System der Kirchensteuer ins Wanken geraten. Doch vor dem BVerwG ist er nun gescheitert. Thomas Traub findet das Urteil richtig, selbst wenn man die Kirchensteuer für falsch hält. 

Die Idee hätte sich zum Erfolgsmodell entwickeln können. Der austrittswillige Katholik, ein emeritierter Kirchenrechtler, hatte bei seiner Erklärung vor dem Standesamt großen Wert darauf gelegt, dass es ihm nur um den Austritt aus der Kirche als Körperschaft ging, ohne dass dadurch seine Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft berührt werden sollte. Das Standesamt hatte seine Austrittserklärung akzeptiert, dagegen hatte das Erzbistum Freiburg geklagt.

Bei einem gerichtlichen Erfolg hätte der Professor einen höchst attraktiven Status erhalten: Eine vollwertige Mitgliedschaft in der katholischen Kirche ohne die Pflicht zur Zahlung von Kirchensteuern. Die Idee hätte sicherlich viele Nachahmer gefunden und im Ergebnis das gesamte System der Kirchenfinanzierung durch Erhebung von Kirchensteuern in Frage stellen können.

Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht es aber nicht kommen lassen: Keine Kirchenmitgliedschaft ohne Kirchensteuer, einen isolierten Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt es nicht, entschieden die Leipziger Richter am Mittwoch (BVerwG, Urt. v. 26.09.2012, Az. BVerwG 6 C 7.12)

Der feine Unterschied: Kirchliches und staatliches Recht

Die spitzfindige Unterscheidung ergibt sich aus den beiden Aspekten der Mitgliedschaft in der katholischen Kirche. Sie unterliegt staatlichem und kirchlichem Recht.

Nach kirchlichem Recht kann man aus der katholischen Kirche gar nicht austreten. Wer einmal katholisch ist, ist immer katholisch, jeder Katholik hat durch die Taufe ein "untilgbares Prägemal" erhalten.

Daher gibt es weder einen Austritt noch einen Ausschluss aus der katholischen Kirche. Auch durch eine Exkommunikation erlischt die Mitgliedschaft in der Kirche nicht, nur die Rechte des betroffenen Gläubigen werden beschränkt.

Die Kirchenmitgliedschaft und ihre staatlichen Folgen

Dieses Selbstverständnis der katholischen Kirche führt im religiös neutralen Staat des Grundgesetzes (GG) dann zu Problemen, wenn mit der Mitgliedschaft in der Kirche auch Rechtsfolgen im staatlichen Bereich verbunden sind. Wichtigstes Beispiel dafür ist die Pflicht zur Zahlung von Kirchensteuern, die in den Kirchensteuergesetzen der Länder geregelt ist. Aber auch für den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oder die Krankenhausseelsorge ist die Mitgliedschaft in der Kirche bedeutsam.

Das Grundrecht der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantiert auch die negative Seite der Religionsfreiheit, also das Recht, keinen Glauben zu haben und einer Religionsgemeinschaft fernzubleiben oder sie zu verlassen.

Diesen Aspekt der grundrechtlichen Glaubensfreiheit sichern die staatlichen Kirchensteuer- bzw. Kirchenaustrittsgesetze. Sie regeln die Möglichkeit eines Kirchenaustritts. Mit dessen Wirksamkeit entfallen für den Bereich des staatlichen Rechts die Rechte und Pflichten, die auf der persönlichen Zugehörigkeit zur Kirche beruhen, insbesondere die Kirchensteuerpflicht.

Dekret der deutschen Bischöfe über Austrittskonsequenzen

Die innerkirchlichen Konsequenzen dagegen ergeben sich allein aus kirchlichem Recht. Auch wenn der Kirchenaustritt danach nicht zum Ausschluss aus der Kirche führt, bleibt er nicht ohne Folgen.

Diese hat die Deutsche Bischofskonferenz erst vor wenigen Tagen durch ein Dekret in Abstimmung mit dem Vatikan geregelt. Sie interpretiert die Austrittserklärung als willentliche und wissentliche Distanzierung von und schwere Verfehlung gegenüber der Kirche.

Wer austritt, darf daher die Sakramente nicht empfangen. Er darf keine kirchlichen Ämter bekleiden und die Mitgliedschaft in Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand erlischt. Kirchliche Mitarbeiter treffen dienstrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Zugleich lädt die Kirche alle ausgetretenen Gläubigen zu einem Gespräch mit dem Ziel einer Versöhnung mit der Kirche ein.

Zitiervorschlag

Thomas Traub, BVerwG zum Kirchenaustritt: . In: Legal Tribune Online, 27.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7191 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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