Die Elbvertiefung ist ein berechtigtes Vorhaben, entschied das BVerwG am Donnerstag. Gleichzeitig aber so schlecht geplant, dass erheblich nachgebessert werden müsse. Hendrik Schilder erläutert, warum sich das Projekt weiter verzögern wird.
Die rechtlichen Auseinandersetzungen um die Planfeststellungsbeschlüsse für den Fahrrinnenausbau von Unter- und Außenelbe sind mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom Donnerstag nicht erledigt. Ziel der Elbvertiefung ist es, auch Containerschiffen mit einem Tiefgang von bis zu 14,50 Metern die Zufahrt zum Hamburger Hafen zu ermöglichen und damit international konkurrenzfähig zu bleiben. Dieses grundsätzliche Vorhaben haben die Leipziger Richter auch gebilligt. Das Gericht sieht aber Mängel in der Aufarbeitung des Habitatschutzes, die zwar behoben werden können, aber die Elbvertiefung vorerst weiter verzögern werden (Urt. v. 09.02.2017, Az: 7 A 2.15).
Einen wesentlichen Streitpunkt hat das BVerwG damit im Sinne der Hansestadt Hamburg entschieden. Das Gericht folgt der Argumentation der klagenden Umweltverbände gegen die Notwendigkeit der Elbvertiefung nicht. Diese hatten kritisiert, dass die Entwicklung des Containerumschlages nicht wie in den Prognosen zum Planfeststellungsbeschluss verlaufe und eine Elbvertiefung für Schiffe größerem Tiefgang deshalb nicht notwendig sei.
Tatsächlich stagniert der Containerumschlag auf dem Niveau von vor rund zehn Jahren. Das BVerwG leitet hieraus indessen nicht ab, dass die Prognose zur Entwicklung des Hafens überholt sei. Angesichts der Entwicklung der Schiffsgrößen insbesondere im Schiffsverkehr zwischen Europa und Asien sei ein Bedürfnis für die Vertiefung der Fahrrinnen nicht zu leugnen. Das oberste Verwaltungsgericht bestätigte damit, dass ein Verkehrsbedarf besteht.
Schierlings-Wasserfenchel verhindert Baustart
Den baldigen Beginn des Fahrrinnenausbaus verhindert aber die nur an der Elbe vorkommende Pflanzenart Schierlings-Wasserfenchel. Das BVerwG rügt eine nicht ausreichende habitatschutzrechtliche Verträglichkeitsprüfung, ein Verstoß gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) sei derzeit nicht auszuschließen.
So sei zum einen der Prüfung eines durch die Elbvertiefung verursachten Anstiegs des Salzgehaltes auf den Schierlings-Wasserfenchel ein nicht ausreichender Maßstab zugrunde gelegt worden, weswegen die Bewertung der Planfeststellungsbehörde die Beeinträchtigungen des Schierlings-Wasserfenchels möglicherweise unterschätze. Schon diese Möglichkeit allein genügt für die Rechtswidrigkeit der Planfeststellung.
Zum anderen führe der Fahrrinnenausbau schon nach der Bewertung der Planfeststellungsbehörde zu einer Beeinträchtigung des von den Bauarbeiten einer Vertiefung betroffenen Gebietes. Dafür notwendige Kohärenzmaßnahmen ergeben sich aus Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie. Ziel der Kohärenzssicherung ist es, den Erhaltungszustand der betroffenen Arten an anderer Stelle zu verbessern. Dadurch sollen die negativen Auswirkungen der Elbvertiefung auf die Umwelt aufgewogen werden.
2/2: Hohe Anforderungen an Umwelt- und Erhaltungsmaßnahmen
Doch die konkret vorgesehenen Kohärenzmaßnahmen reichen nach Auffassung der Leipziger Richter nicht aus. Eine ohnehin zur Erhaltung des FFH-Gebietes erforderliche Maßnahme i.S.v. Art 6 Abs. 1 und 2 FFH-Richtlinie, die im Rahmen der Elbvertiefung geplant ist, kann laut Senat nicht zugleich eine Kohärenzmaßnahmen für eine Umweltbeeinträchtigung des Elb-Gebietes sein.
Kohärenzmaßnahmen müssten vielmehr über Maßnahmen des Gebietsmanagements hinausgehen. Damit verdeutlicht das BVerwG, dass an Kohärenzmaßnahmen hohe Anforderungen zu stellen sind. Den Planfeststellungsbehörden ist es damit verwehrt, eine Verbesserung des Erhaltungszustandes durch ohnehin erforderliche Maßnahmen zu erreichen und sowieso fällige Vorbereitungen gleichzeitig als Ausgleich für zu erwartende Umweltbeeinträchtigungen anzurechnen.
Mit Maßnahmen des Gebietsmanagements entsteht somit kein "Guthaben" für eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des FFH-Gebietes. Gefordert sind stattdessen zusätzliche Verbesserungsmaßnahmen, damit keine Verschlechterung des Erhaltungszustandes zurückbleibt.
Verschlechterungsverbot für Gewässer beachtet
Das auf die Europäische Wasserrahmenrichtlinie zurückgehende Verschlechterungsverbot für Gewässer steht dem Fahrrinnenausbau nicht entgegen: Das BVerwG hatte die Klageverfahren gegen die Elbvertiefung ausgesetzt, um eine Entscheidung des EuGH zur Werdervertiefung abzuwarten. Nach den vom EuGH in seiner Antwort aufgestellten Grundsätzen ist ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nicht zu erkennen, so die Leipziger Richter. Die möglichen Beeinträchtigungen der biologischen Qualitätskomponenten der Elbe führten nicht dazu, dass eine Verschlechterung des Zustandes der Elbe anzunehmen ist. Keine der relevanten Qualitätskomponenten verschlechtere sich um eine Klasse.
Den übrigen Angriffen der Umweltverbände gegen die Planfeststellungsbeschlüsse hat das BVerwG ebenfalls eine Absage erteilt. Dem Artenschutz weiterer geschützter Arten sei ausreichend Rechnung getragen und die habitatschutzrechtliche Alternativenprüfung nicht zu beanstanden.
Für die Hansestadt besteht nun die Möglichkeit, die festgestellten Mängel im Wege eines ergänzenden Verfahrens auszuräumen. Dazu muss eine weitergehende Untersuchung zur etwaigen Beeinträchtigung des Schierlings-Wasserfenchels erfolgen. Gleiches gilt für zusätzliche Kohärenzmaßnahmen über die bisher beabsichtigten hinaus. Eine hinreichende Abarbeitung dieser Themen vorausgesetzt, kann der Fahrrinnenausbau von Unter- und Außenelbe erfolgen. Die Elbvertiefung ist damit grundsätzlich umsetzbar, wenn die notwendigen Nachbesserungen realisiert wurden.
Der Autor Dr. Hendrik Schilder ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der überörtlichen Kanzlei Kapellmann und Partner. Einer seiner Beratungsschwerpunkte liegt im Umweltrecht.
Dr. Hendrik Schilder, BVerwG zu Elbvertiefung: Gute Idee, schlechte Planung . In: Legal Tribune Online, 09.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22056/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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